«Das Glück reist mit»: Wie Loslassen Leichtigkeit bringt
Eine Familie gibt Jobs und Zuhause auf, um eine grosse Reise zu machen, als Corona alles auf den Kopf stellt. Im vierten Teil der Serie wird materiell und emotional vieles entrümpelt und die Autorin verrät, was ihr unterwegs wirklich fehlt.
Wir haben alles dabei, was wir zum Reisen und Leben benötigen. Der Rest unseres Besitzes schlummert seit zwei Jahren in einem Container, der im Dreiländereck bei Basel herumsteht.
Zwischendurch erinnern wir uns daran. Dann fragen wir in die Runde: «Wer vermisst etwas von dem, was dort eingelagert ist?»
Alle zucken mit den Achseln. «Dieses schöne alte Buch, aus dem Brocki mit den Rosenarten drin!» sagt die Ältere. «Hmmm, ein paar Stofftiere, aber eigentlich nichts!» sagt die Jüngere. Mein Mann würde gerne wieder einmal auf unserem Klavier spielen und ich vermisse die kleinen farbigen Frühstücksschüsseln und die alte, rote Ikea Glasvitrine, wo sie drin waren.
Das grosse Ausmisten
Als wir die Wohnung damals auflösten, teilten wir unser Hab und Gut in drei Kategorien: weg, einlagern und mit. All das Zeugs, das sich über zwölf Jahre mit Kindern bei uns angesammelt hatte, war schockierend. Wann und wie kam bloss all dieser Krempel in unseren Haushalt?
Vieles haben wir verkauft oder verschenkt und wir Eltern versuchten, nur Wesentliches zu behalten. Bei den Kindern mischten wir uns nicht zu sehr ein, ob ein Gegenstand in ein bis zwei Jahren wirklich noch wichtig sein würde.
Auf diese Weise verschwanden viele Dinge zum Einlagern in Kartonschachteln, welche inzwischen längst vergessen sind.
Immer noch zu viele Besitztümer?
In den Cevennen bei den Grosseltern befindet sich ein Zwischenlager mit Sachen, die wir vielleicht zwischendurch brauchen. Dort hat auch jedes Kind eine grosse Kiste, mit wichtigen Gegenständen. Eine kleine Kiste mit Lieblingsobjekten darf in den Wohnwagen.
Ahnt ihr es schon? Das Meiste wird nie in die Hand genommen.
Der Sammeltrieb lässt nach
Seit wir unterwegs sind, versuchen wir immer wieder, uns noch leichter zu machen. Denn immer noch brauchen wir vieles von dem, was wir mit uns im Gepäck herumfahren, im Alltag nicht wirklich.
Zwischendurch fühle ich mich ein bisschen wie Hans im Glück: Je mehr wir loslassen, desto glücklicher bin ich. Mich mit Gerümpel herumzuschlagen, gibt mir eine schlechte Laune.
Im ersten halben Jahr der Reise sammeln wir noch überall Muscheln und Steine, die wir mitnehmen.
Inzwischen hat sich auch dieser Sammeltrieb gelegt. Wir schauen uns die schönen Objekte oft einfach an, stecken sie vielleicht eine Weile in die Hosentasche und legen sie danach wieder hin. Wir brauchen sie nicht mehr alle zu behalten.
Weniger Zucker, Salz und Fett
Beim Loslassen geht es nicht nur um Gegenstände, sondern auch um Gewohnheiten. Ein Beispiel ist die Ernährung.
Wir waren zwar nie besonders streng, wenn es um Lebensmittel ging. Trotzdem können wir auf unserer Reise, gewisse Werte in Bezug auf gesundes Essen entspannter leben.
Eine Kost mit weniger Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren ist viel einfacher, wenn man nicht konstant den Verlockungen an der Supermarktkasse, am Kiosk oder beim Snackautomaten ausgesetzt ist. Convenience Food brauchen wir nicht, da wir genug Zeit haben, frisch zu kochen.
Die Anzahl Geburtstagspartys beschränkt sich auf enge Familienmitglieder und die kommen auch ohne Tonnen von Gummibärchen, Smarties und Süssgetränken aus.
Inzwischen haben sich die Geschmacksnerven der ganzen Familie soweit umgewöhnt, dass die Kinder gewisse industriell verarbeitete Produkte ablehnen: Sie schmecken ihnen einfach nicht mehr.
Was mir wirklich fehlt
Ich muss zugeben, das Einzige, das mir manchmal wirklich fehlt, ist tatsächlich ein Haushaltsobjekt: Eine eigene Waschmaschine.
Mein eigenes Waschmittel benutzen zu können und sicher zu sein, dass vor uns nicht gerade Schuhputzteppiche gewaschen wurden, wäre zuweilen ein grosses Plus.
Mein kleines Portemonnaie mit den Ein- und Zweieuromünzen für die Campingwaschmaschinen wird gut gehütet, denn die Gewissheit, waschen zu können, vermittelt ein gewisses Sicherheitsgefühl, wenn man kein festes Zuhause hat.
Die Sehnsucht nach einem festen Zuhause
Es gibt Familien, die unterwegs in der Pfanne Weihnachtsguetsli backen und das gemütlich finden. Uns fehlt zur Adventszeit ein richtiger Backofen!
Zum Glück können wir im Winter jeweils bei den Grosseltern unterschlüpfen und die Vorzüge eines gemauerten Hauses geniessen. Zu Weihnachten sehnen sich alle nach der Wohnlichkeit eines festen Daheims.
Die 5-teilige Serie «Das Glück reist mit» gibt Einblick in verschiedene Aspekte einer aussergewöhnlichen Familienauszeit.
Freie Hände haben
Grundsätzlich fehlt uns sehr wenig und wir sind sehr glücklich mit einem Leben, in dem es von allem ein bisschen weniger gibt.
«Wer etwas loslässt, hat beide Hände frei.» Dieses Zitat, das dem Schriftsteller Hellmut Walters zugeschrieben wird, haben wir uns zu Herzen genommen.
Wenn wir wieder ein geregelteres Leben in die Hände nehmen, werden wir es mit mehr Bedacht tun.
Die Reiseroute auf einen Blick:
Erfahren Sie in Teil 5 wie die Reise endet und welche Herausforderungen das Ankommen mit sich bringt. Dieser erscheint Mitte September.