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«Das Glück reist mit»: Eine verrückte Idee wird wahr

Lesedauer: 4 Minuten

Eine Familie gibt Jobs und Zuhause auf, um eine grosse Reise zu machen, als Corona alles auf den Kopf stellt. Dies ist der Anfang eines Abenteuers, das durch fünf europäische Länder führt und unerwartete Herausforderungen, interessante Einsichten, Familienzusammenhalt und sehr viel Glück mit sich bringt.

Text & Bilder: Debora Silfverberg

«Ihr seid mutig!», diese Aussage hören wir immer wieder. Was im Unterton auch mitschwingt: «Ihr seid ein bisschen verrück!», «Ihr seid unverantwortlich», «Seid ihr sicher, ob das eine gute Idee ist?».

Die Wohnung verkaufen, zwei sichere Jobs aufgeben und dafür mit einem zehn- und einem zwölfjährigen Kind auf Reise gehen. Mit offenem Ende, ohne festgelegte Zeitspanne und ohne fixen Ankunftsort. Ist das vernünftig? Wahrscheinlich nicht. Der Weg zur Einsicht, dass dies trotzdem der richtige Weg für uns ist, kommt schleichend.

Auf der Bushaltestelle träumen

Wir sitzen viele Abende auf der «Bushaltestelle». So nennen mein Mann und ich unser Sofa, auf dem wir nach einem langen Arbeitstag nebeneinandersitzen und warten – auf den Bus, der uns abholt und irgendwo hinfährt, weg vom Alltag.

Ausserdem träumen wir immer wieder gemeinsam am Familientisch von einer grossen Reise. Wäre es nicht fabelhaft, einmal mit ganz viel Zeit Europa zu entdecken? Irgendwann bringen die Kinder die Frage auf den Punkt und uns in Erklärungsnot: «Reden wir eigentlich immer nur darüber oder tun wir es wirklich?»

Im Frühjahr 2020 geben Debora Silfverberg ihre Stelle als Fachleiterin bei HELP For Families und Nicolas Krückeberg seine Stelle als Frühinterventionstherapeut für autistische Kinder bei der UPK in Basel auf, um mit ihren zwei Töchtern und Maila dem Hund eine grosse Reise durch Europa zu machen. Die mehrteilige Serie «Das Glück reist mit» gibt Einblick in verschiedene Aspekte einer etwas ungewöhnlichen Familienauszeit.

Asthma als triftigen Reisegrund

Eigentlich gibt es sehr gute Gründe, etwas zu verändern. Eines unserer zwei Mädchen hat Asthma und ein Allergieprofil, das ein Leben in diesem Teil von Europa nur mit einer Mischung aus jährlichem, wochenlangem «Lockdown», einem riesigen Medikamenten-Cocktail und vielen persönlichen Einschränkungen möglich macht.

Wir haben es satt, erst im August das erste Mal unbeschwert als Familie draussen sein zu können, wenn die Hasel-, Birken-, Buchen- und Gräser-Blütezeiten endlich vorbei sind. Wenn das eine Kind nicht raus kann, bleibt das andere oft auch lieber Zuhause.

Monatelang können wir keine Wäsche draussen trocknen und auch einmal gut durchlüften kommt nicht in Frage. Je länger je mehr wird die Situation für die ganze Familie zur Belastung.

Auf der Schatzalp, Davos Juni 2020: Die Bergluft hilft bei Asthma.

Fertig geredet

Warum also nicht einfach wegziehen? Es gibt Wohnorte mit besserem Klima, zum Beispiel im Hochgebirge, am Atlantik oder an der Nordsee. Vielleicht könnten wir dort nach Arbeit suchen? Das wäre doch vernünftig. Der Floh im Ohr, eine Reise zu machen, hört jedoch nicht auf, uns zu kitzeln. Wir spüren immer mehr, dass wir sie wirklich machen und nicht nur darüber reden wollen.

Jedes Familienmitglied hat ein Veto, die Reise zu beenden, wenn es sich nicht mehr gut anfühlt.

Danach würden wir aber nicht mehr an diesen Ort zurückkehren wollen. Irgendwann im Sommer 2019 fällt der Entscheid endgültig: Die Wohnung wird verkauft, die Arbeit gekündigt.

Das Frühjahr 2020 soll weg von allen Pollen entlang der Atlantikküste verbracht werden und die Suche nach einem neuen Zuhause, wo alle genug Luft kriegen, soll eröffnet werden. Und so beginnt das grosse Planen.

Unser Dicker

Zunächst müssen wir uns überlegen, auf welche Art wir reisen würden. Wie kann man Kindern Stabilität und ein Gefühl von Geborgenheit geben, wenn sie kein festes Zuhause mehr haben?

Das Konzept «Wohnwagen mit Zugfahrzeug» bietet sich für uns als die zweckmässigste Lösung an: Ein Caravan kann jeweils an einem Ort bleiben und das Auto ermöglicht Ausflüge und Einkäufe. Es hat Platz zum Schlafen, Leben und Arbeiten und die wichtigsten Sachen sind immer dabei. So finden wir zu unserem neuen Zuhause auf zwei Rädern, zärtlich auch unser Dicker genannt.

Der geliebte Wohnwagen, genannt Dicker.

Die Grosseltern als Back-up

Ein weiterer Grundstein unseres Unterfangens ist das grosse Glück, vier gesunde Grosseltern im Hintergrund zu haben. Sollte uns der Himmel auf den Kopf fallen, haben wir mehrere Zufluchtsorte, wo wir unterschlüpfen können. 

In Südfrankreich in den Cevennen, bei Grossmutti und Grossvati, dürfen wir unsere administrative Basis einrichten. In Norddeutschland bei Oma und Opa befindet sich ein weiteres Nest, wo wir immer willkommen sind.

Mit so viel Rückhalt fühlen wir uns in den Vorbereitungen gar nie ausserordentlich waghalsig. Es ist für uns ein Schritt, bei dem nicht viel mehr schief gehen kann, als all das, was auch sonst im Leben schief gehen könnte.

Eine Reise mit offenem Ende

Wir haben keinen Plan, wie lange unsere Reise dauern soll. Vorerst steuern wir etwas mehr als ein Jahr an. Vielleicht würden wir bereits nach wenigen Monaten genug haben oder das konstante Zusammensein auf engem Raum würde uns auf den Wecker gehen? Also beschliessen wir, dass jeder von uns ein Veto hat, die Reise zu beenden, wenn es sich nicht mehr gut anfühlt.

Wo geht es hin? Mont Aigoual im November 2020.

Vor geschlossenen Grenzen

So kommt es, dass unsere Bushaltestelle tatsächlich verschwindet. Anstatt der erwarteten Freiheit bringt das Frühjahr 2020 jedoch eine überraschende und unberechenbare Herausforderung in Form einer weltweiten Pandemie.

Ende April stehen wir, bereit für unsere Reise, vor geschlossenen Grenzen. Dies, ohne unsere Jobs, ohne ein Zuhause und wegen coronabedingter Verzögerungen auch ohne Wohnwagen, um dieses zu ersetzen.

Den Frühling verbringen wir anstatt an der Atlantikküste im schweizerischen Hochgebirge. Dies ist der Anfang eines echten Abenteuers, in dem Flexibilität unser zweiter Name wird und der besagte Mut doch noch zum Einsatz kommt.

Erfahren Sie in Teil 2, wie die Reise weitergeht und die Familie europäische Hotspots für sich ganz alleine hat. Dieser erscheint Ende Juni.

Debora Silfverberg
hat viele Jahre als Fach- und Leitungsperson in der Familien- und Sozialpsychiatrie gearbeitet. Seit 2020 ist sie mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in verschiedenen Ländern Europas unterwegs und schreibt als freie Journalistin und Autorin über gesellschaftliche Themen.

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