Konflikt: Was tun, wenn das eigene Kind ein anderes würgt?
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Was tun, wenn das eigene Kind ein anderes würgt?

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Kindergärtler hat Streit mit einem anderen Kind und würgt dieses. Der Dialog einer Mutter mit ihrem Sohn zeigt, wie Eltern einen Konflikt klären können – ohne Drohung und ohne Strafe.

Text: Nadine Zimet
Bilder: Gabi Vogt/ 13Photo

Max ist 6 Jahre alt und hat in der Pause Streit mit einem siebenjährigen Knaben. Er hat ihn heftig gewürgt. Von der Lehrperson ist er abgemahnt und bestraft worden. Er kommt geknickt nach Hause und erzählt seiner Mutter, was passiert ist. Nachfolgend ein Ausschnitt aus dem Dialog zwischen Max und der Mutter, die sich bemüht, das Gespräch zu entschleunigen.

Die Mutter schildert ihre Beobachtung:

Mutter: Max, du hast deinen Freund gewürgt, das geht nicht. Bist du frustriert, weil du den Ball möchtest?
Max: Ja, er gibt ihn nie her. Er nimmt ihn mir immer weg. Er lässt mich nie damit spielen.
Mutter: Also Max, wärst du zufrieden, wenn du den Ball bekommen würdest?
Max: Nein. Ich will mit den anderen Kindern Ball spielen.

Die Mutter fragt nach den Gefühlen und Bedürfnissen:

Mutter: Bist du traurig, weil du mit den anderen Kindern spielen möchtest, sie dich aber nicht lassen?
Max: Ja.

Die Mutter teilt ihre Gefühle und ihre Bitte Max mit:

Mutter: Ich bin besorgt um die Sicherheit und Freude aller Kinder auf dem Spielplatz. Sag mir bitte, was du brauchst, damit du auf diesem Spielplatz spielen kannst und andere Kinder nicht verletzt werden.
Max: Ich weiss es nicht.

Die Mutter checkt Max’ Bereitschaft, über eine andere Strategie nachzudenken:

Mutter: Max, möchtest du überlegen, was du tun könntest, um mitspielen zu können, statt andere zu würgen?
Max: Ich weiss es nicht.

Mutter: Bist du traurig, weil das mit dem Reden nicht funktioniert hat?

Die Mutter merkt, dass Max noch nicht bereit ist:

Mutter: Wenn ich etwas möchte, ändere ich meine Worte und sage zum Beispiel: Ich sehe, du hast den gelben Ball, darf ich mit dir spielen? Willst du auch probieren, andere Worte zu wählen?
Max: Ich habe ihm gesagt, er soll mir den Ball geben, und er hat es trotzdem nicht getan.

Die Mutter merkt, dass ihre Botschaft noch nicht bei Max angekommen ist, und spricht seinen Frust an:

Mutter: Ich kann sehen, dass du immer noch sehr frustriert bist, weil du den Ball haben wolltest und ihn nicht bekommen hast.

Max: Ja, und ich hab geredet, aber er hat ihn mir trotzdem nicht gegeben.
Mutter: Wie hast du das gesagt?
Max: Gib mir den Ball!
Mutter: Vielleicht kannst du mit anderen Worten versuchen zu fragen und ihn um den Ball zu bitten? Bist du bereit, nach anderen Worten zu suchen?
Max: Die würden mir den Ball sowieso nie geben, ganz egal, wie ich danach frage.

Die Mutter merkt, dass eine tiefe Kränkung vorliegt:

Mutter: Bist du traurig, weil das mit dem Reden nicht funktioniert hat?
Max: Ja, die hören mir nie zu, kein Einziger von ihnen.
Mutter: Das macht dich sehr traurig. Möchtest du, dass dir die Leute zuhören, aber du weisst nicht, wie du sie dazu bringen kannst?
Max: Ja, Papa hört mir auch nicht zu.
Mutter: Du möchtest wirklich, dass dir die Menschen zuhören.
Max: Ja.

An dieser Stelle hat die Mutter Max zum ersten Mal im «Ja». Jetzt sind die beiden in Kontakt. Max fühlt sich von ihr verstanden und hört ihr zu.

Mutter: Ich bin froh, dass du mir deine Gefühle anvertraust. Ich verstehe, wie hoffnungslos du bist, weil dir die Menschen nicht das geben, was du möchtest.
Max: Ja.

Mutter: Und wenn es nicht funktionieren sollte, dann versuchen wir etwas anderes.

Die Mutter klärt jetzt erneut die Bereitschaft für die neue Strategie:

Mutter: Willst du ausprobieren, wie die Kinder reagieren, wenn du «bitte» statt «ich will» sagst?
Max: Ja.
Mutter: Wenn du «Gib mir den Ball!» sagst, könnte das die Kinder ärgern. Wie wäre es mit: «Wärest du bereit, mir den Ball zu geben?» Max ist noch unsicher.

Die Mutter geht noch einen Schritt weiter und ebnet den Weg auch für einen Misserfolg:

Mutter: Lass uns das versuchen. Wenn du es mit den anderen Kindern probiert hast, dann komm zurück und berichte mir. Und wenn es nicht funktionieren sollte, dann versuchen wir etwas anderes. Wärest du bereit, da mitzumachen?
Max: In Ordnung.
Mutter: In Ordnung. Und wärest du bereit, dies an Stelle des Würgens auszuprobieren?
Max: In Ordnung.

Nadine Zimet
arbeitet als Psychotherapeutin. Während ihrer 30-jährigen Tätigkeit in Diagnostik, Therapie, Begabungsförderung und Erziehungsberatung entwickelte sie das Konzept der straffreien Erziehung. Heute leitet sie das Zentrum für Begabungsförderung in Zürich.

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