Betrugsversuche: «Hallo Mama, das ist meine neue Nummer»
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«Hallo Mama, das ist meine neue Nummer»

Lesedauer: 4 Minuten

Betrugsversuche via digitale Medien gibt es zahlreiche. Auch Kinder und Jugendliche stehen im Visier der Täter – und sind bei einem bestimmten Trick klar im Vorteil.

Text: Thomas Feibel
Illustration: Petra Duvkova / Die Illustratoren

Schon lange machen wir Erwachsene die ernüchternde Erfahrung, dass es keine digitale Kommunikation ohne Betrugsversuche gibt. Nahezu täglich trudeln solche E-Mails in unsere Postfächer ein. Mal möchte uns ein milliardenschwerer US-Grossunternehmer ein beachtliches Erbe hinterlassen haben. Ein andermal gibt ein ominöser «Hacker» an, unseren Computer zu kontrollieren, und droht nun damit, kompromittierende Aufnahmen unseres angeblichen Pornokonsums zu veröffentlichen. 

Auch wenn die E-Mail-Kommunikation für Kinder kaum eine Rolle spielen mag, können sie clevere Online-Kriminelle über andere Kanäle wie Whatsapp dennoch erreichen. Neben falschen Gewinn- oder Paketbenachrichtigungen treibt seit Längerem auch eine neue Version des Enkeltricks auf zahlreichen Mobil­geräten ihr Unwesen:

«Hallo Mama, das ist meine neue Nummer». (Gibt es auch mit «Hallo Papa», neuerdings sogar in Schweizerdeutsch.) Daraufhin folgt die Bitte, die Nummer zu speichern oder direkt zu antworten. Warum ausgerechnet diese Masche für Kinder ein Glücksfall sein kann, wird im weiteren Verlauf dieses Textes deutlich. Zuvor geht es jedoch darum, die Abläufe besser zu verstehen.

Wie kommen die Täter an die Nummern? 

Obwohl wir unsere Handynummern nur mit Menschen teilen, die wir kennen, geraten sie trotzdem in die Hände von Betrügern. Immer wieder werden Datenbanken verschiedenster Unternehmen gehackt und die gestohlenen Daten weiterverkauft. Erfahren betroffene Nutzerinnen und Nutzer davon, sollten sie die Passwörter ihrer geschützten Zugänge ändern.

Bei einer Rufnummer wäre ein Wechsel nicht ganz so einfach und mit viel Aufwand verbunden. Auch tragen viele Opfer selbst dazu bei, mit Spam und Betrügereien überschwemmt zu werden – etwa, indem sie ihre Nummer allzu freimütig in sozialen Netzwerken oder auf öffentlichen Websites hinterlassen. 

Worum geht es den Tätern?

Betrüger wollen ihren Opfern möglichst viel Geld abknöpfen. Manche schreiben als vermeintliches Kind ein paar unverfängliche Sätze, um Vertrauen aufzubauen. Andere kommen gleich zur Sache und täuschen mit grosser Verzweiflung einen Notfall vor, der eine sofortige finanzielle Überweisung der Eltern erfordert. Und wer würde das eigene Kind nicht aus einer misslichen Lage befreien wollen – selbst wenn die Kontonummer zu einem fremden Namen gehört und die Bank im Ausland sitzt.

Auch wenn nur wenige Menschen darauf reinfallen, ist das für die Täter ein recht einträgliches Geschäft. Laut Zürcher Kantonspolizei belief sich 2023 der allgemeine Schaden durch Telefonbetrug auf über fünf Millionen Franken. Neben Schockanrufen zählen auch die «Hallo Mama»-Botschaften zu dieser Statistik. 

Das Durchschauen eines ­Schwindels ist für Kinder eine sehr wichtige Erfahrung.

Wer fällt auf diese Masche rein?

Die Täter verschicken ihre «Hallo Mama»-Nachrichten, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Häufig gehen ihnen ältere Menschen ins Netz – besonders wenn sie leichtgläubig und in der Digitalwelt unerfahren sind. Aber auch besorgte Eltern, deren Kinder nicht mehr zu Hause leben oder sich auf Reisen befinden, tappen in die Falle. Zudem setzen die Betrüger auf den Überrumpelungseffekt, da Push-Nachrichten mit Vibration und Klingelton ihre Empfänger direkter erreichen.

Was geschieht, wenn Kinder diese Botschaft erhalten?

In meinen Schul-Workshops frage ich regelmässig, welche Betrugsmaschen Schülerinnen geläufig sind. Der «Hallo Mama»-Trick wird immer zuerst genannt. Sobald sie davon berichten, wirken sie auf mich überraschend gelöst, amüsiert und erleichtert zugleich. Geht es um Abzocke oder unangenehme Online-Begegnungen, ist bei ihnen dagegen starkes Unbehagen spürbar.

Zur Erinnerung: Für Kinder sind das Internet und Social Media die grössten Abenteuerspielplätze der Welt. Viele Erziehende bemerken nicht sofort, wenn ihre Kinder gefälschten Geschenkaktionen auf den Leim gehen, in eine Abofalle geraten oder unangemessene Anbahnungsversuche durch Erwachsene erleben. All diese Situationen können Kinder nur schlecht einschätzen.

Im Gegensatz dazu sorgt die «Hallo Mama»-Tour für einen klaren Lerneffekt: Alle Kinder wissen, dass sie selbst weder Mama noch Papa sind. Die Nachricht kann also nicht stimmen. Dieses Durchschauen des Schwindels ist für sie eine sehr wichtige Kompetenz- und Selbstwirksamkeitserfahrung. Wann sonst können Mädchen und Jungen alleine und angstfrei so eindeutig betrügerische Absichten in der Digitalwelt erkennen? Ihre gewonnene Erkenntnis sensibilisiert Kinder, auch künftig zweifelhafte Vorgänge im Netz stärker zu hinterfragen und selbstbewusster zu handeln. 

Wie können Eltern diesen Erkenntnisgewinn nutzen?

Durch Wertschätzung. Zollen wir unseren Kindern Anerkennung dafür, wie klar sie einen Betrugsversuch identifiziert haben. Nur: Wie oft loben wir eigentlich Kinder für ihr Verhalten in der Onlinewelt? Im Erziehungsalltag ist das Smartphone ein Reizthema. Und ja, es stimmt: Kinder übertreiben es mit der Nutzung und stellen unsere Geduld immer wieder auf die Probe.

Aber wenn Kinder bei Sorgen und Problemen in der Netzwelt ständig befürchten, dass sie mit Schelte und Sanktionen statt mit Hilfe und Verständnis rechnen müssen, dann werden sie sich in wirklich ernsthaften Situationen ihren Eltern nicht mehr anvertrauen. Wer in seiner Kindheit selbst einmal in einem tiefen Dilemma steckte, kann sich gut vorstellen, was plagende Schuldgefühle und innere Konflikte anrichten. 

Kein Zweifel, Kinder brauchen in der Mediennutzung Grenzen, aber noch wichtiger sind Vertrauen und Schutz. Da «Hallo Mama» für Kinder erkennbarer Quatsch ist, wäre das für alle Beteiligten ein ebenso lustiger wie unverkrampfter Gesprächsanlass. Und mit einem positiven Ansatz und dem Mantra «Rufe mich, wenn dir etwas komisch vorkommt» bieten wir die beste Prävention.

Was tun, wenn man eine betrügerische ­Nachricht bekommt?
  • Überweisen Sie kein Geld.
  • Brechen Sie jeglichen Kontakt zu den Tätern ab.
  • Kontaktieren Sie Ihre Kinder über die alte und bekannte Mobiltelefonnummer.
  • Machen Sie einen Screenshot von der Nachricht und senden Sie diesen an ereignis@cybercrimepolice.ch.

Falls Sie bereits Geld überwiesen haben:

  • Informieren Sie sobald als möglich Ihre Bank oder den gewählten Money Transmitter. Möglicherweise kann die Zahlung noch gestoppt werden.
  • Falls Ihnen ein Schaden entstanden ist, melden Sie sich persönlich bei Ihrer örtlichen Polizeistelle und erstatten Sie eine Strafanzeige.

(Quelle: cybercrimepolice.ch)

Thomas Feibel
ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Kinderratgeber «Mach deinen Medienführerschein: Dein erstes Smartphone». Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

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