«Kinder brauchen Führung und Wertschätzung»
Brigit Leuenberger, 44, ist Primarlehrerin und lebt mit ihrem Sohn Rayan, 15, in Biberist SO. Die alleinerziehende Mutter hat langjährige Erfahrung mit Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf. Im Beruf wie in der Erziehung lautet für sie das Schlüsselwort: Respekt.
Mein 15-jähriger Sohn wird von Aussenstehenden oft als besonders freundlich und verantwortungsbewusst wahrgenommen. ‹Toll, wie du das als alleinerziehende Mutter geschafft hast›, bekomme ich zu hören. ‹Steckt dahinter ein harter Erziehungsstil?›, werde ich gefragt. Ich mag, ehrlich gesagt, schon das Wort ‹Erziehungsstil› nicht besonders. Mein Umgang mit Kindern und Jugendlichen basiert auf den Säulen des gegenseitigen Respekts, der Wertschätzung und der Liebe. Das war und ist bei meiner Arbeit als Lehrerin so, und auch mit meinem Sohn ist das die Grundlage unseres Miteinanders.
Rayan war für mich nie ein Baby oder ein Kind, das ich einfach nach meinen Vorstellungen formen kann.
Zwischen Rayan und mir gab es wenige Stunden nach seiner Geburt ein Schlüsselerlebnis. Wir waren allein, er lag auf meiner Brust und wir haben uns in die Augen geschaut. Ich habe in diesem Moment ganz intensiv gefühlt: Was für eine Persönlichkeit! Diese Erkenntnis hat mich begleitet. Rayan war für mich nie ein Baby oder ein Kind, das ich einfach nach meinen Vorstellungen formen kann.
Respekt und Wertschätzung in der Schule
Wenn ich als Lehrerin mit Kindern arbeite, berücksichtige ich das auch. Viele Erwachsene finden, ein Kind solle ihnen gegenüber Respekt zeigen. Das stimmt! Aber ich bin der Meinung, dass wir uns gegenseitig Achtung und Wertschätzung entgegenbringen sollten. Ich habe fast acht Jahre mit Kindern gearbeitet, die verhaltenstechnisch alle Autoritäten ausgehebelt hatten und in gesonderten Kleinklassen gelandet waren. Die waren in ihrem Leben schon oft hart bestraft worden und das hat gar nichts geändert.
Belohnen und Strafen funktioniert nur bis zu einem gewissen Alter.
Ich habe Rayan immer erklärt, warum wir bestimmte Dinge tun und er kooperieren soll. Als er ein Kleinkind war, habe ich ihm gesagt: ‹Schau, ich muss arbeiten gehen, weil wir Geld brauchen. Deshalb wäre es gut, wenn du jetzt in die Kindertagesstätte gehst und kein Theater machst. Ich hole dich ab, so früh ich kann.› Es gab dann kein Bonbon als Belohnung – aber einen kuscheligen Nachmittag zusammen.
Als er älter war, habe ich ihm kleine Aufgaben übertragen. Ich habe nie gesagt: ‹Wenn du den Müll rausbringst, kriegst du ein bisschen mehr Taschengeld.› Ich habe ihm klargemacht, dass wir beide Verantwortung tragen und ich genervt bin, wenn er das vergisst. Damit konnte er gut umgehen. Belohnungen und Bestrafungen funktionieren nur kurzfristig und auch nur bis zu einem gewissen Alter. Ich möchte den Respekt meines Sohns aber für mein ganzes Leben.