Soziale Medien und der Einfluss auf die Jugend
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«Ich könnte alles löschen, aber der Drang dazu ist nicht da»

Lesedauer: 2 Minuten

Mara, 18, kann sich vorstellen, dass sie später einmal bereut, wie viel Zeit sie mit sozialen Medien zugebracht hat. Die coolen Seiten möchte die Schülerin aber auch nicht missen.

Aufgezeichnet von Mirjam Oertli
Bild: Adobe Stock

Ich bin auf Instagram, Tiktok und Snapchat. Auf Tiktok scrolle ich einfach so durch, zum Zeitvertreib. Auf Instagram poste ich auch selbst, aber selten. Das heisst, ich habe dort zwei Accounts. Auf dem einen folgen mir nur engste Freundinnen und Freunde. Da poste ich häufiger, etwa wöchentlich. Zum Beispiel lustige Videos von Dingen, die wir zusammen erlebt haben. Da achte ich auch nicht darauf, wie ich aussehe.

Auf dem anderen Account schon. Followerzahlen interessieren mich null. Auch Likes sind nicht so wichtig. Natürlich freue ich mich, wenn jemand einen herzigen Kommentar abgibt. Doch es geht mir mehr darum, Erinnerungen zu teilen. Bei älteren Posts dachte ich auch schon: ‹Wow, was ich da von mir preisgegeben habe!› Heute bin ich vorsichtiger in den sozialen Medien.

Vor allem wenn es dir nicht gut geht, vergisst du vor lauter Ablenkung schnell deine Sorgen.

Hate-Kommentare hatte ich noch nie. Eine Zeit lang haben ein paar Typen aus meiner Klasse dumme Sachen unter meine Posts geschrieben. ‹Du bist fett› und so. Es hat mich aber nicht megafest gekratzt. Wohl weil ich sie kannte und mir vorstellen konnte, warum sie den Drang verspürten, so was zu schreiben. Und einmal, vor zwei, drei Jahren, hat mir ein 30-Jähriger aus dem Quartier geschrieben: ‹Bisch Single?› Ich schrieb zurück: ‹Stopp, ich bin 15!› Da kam nur: ‹Ja hey, nicht so schlimm.› Das fand ich schon komisch.

Insgesamt verbringe ich so vier, fünf Stunden pro Tag auf sozialen Medien. Es ist halt megaeasy Unterhaltung. Natürlich geht viel Zeit verloren. Das kann aber auch angenehm sein. Vor allem wenn es dir nicht gut geht, vergisst du vor lauter Ablenkung schnell deine Sorgen.

Tiktok macht extrem abhängig

Vor ein, zwei Jahren wurde es bei mir für eine Weile aber wirklich zu viel: Mein sozialer Kreis war damals nicht so gross, so sass ich teilweise den ganzen Tag nur am Handy. Das gab natürlich Diskussionen mit meinen Eltern. Irgendwann kam ich aber auch selbst darauf, dass das nicht gut ist. Inzwischen lösche ich bewusst mal diese oder jene App oder schalte das Handy aus.

Dass soziale Medien schlecht für die Psyche sind, kann ich mir absolut vorstellen. Man sieht so viele Gesichter, Menschen, andere Leben. Das vermittelt schon das Gefühl, das eigene Leben sei nicht so spannend. Oder man denkt: ‹Ich sehe nicht so gut aus wie die.› Auch wird man massiv mit Infos bombardiert. Wie realitätsnah die sind, sollte viel mehr kontrolliert werden. Auch dass der Algorithmus nur zeigt, was man eh glaubt, scheint mir gefährlich. Ich finde es krass, wie das alles hingenommen wird.

Eine Kollegin von mir hatte nie soziale Medien. Darum braucht sie es jetzt auch nicht. Ich glaube, das hat ihr viel besser getan. Mir wäre es heute recht, hätte ich nichts davon gehabt. Vor allem Tiktok nicht, das macht extrem abhängig. Natürlich könnte ich auch einfach alles löschen. Nur ist der Drang halt nicht da.

Ich kenne es nun und weiss, dass das Vernetzen, die Unterhaltung cool ist. Aber vielleicht bereue ich später mal, wie viel Zeit ich damit verschwendet habe. Inzwischen habe ich allerdings ein Mass gefunden, das mir okay scheint. Und einmal habe ich meine Mutter gefragt, was sie früher gemacht hat, wenn sie zum Beispiel warten musste. Sie sagte, man habe einfach gewartet. Ich vermute, das war auch nicht besser. Heute schaut man halt aufs Handy.

Mirjam Oertli
ist freie Journalistin und Buchautorin («Wer auf dem Handy kein gratis Internet hat, ist tot!», «Jetzt stellen Sie doch das Kind mal ruhig!»). Sie ist Mutter von zwei Teenagern und einem Primarschulkind und lebt mit ihrer Familie in Luzern.

Alle Artikel von Mirjam Oertli

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