Ich bin ein Teenie, holt mich hier raus!
In ihrem neuen Lockdown-Mamablog zählt Michèle Binswanger die Anzahl Teenies zuhause.
Früher, als meine Kinder noch süsse kleine Hosenscheisser waren, versuchte ich mir manchmal vorzustellen, wie das sein würde, später. Ich sah es bei meinen Freunden, was mit Kindern passiert, wenn sie heranwachsen.
Sie werden irgendwann neunmalklug und frech und ehe man sichs versieht, sind sie stinknormale Teenager, mit allem, was dazu gehört. Ich bewunderte meine Freunde, wie sie die Launen ihrer halbstarken Begleiter mit einem Schulterzucken und unerschütterlicher Liebe hinnahmen.
Jetzt lebe ich mit zwei Teenagern zusammen, dank Corona sozusagen auf einem Haufen. Und sie machen auch viel Haufen, manchmal sind es Kleider, manchmal schmutziges Geschirr oder die Verpackungen der Dinge, die sie sich im Netz bestellen.
Trotzdem funktioniert das Zusammenleben eigentlich erstaunlich gut, auch wenn es manchmal kurios aussieht; wenn wir alle drei mit Laptop und Ohrstöpseln durch die Wohnung wandeln, jeder an irgendeiner Sitzung teilnehmend oder in ein Gespräch vertieft, aber nicht miteinander.
Es ist ein fragiles Gleichgewicht, das jederzeit kippen kann.
Es funktionierte bisher auch deshalb so gut, weil das Wetter schön und die Truppen bei guter Moral waren. Aber es ist ein fragiles Gleichgewicht, das jederzeit kippen kann. Und dann kommt es zu den berühmt berüchtigten Fights, die Teenager und Eltern sich offensichtlich liefern müssen.
Ich erspare Ihnen die Inhalte der Auseinandersetzungen, die ich mit meinem pubertierenden Nachwuchs führe. Ich kann Ihnen einfach verraten, die Dynamik dieser Streite ähnelt jener, wie man sie auch in zerrütteten Partnerbeziehungen findet. Dann, wenn der Inhalt des Streits irgendwann egal wird, weil jede Auseinandersetzung in den grossen Streit mündet, der immer unterschwellig lauert und jederzeit aufflammen kann.
Das ist natürlich sehr ermüdend, denn wie im Beziehungsstreit wird man letztlich immer wieder mit sich selbst konfrontiert. Und immer wieder fragt man sich: Wie lange halte ich das noch aus?
Dann gibt es nur eines. Man muss den Erwachsenen-Autopilot einschalten. Den Ärger kanalisieren in klare Anweisungen. Den Dialog suchen, die eigene Langmut finden. Wer das nicht tut, läuft Gefahr, plötzlich mit drei Teenagern zusammen zu leben – weil man selber zum Halbstarken zu regredieren droht.
Im Unterschied zu einer zerrütteten Partnerbeziehung, wird man beim eigenen Nachwuchs auch nicht aufgeben. Denn die Beziehung zu einem Teenager mag schwierig sein, aber sie werden ja nicht immer Teenager bleiben.
Es ist eine Phase, die irgendwann vorbei sein wird, genau so, wie die Corona-Zeit hoffentlich irgendwann ein Kapitel ist, auf das wir aus der Zukunft zurückblicken und uns fragen werden, was da eigentlich passiert ist. Wir sind stark genug. Wir werden auch das überstehen.
Michèle Binswangers Tagebuch in der Übersicht:
Michèle Binswangers berichtet in ihrem neuen Lockdown-Mamagblog über ihre Erlebnisse im Home Office. Ab sofort bloggt die zweifache Mutter zweimal pro Woche – jeweils Sonntag und Mittwoch. Ihr Blog erscheint auf www.tagesanzeiger.ch und www.fritzundfraenzi.ch.