«Ich möchte nicht mehr so oft zu meinem Vater»

Der 14-jährige Elias hat bisher jedes zweite Wochenende bei seinem Vater verbracht. Nun haben sich seine Interessen aber verändert und er möchte lieber Sport machen und seine Freunde treffen. Was soll er tun? Unsere Expertin Sarah Zanoni weiss Rat.
«Frag doch mal Sarah»
Meine Eltern sind geschieden. Bisher ging ich jedes zweite Wochenende zu meinem Vater. Das war ganz okay, aber oft auch richtig langweilig. Ich möchte meine Wochenenden lieber selber gestalten. Ausserdem möchte ich Sport machen und mit meinen Kollegen rausgehen oder gamen. Aber mein Vater versteht das nicht und ist sauer. Was soll ich tun?
Elias, 14
Lieber Elias
Dein Anliegen ist aus meiner Sicht völlig nachvollziehbar – du bist nun in einem Alter, in dem deine Freizeit einen neuen Stellenwert bekommt. Als du noch jünger warst, kam es vielleicht nicht so stark darauf an, wo du das Wochenende verbringst – bei deiner Mutter oder deinem Vater –, weil du zum Beispiel deine Spielsachen mitnehmen konntest oder gemeinsam mit deinem Papa etwas unternommen hast. Und du konntest dich auf deinen Vater freuen und er sich auf dich.
Natürlich ist es sehr wichtig, dass du weiterhin den Kontakt zu deinem Vater halten kannst. Vielleicht erscheint dir das momentan nicht so notwendig, aber eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen kann nur entstehen oder positiv bleiben, wenn man sie auch pflegt. Das bedeutet, dass man regelmässig gemeinsam Zeit verbringt und immer wieder schöne Momente erlebt.
Du sagst, dass die Besuche bei deinem Vater oft langweilig sind. Weiss er, dass du das so empfindest – hast du mit ihm darüber gesprochen? Vielleicht wäre er dankbar für ein paar Ideen deinerseits. Sport kannst du bestimmt auch mit ihm zusammen machen, wäre das möglich?
Völlig normal in diesem Alter
Bei getrenntlebenden Eltern, die eher weit auseinander wohnen, kann es für die Kinder ein Hindernis sein, ihre Freunde zu treffen oder ihren gewünschten Aktivitäten nachzugehen. Wer seine Eltern aber in der Nähe hat, für den sollte vieles trotzdem machbar sein. Aber auch wenn dein Papa nicht ums Eck leben sollte, könnt ihr eure gemeinsamen Wochenenden bestimmt attraktiver gestalten als bisher.
Dein Bedürfnis, nicht mehr so viel Zeit mit deinem Vater zu verbringen, ist – wie gesagt – ziemlich normal in deinem Alter. Denn wahrscheinlich wirst du auch nicht mehr viel zusätzliche Zeit mit deiner Mutter verbringen, abgesehen davon, dass du bei ihr lebst und sie deshalb sowieso häufig siehst. Aber die meisten Jugendlichen möchten nicht mehr so oft mit ihren Eltern Dinge unternehmen oder zuhause gemeinsame Beschäftigungen pflegen wie jüngere Kinder.
Mein Vorschlag ist, dass du deinem Vater einmal in Ruhe erklärst, dass sich für dich einiges geändert hat. Dass du am Wochenende öfters andere Pläne hast und deshalb auch eine Änderung für den Besuch bei ihm anstreben möchtest. Bitte ihn, dir eine Probephase für etwa drei Monate zu geben, in der du vielleicht nur sonntags zu ihm kommst oder ihr gezielt etwas zusammen unternehmt – zum Beispiel einen Match besuchen oder schwimmen gehen.
Es ist wichtig, dass du deinen Eltern jederzeit zu sagen traust, was du dir wünschst.
Erkläre ihm, dass du ihn weiterhin sehen möchtest, aber einfach weniger oft als bisher. Vielleicht fällt es dir leichter, dies in einem Brief oder einer E-Mail an ihn zu schreiben, als es ihm persönlich zu sagen? Dann ist das auch eine gute Möglichkeit – Hauptsache, du kommunizierst mit ihm.
Kinder dürfen beim Besuchsrecht mitbestimmen
Ich finde es sehr wichtig, dass du dich jederzeit traust, deinen Eltern zu sagen, wenn du einen wichtigen Wunsch hast – und ich rede jetzt nicht von Geschenkwünschen. Dein Wunsch auf eine Änderung der Besuche bei deinem Vater ist ein solcher wichtiger Wunsch. Sprich bitte auch mit deiner Mutter darüber. Sie könnte dir dabei helfen, mit deinem Vater eine Lösung zu finden, die für euch beide passt.
Falls alles nicht helfen sollte, weil deine Eltern vielleicht nicht mehr ruhig miteinander sprechen können, kannst du deine Mutter bitten, jemanden vom Familiengericht zu kontaktieren und um Rat und Unterstützung zu fragen. Es ist nämlich so, dass Kinder beim Besuchsrecht mitbestimmen dürfen, vor allem wenn sie bereits im Jugendalter sind, so wie du.
Aber in den meisten Familien gibt es auch eine gute Lösung, ohne dass man sich rechtliche Hilfe holen muss. Ich gehe davon aus, dass dein Papa offen sein wird, wenn du ihm aufzeigst, dass er dich nicht verliert, sondern dass es nur mit deinem veränderten Freizeitverhalten zu tun hat. Es ist wichtig, dass du ihm zeigst, wie wichtig er dir ist. Dann wird er bestimmt auf deinen Wunsch eingehen.
Ich bin mir sicher, dass dein Vater merken wird, wenn du wieder mit grösserer Motivation zu ihm zu Besuch gehst, auch wenn es weniger oft ist als bisher. Dann wird es für euch beide eine Win-Win-Situation.
In unserer Rubrik «Frag doch mal Sarah» beantwortet Jugendcoach Sarah Zanoni Fragen von Kindern und Jugendlichen.
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