«Das Glück reist mit:» Ein neues Zuhause in den Cevennen
Im siebten Teil unserer Reiseserie verliebt sich die Familie Hals über Kopf in ein Haus in Frankreich, es gibt ein grosses Wiedersehen und eine unerwartete Nachricht stellt alles auf den Kopf.
Etwas verwirrt fragen sie: «Aber ihr zieht doch nach Portugal, oder?» Ja, wir planen immer noch, uns dort längerfristig einzurichten. Aber, man verliebt sich nicht alle Tage. Letzten Sommer haben wir unser Herz an ein Häuschen in den Cevennen verloren. Da, wo wir in der Reisezeit unsere Basis hatten; da, wo meine Eltern wohnen; da, wo meine Urgrossmutter herkommt.
Und nein, wir wollen dort nicht permanent leben. Zumindest nicht im Moment. Die Kinder hatten dem Ort bei unserer Punkteverteilung eine extra tiefe Zahl gegeben. Das Resultat sollte nach unten gezogen werden, damit er ja nicht als Wohnsitz in Frage kommt. Verständlich, denn in dem Bergdorf gibt es nach der Primarstufe keine weiterführende Schule und allgemein sind andere junge Menschen eher selten anzutreffen.
Für die Eltern ist es aber das perfekte französische Dorf. Im Nationalpark, mit Fluss und Pilzen und wilden Kastanien. Es verbindet uns mit einem Teil der Familie, der mehrere Generationen zurückgeht. Ausserdem ist Portugal für uns Mitteleuropäer ziemlich weit weg. Irgendwie fühlt es sich gut an, einen Rückzugsort zu haben, der etwas zentraler liegt.
Achtung, fertig, aufräumen…
Im Dezember 2022 ist es so weit: Wir lassen unseren Wohnwagen «Dicker» in Portugal stehen und fahren mit dem Auto nach Südfrankreich, um den Kaufvertrag zu unterschreiben und das Haus zu übernehmen.
Erst einmal wird es geleert von gefühlten 100 Jahren Gerümpel. Zwischen Tonnen von Sperrmüll finden sich zum Glück auch ein paar Schätze.
Den Dachboden für die Räumung vorzubereiten, wird zu einem kleinen Abenteuer. Wir forsten durch die Kisten und Kästen, welche die Vorbesitzer stehengelassen hatten. Neben ein paar antiken Möbeln finden sich auch Militärorden, ein altes medizinisches Set mit Glasampullen und Spritzen und sogar ein Schächtelchen mit Munition. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, daraus verrückte Geschichten zu spinnen.
Dort oben wurden vor 150 Jahren noch Raupen für die Seidenproduktion gezüchtet und ein fast verblichener biblischer Spruch an der Wand erzählt von heimlichen Treffen unter Hugenotten, der bis Ende des 18. Jahrhunderts verfolgten protestantischen Minderheit in Frankreich. Wir haben ein kleines Stück Geschichte erstanden.
Danach folgt das Putzen. Viele Jahre Dreck werden weggeschrubbt und Spinnweben aus den Ecken geholt. So lernen wir jeden Winkel dieses Häuschens kennen, in dem keine Wand gerade ist. Der Klempner muss noch ein paar tropfende Siphons in Ordnung bringen. Dann sind wir bereit.
Das grosse Wiedersehen
Da kommt er endlich: unser Container. Er sollte nicht länger im Dreiländereck bei Basel herumstehen und in Portugal gibt es noch keine Möglichkeit, unser Hab und Gut zu verstauen. Kurzerhand füllen wir das Haus wieder mit fast so viel Zeug, wie wir gerade eben ausgeräumt hatten. Oje.
Es ist wie doppelte Weihnachten, als die Mädchen ihre Kisten auspacken. Eine grosse Kartonschachtel wird sogleich wieder gefüllt mit all den Gegenständen, die während der Reisezeit ihre Bedeutung verloren haben. Puppen stehen eindeutig nicht mehr hoch im Kurs. Im Sommer, wenn wir zurückkommen, sollen sie auf dem «Vide Grenier», dem Flohmarkt, verscherbelt werden. Und all die Chasperli und Linard-Bardill-CDs? Die wird wohl in Frankreich niemand kaufen wollen. Obwohl, mir machen sie immer noch Freude.
Die Familien-Serie «Das Glück reist mit» gibt Einblick in verschiedene Aspekte einer aussergewöhnlichen Familienauszeit.
- «Das Glück reist mit»: Eine verrückte Idee wird wahr
- «Das Glück reist mit»: Venedig für sich ganz allein
- «Das Glück reist mit»: Lernen in der Wohnwagenschule
- «Das Glück reist mit»: Wie Loslassen Leichtigkeit bringt
- «Das Glück reist mit»: Wieder sesshaft werden
- «Das Glück reist mit»: Pubertät in Portugal
- «Das Glück reist mit»: Ein neues Zuhause in den Cevennen
Ein Drei-Generationen-Spielplatz
Das Haus ist wie ein grosser Spielplatz. Es gibt unendlich viel zu tun. Einiges werden wir selber machen können und die Grosseltern, die vor einigen Jahren ihr eigenes Haus renoviert hatten, stehen mit Rat und Tat zur Seite. Die Mädchen haben grünes Licht, sich nach Herzenslust einzurichten. Sie suchen sich eines der Zimmer aus und planen bereits die Möblierung und Farbgebung im Detail.
Erst einmal werden die Tapeten runter müssen, die sich in grossen Blasen lösen. Die Fundamente des Hauses stammen aus dem 16. Jahrhundert. Jede Wand hat mehrere Schichten und unter jedem Bodenbelag liegt mindestens ein weiterer. Alle drei Generationen beteiligen sich am Träumen und Planen.
Entschuldigend sagt die Jüngere: «Heute würde ich dem Dorf viel mehr Punkte geben. Aber nur, wenn wir nicht immer hier wohnen.». Nach den Anstrengungen des neuen sozialen Lebens in Portugal geniessen die Mädchen eine Weile ungestörte Schwesternzeit und die wilde Natur der Umgebung. Auf dem Berg, an dessen Fuss unser Dorf liegt, gibt es Schnee. Ein schöner Kontrast zum Atlantik.
Wieder halbwegs sesshaft
Seit unserem Aufbruch im April 2020 hatten wir ausser dem Wohnwagen kein eigenes Zuhause mehr. Zweieinhalb Jahre lang durften wir bei unseren Eltern bzw. Grosseltern immer wieder unterschlüpfen. Während Corona verbrachten wir viele Monate unter einem Dach und auch jetzt, wo unser neues Haus noch kalt und unbewohnbar ist, können wir jederzeit zurück ans warme Feuer.
Langsam schaffen wir unsere zwischengelagerten Sachen von meinem Elternhaus zu unserem neuen Eigenheim. Wenn auch diesmal nur ein paar Häuser weiter; es fühlt sich so an, als ob ich mit 45 Jahren ein zweites Mal von Zuhause ausziehe. Von jetzt an kommen wir wieder zu Besuch.
Auf einmal meldet sich der Trennungsschmerz. Es hatte sehr gut geklappt, das temporäre Drei-Generationen-Haus, und viele schöne Erinnerungen werden bleiben. Trotzdem ist es auch grossartig, wieder ein eigenes Daheim zu haben. Zu wissen, dass wir jederzeit in unser Haus zurückkehren können, gibt uns eine tiefe Sicherheit. Nach über 400 Jahren wird es wohl auch unsere Lebzeit überdauern.
Und so machen wir uns frohen Herzens bereit, zurück zum westlichsten Land des europäischen Kontinents zu fahren, zur Schule und zu unserem leichten Leben, mit wenig Zeug.
Die Reiseroute auf einen Blick:
Unangenehme Neuigkeiten aus Portugal
Kurz vor der Abreise erhalten wir eine unerwartete Nachricht aus Portugal. Unser geliebter Campingplatz wird geschlossen. Alle Langzeitmieter, die dort jahrzehntelang ihre kleinen Gärtchen gehegt und Mäuerchen um ihre untergestellten Wohnwagen gebaut haben, müssen innerhalb von sechs Wochen alles zusammenpacken und gehen. Ein neuer Sportpark für die Gemeinde sei geplant und nur noch Kurzzeitcamping – mit neuen Tarifen ab Sommer 2023.
Kurz danach kommt die nächste bittere Nachricht: Kurzzeit-Campierende, das sind wir, müssen den Platz sofort verlassen. Nur trennen uns gerade 1600 Kilometer von unserem Wohnwagen mit dem Vorzelt, wo die Heringe besonders tief im Boden verankert sind.
Erfahren Sie in Teil 8, wie die Familie Portugal von verschiedenen Seiten kennenlernt und neue Lebensentwürfe geschmiedet werden. Dieser erscheint Mitte April.