Erziehen ohne Strafen – ja, das geht!

Das Wichtigste zum Thema
- Verhält sich ein Kind unerwünscht, reagieren Eltern häufig mit einer Bestrafung. Das heisst, das Kind bekommt negative Konsequenzen zu spüren oder ihm wird etwas Positives weggenommen. Erfahren Sie im Artikel, was ein solcher Mechanismus beim Kind auslösen und langfristig bewirken kann.
- Die Forschung hat herausgefunden: Ein Kind unterscheidet nicht zwischen Strafe und Konsequenz. Beides löst negative Gefühle wie Angst oder Scham aus. Das hat einen Einfluss auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind.
- Psychologin Nadine Zimet hat das Konzept der straffreien Erziehung entwickelt. Diese soll die kindlichen Bedürfnisse respektieren und helfen, dass das emotionale Band zwischen Eltern und Kind nicht beschädigt wird. Lesen Sie hier, wie sich das Konzept von anderen unterscheidet. Wenden Sie es bereits an?
- Das Ziel ist es, eine Verbindung zum Kind herzustellen und ihm zu helfen, seine Gefühle zu erkennen. Wie gelingt das? Nadine Zimet gibt konkrete Tipps, welche Art der Kommunikation eine Konfliktsituation entschärfen und die Beziehung zum Kind positiv beeinflussen kann.

Direkte und indirekte Bestrafung
Strafen und Konsequenzen

Kinder lernen, dass Eltern das Recht haben, Kindern ihren Willen aufzuzwingen. Kinder folgern zu Recht daraus, dass das Zufügen von Leid eine legitime Machtausübung ist, und entwickeln ein Menschenbild, in dem das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche herrscht: Man erreicht seine Ziele, wenn man dem anderen so lange Schmerz zufügt, bis er nachgibt. Dieses hierarchische Strafsystem wird gelebt und somit auch an die eigenen Kollegen und Geschwister weitergegeben.
Verängstigte Kinder
Verbindung wiederherstellen
Erziehung, die glücklich macht
Giraffensprache – die Sprache der Herzen
Der Wolf
Der Wolf hat gelernt, in Kategorien von Richtig und Falsch, Gut und Böse, Feinden, Opfern und Tätern zu denken. Wölfe verurteilen Fehler und suchen nach dem Schuldigen, kündigen Konsequenzen an und verteilen Strafen. Sie sind fest davon überzeugt, dass Druck, Schmerz, Angst, Schuld und Scham Menschen motivieren, Gewalt zu unterlassen und sozial zu handeln. Mit seinen Wolfsohren interpretiert er jede Kommunikation als wölfischen Angriff. Er hört aus den Worten der anderen Kritik, Urteile, Forderungen, Vorwürfe und Ablehnung. Deshalb reagiert er aggressiv.
Was ein Wolf denkt
«Ich bin ein Versager, ich habe etwas falsch gemacht, ich bin wütend auf mich.» Oder: «Du bist gemein, du hast meinen Geburtstag vergessen, weil ich dir nicht wichtig bin, ich bin wütend auf dich.» Entspricht etwas nicht seinen Vorstellungen und Werten, denkt er: «Du musst dich ändern, damit es mir wieder gut geht.» Der Wolf denkt in einer Handlungssprache und stellt Forderungen. Er glaubt, dass Kritik und Forderungen der geeignete Weg sind, Menschen zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern. Ein Wolf sieht nicht, dass er damit den andern und sich selbst entweder zur Rebellion oder zur Unterwerfung zwingt.
Wölfe sind nicht böse, aber sie fühlen sich immer angegriffen und haben deshalb einen Hör- und Sprachfehler und sehen ihre innere Schönheit nicht. Wenn sie lernen, auf ihre innere Lebendigkeit zu hören, auf ihre Gefühle und Bedürfnisse hinter den Urteilen, lernen sie, wie sie andere Menschen gewinnen können, ihnen zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Die Giraffe
Die Giraffe weiss, welche erfüllten oder nicht erfüllten Gefühle und Bedürfnisse hinter den Worten und Taten das Herz der Menschen bewegen. Sie weiss, dass das goldene Band, das Menschen miteinander verbindet, das Streben nach Erfüllung von Bedürfnissen ist. Es ist ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieses Band nicht zerreisst. Mit ihren Giraffenohren übersetzt sie jede Kommunikation auf Giraffisch. Sie versteht, was hinter dem Angriff des Wolfes in seinem Herzen lebendig ist, und übersetzt seine Sprache in seine Gefühle und Bedürfnisse.
Was eine Giraffe denkt
«Sieh die Schönheit in mir, und ich sehe die Schönheit in dir.» Giraffen sind bei sich und spüren, wie es ihnen geht. Sie stellen keine Forderungen und machen keine Vorwürfe. Sie übernehmen selber die Verantwortung, dem anderen zu sagen, was sie bewegt und was sie brauchen, um glücklich zu sein. Harmonie entsteht auf Giraffisch, wenn ich den Mut habe, ehrlich alles zu sagen, was ich beobachte, fühle und brauche, und wenn ich um das bitte, was ich brauche.
Die Giraffe weiss, dass Verbindung die stärkste Kraft ist, die die Menschen zusammenhält. Sie setzt sich dafür ein, die Verbindung wiederzufinden, wenn sie zu zerbrechen droht. Sie lenkt den Fokus auf die Ästhetik, auf das Prinzip der Natur nach Balance und Harmonie, Ruhe, Frieden und Ausgeglichenheit zwischen Geben und Nehmen, Haben und Sein. Sie lenkt bewusst ihren Fokus auf die Menschlichkeit im anderen. Das will sie in jedem Moment erkennen. Sie hört nicht auf das, was aus dem Mund einer anderen Person kommt oder was sie denkt und tut. Sie hört auf das, was im Herzen lebendig ist, auf die Gefühle und Bedürfnisse, die den anderen gerade in diesem Moment bewegen. Das hilft ihr, klar zu denken.
Wölfe und Giraffen haben die gleichen Ziele, gehen aber andere Wege. Es stellt sich letztlich die Frage, wer von beiden das bekommt, was er oder sie sich wünscht, wer Türen öffnet und wer Mauern baut.
Wie eine Mutter mit ihrem Kind Giraffisch spricht
Im Beispiel (hier) wird veranschaulicht, wie eine Giraffenmutter mit ihrem Kind Giraffisch spricht. Ihr Sohn ist wütend und verzweifelt. Er schlägt und würgt andere Kinder und hört nicht mehr zu. Er hat Angst, ist im Widerstand und sagt zu allem Nein. Trotzdem schafft es die Mutter, wieder eine Verbindung herzustellen. Sie hilft dem Kind, dass es zu seinem Schutz seine Einstellung, sein Gefühl und sein Verhalten ändert. Er vertraut ihr, dass sie ihm helfen will und ihm keine Schmerzen zufügt.