Ist mein Kind fit für die Berufswelt?
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Vielen Jugendlichen fehle es heute an Umgangsformen und Durchhaltevermögen, beklagen Ausbilder. Dies hängt nicht zuletzt mit ihrer mangelnden Medienkompetenz zusammen, sagt unser Kolumnist.
Beschränkte sich ihr Schulalltag weitestgehend auf Zuhören, Lernen und Prüfungenschreiben, treten Jugendliche mit dem Beginn einer Ausbildung in eine neue Welt ein. Der Arbeitstag umfasst mehr als acht Stunden und wird nicht mehr in derselben Häufigkeit durch Pausen unterbrochen; auf Pünktlichkeit, gute Umgangsformen und gepflegtes Äusseres wird viel mehr Wert gelegt als in der Schule; und während Engagement und Fleiss im Unterricht eher punktuell eingefordert wurden, ist diesbezüglich im Ausbildungsbetrieb Kontinuität gefragt.
Viele Jugendliche haben heute eine eingeschränkte Kontakt- und Konzentrationsfähigkeit.
Jugendliche sind heute unselbständiger
So seien Angehörige dieser Generation zwar sehr selbstbewusst, stellte er in der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» fest, aber unselbständig. «Diese jungen Leute haben eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer und Kontaktfähigkeit. Viele sind schnell abgelenkt und sich durch virtuelle Umgangsformen nicht mehr gewohnt, sich in realen sozialen Situationen angemessen zu verhalten.» Ein konkretes Beispiel dazu lieferte mir kürzlich eine Mutter an einem meiner Vorträge. Ihre 17-jährige Tochter hätte beinahe ihren Schülerjob verloren, weil ihre Teamleiterin sich über deren «arrogante Nachrichten» geärgert hatte. Dabei war der Text – «Wann soll ich morgen da sein?» – nicht herablassend, sondern nur platt und unhöflich. Es fehlte eine freundliche Anrede- beziehungsweise Abschiedsformel. Das Mädchen hatte mit ihrer Chefin wie mit einer Freundin kommuniziert.
Kinder entwickeln kein Bewusstsein für Gefahren
Und so fürchtet der Internet-Investor Klaus Hommels, dass Kinder ihre Jugendzeit mit nutzlosen Angeboten verschwenden. In einer Rede auf der NOAH Conference für Führungskräfte in London hatte Hommels errechnet, dass Kinder und Jugendliche im Durchschnitt sieben Jahre mit Diensten wie Snapchat & Co verbringen würden, die «ihnen keine wirklichen Lektionen fürs Leben erteilen». Welchen tatsächlichen Nutzen Jugendliche aus diesen Angeboten ziehen, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass Heranwachsende in diesen sieben Jahren Fotos, Videos oder Text- und Sprachnachrichten produzieren, ohne dabei ein Gefahrenbewusstsein zu entwickeln. Für sie ist das Internet ein Riesenspielplatz, auf dem Dinge wie Datenschutz und Privatsphäre keinerlei Rolle spielen.
Im digitalen Zeitalter müssen Erziehung und Bildung stärker miteinander verzahnt werden.
Ausbilder sind die ersten Begleiter im Berufsleben von Jugendlichen. Warum sollen sie für die Versäumnisse im Elternhaus und in der Schule bezahlen? Beim Thema Kinder und Digitalisierung geht es um viel mehr als um Medienkompetenz, es geht darum, Kinder und Jugendliche lebensfähig zu machen.
Im digitalen Zeitalter müssen Erziehung und Bildung deutlich mehr miteinander verzahnt werden. Eltern und Lehrpersonen müssen das grosse Ziel vor Augen haben, Menschen am Ende ihrer Schulzeit in vielerlei Hinsicht gerüstet in die Berufswelt zu entsenden. Nur so können Ausbilder wieder mehr von ihren Auszubildenden fordern und deren Potenziale ausschöpfen.
Auch Ausbilder können profitieren
Und wer sie in Social-Media-Aktivitäten des Betriebes einbezieht, lernt nicht nur etwas dazu, sondern schafft so beim Auszubildenden eine intensivere Identifikation mit dem Betrieb.
Sich gut aufs Leben und auf die Ausbildung vorbereiten
- Neue Medien müssen stärker in den Fokus von Erziehung und Bildung rücken.
- Wir müssen erkennen, dass Bedienkompetenz keine Medienkompetenz ist.
- Die Werte einer Gesellschaft gelten auch im digitalen Raum, müssen aber ständig vermittelt werden.
- Wir dürfen Kinder und Jugendliche nicht im Digitalen alleine laufen lassen, sondern müssen verlässliche Berater sein.
- Elternhaus und Schule sollten Jugendliche in deren Kommunikationsverhalten sensibilisieren und stärken sowie Regeln für die Kommunikation erstellen – ob Brief, Mail oder Messenger.
Zum Autor:
Deutschland. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare.
Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.