«Liebe Lehrer, senkt eure Erwartungen!»
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«Liebe Lehrer, senkt eure Erwartungen!»

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Der Schulunterricht zu Hause verlangt Eltern und Kindern derzeit vieles ab. Viel zu viel, sagt unsere Online-Leserin Monica B. und schreibt einen offenen Brief an alle Lehrerinnen und Lehrer.

Liebe Lehrpersonen, versuchen wir doch alle einen Gang zurückzuschalten und durchzuatmen. Der Versuch, alles richtig machen zu wollen, geht in die falsche Richtung.  Es ist nun die vierte Corona-Virus-Woche, in der wir alle gefordert werden, in der wir alle an unsere Grenzen kommen, in der wir jeden Tag versuchen unser Bestes zu geben, in der wir Vollgas geben, damit es allen gerecht wird …  … und vor allem, in der wir mit unseren Ängsten und Zweifeln konfrontiert werden.

Meine Töchter vermissen den Schulalltag, ihre Kolleginnen, den Klassenraum. Ich vermisse meine ruhigen Rückzugsmomente. Denn: Wir Mütter haben meistens nicht nur ein Kind, sondern zwei oder mehr und immer noch den Haushalt und Job, den wir schmeissen müssen. Das macht uns in dieser Situation noch müder und noch ein Stück genervter. Mein Mann ich vermissen unsere Lieben, die wir nicht mehr besuchen geschweige denn umarmen oder küssen dürfen.

Bitte seien Sie in dieser Zeit weniger streng, weniger «Lehrer» – und vor allem seien sie kulant. 

Es ist eine neue Situation. Für alle. So auch für Sie, liebe Lehrpersonen. Auch Sie haben Familie und Freunde und zig Aufgaben und Pflichten, die gleichzeitig erledigt werden müssen. Sie können sich also vorstellen, was wir Eltern gerade erleben. 

Ich habe daher eine Bitte an Sie:  Legen Sie den ganzen Schulstoff und alles was dazugehört für einen Moment zur Seite und treten Sie aus der Leistungsspirale heraus. Versetzen Sie sich in meine Lage und in die meiner Familie. Bitte seien Sie in dieser Zeit weniger streng, weniger «Lehrer» und vor allem kulant. Machen Sie ihre Prüfungen, die nötig sind, wenn wir alles gut überstanden haben. Jetzt ist nicht der Moment, Homeschooling oder Digitale Schule in «Normalität» verwandeln zu wollen. Es ist unmöglich. Das ist nicht als Kritik gemeint, wir allen wissen, dass auch Sie unter Druck stehen und Ihr Möglichstes geben wollen. 

Ich weiss von Schulkindern, die fast nicht mehr schlafen können vor Sorge um sich selbst, ihre Grosseltern, Freunde, Geschwister und Eltern. Meine Kinder sind gestresst, weil sie das Gefühl haben, dass sie nicht alles schaffen können. Sie verzichten auf Pausen oder das Frühstück, um all dem gerecht zu werden. Und ja: Es macht mich traurig, dass sie noch mehr Druck haben als in ihrem normalen Schulalltag. Natürlich müssen Kinder lernen, mit Frust und Druck umzugehen und auch schwierige Phasen auszuhalten. Aber bitte: nicht jetzt.

Nach zahlreichen Gesprächen mit vielen anderen Kindern und Lehrpersonen komme ich zum Schluss, dass es allen im Grunde genommen gleich geht. Es ist darum die Gelegenheit, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das heisst: Druck rausnehmen! Nutzen wir diese Chance, die uns diese Krise bietet. Danke!  Bleiben Sie gesund und alles Liebe.

Herzlichst, Monica B.