Einfach vorlesen!

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Ihr Kind soll sich besser konzentrieren können, leichter lesen und schreiben lernen? Dann lesen Sie ihm vor. Schon eine Viertelstunde pro Tag wirkt wahre Wunder – bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen.
Eine Teamkollegin aus dem Kindergarten berichtete, dass viele Kinder ihrer Klasse die selbst aufgenommenen Videos zum Bilderbuch auf der Website des Kindergartens wieder und wieder geschaut hätten. Schön, dass wir mit der Vorlesestunde im Fernunterricht vielen Kindern Freude bereiten konnten. Vorlesen ist und bleibt ein wunderbares, gemeinschaftliches Erlebnis und unterstützt die Kinder in ihrer Entwicklung.
Das meinen nicht nur wir Lehrpersonen, sondern wird auch von Fachleuten bestätigt: Vorlesen fördert die Konzentration, und Zuhören kann man lernen. Kinder, denen viel vorgelesen wird, können sich besser konzentrieren und haben eine längere Ausdauer beim Zuhören. Ausserdem verfügen sie über einen grösseren Wortschatz als ihre gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen ohne Vorleseerfahrung. Sie lernen leichter lesen und schreiben und haben dadurch grössere Bildungschancen.
Kinder, denen viel vorgelesen wird, können sich besser konzentrieren und haben eine längere Ausdauer beim Zuhören.
Geschichten regen die Fantasie von Kindern an und fördern ihre Kreativität und Ausdrucksfähigkeit. Altersgerechte Geschichten bieten gute Gesprächsanlässe, um alltägliche Sorgen und Konflikte im vertrauten Rahmen zu verarbeiten.
Unabhängig von den Förderaspekten soll beim Vorlesen der Spass an erster Stelle stehen. Vorlesen bedeutet, gemeinsam Zeit zu verbringen und füreinander da zu sein. Vorlesen bietet den Kindern Gelegenheit, Nähe und Aufmerksamkeit zu erfahren. Dass Papa, Mama, Grossvater, Grossmutter oder eine andere Person sich Zeit zum Vorlesen nimmt, ist ebenso wichtig wie die Hauptfiguren der Geschichte.
Und so wird Vorlesen zu einem wunderbaren Erlebnis:
- Wählen Sie einen günstigen Moment im Tagesablauf aus. Das kann vor dem Schlafengehen sein, nach dem Mittagessen oder vor dem Hausaufgabenmachen.
- Ein gemütlicher Platz ist beim Vorlesen viel wert. Es soll eine entspannte Vorlese-Atmosphäre entstehen. Dafür braucht es Zeit und Ruhe.
- Wenn Sie nicht gerade ein digitales Buch vorlesen oder gemeinsam eine Bilderbuch-App anschauen, schalten Sie während der Vorlesezeit ihr Handy und den Fernseher aus.
- Die Wahl der «richtigen Geschichte» ist ebenfalls wichtig. Die «richtigen» Geschichten für ein Kind sind die, die altersgerecht sind und die es interessieren. Um zu überprüfen, ob eine Geschichte altersgerecht ist, kann man sich am Alter der Hauptpersonen der Geschichte orientieren.
- Lassen Sie Ihr Kind das Vorlesebuch selbst auswählen und haben Sie Geduld, wenn Ihr Kind schon wieder dieselbe Geschichte hören möchte. Meint ein Kind: «Noch einmal!», ist das ein gutes Zeichen dafür, dass Sie alles «richtig» machen. Wenn Sie mehrere Kinder haben, lassen Sie diese ihre Vorlesebücher abwechselnd auswählen.
- Sie müssen kein Vorleseprofi sein. Es ist nicht entscheidend, dass Sie ein begabter Geschichtenerzähler sind, sondern dass Sie Ihrem Kind Zeit, Aufmerksamkeit und die eigene Begeisterung für die Welt der Fantasie und Wörter schenken.
- Für nicht routinierte Vorleser: Einfach anfangen! Vorlesen endet nicht mit dem letzten Satz der Geschichte. Nach dem Vorlesen ist es wichtig, über das Gehörte zu sprechen. Da können gezielte Fragen das Gespräch anregen: Was hat dir an der Geschichte besonders gut gefallen? Hast du auch schon mal so was erlebt? Gespräche über die Geschichte erzeugen Nähe und runden die Vorlesezeit richtig ab.
- Lesen Sie regelmässig vor, am besten jeden Tag, denn Kinder mögen Rituale. Sie geben ihnen Sicherheit und ermöglichen Vorfreude. Wie lange Ihre Vorleserituale dauern, finden Sie am besten gemeinsam mit Ihrem Kind heraus. Wichtig ist eine Regelmässigkeit, denn bereits fünf Minuten Vorlesen pro Tag wirken sich positiv auf die Entwicklung Ihres Kindes aus.
- Vorlesen kennt keine Altersgrenze! Auch Kinder, die schon lesen können, dürfen Vorleserituale geniessen. Lesen Sie Ihrem Kind deshalb auch dann noch vor, wenn es bereits selber lesen kann. Selbst Jugendliche und Erwachsene hören gerne zu.
Damit Jugendliche vom Vorlesen profitieren können, sollten Eltern die Lektüre mit ihnen zusammen auswählen.
«Basale Lesefähigkeiten können durch Vorlesen auch auf der Sekundarstufe noch gefördert werden.»
Damit Jugendliche vom Vorlesen profitieren können, braucht es Motivation zum Zuhören. Deshalb gilt auch bei den Jugendlichen, die Vorleselektüre mit ihnen auszuwählen und darauf zu achten, dass der Inhalt nahe an ihrer Lebenswelt ist. Die Bücher sollten nicht zu viele Personen und Perspektiven enthalten und einen klaren, linearen Handlungsstrang haben. Auch bei den Jugendlichen ist ein anschliessender Austausch sehr wichtig. Das, was der Text auslöst, muss Platz haben und besprochen werden.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Kindern viele wunderbare Vorleseerlebnisse!
Der Link www.einfachvorlesen.de hat mich zum Titel und zu den Tipps meines Artikels inspiriert.
Über die Autorin:
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