06. Mai 2025
Meine Tochter ist so undankbar!

Lesedauer: 2 Minuten
Die 12-jährige Tochter von Marcel bedankt sich selten für Geschenke oder Unterstützung im Alltag. Muss ein Kind seinen Eltern dankbar sein – oder ist elterliches Engagement selbstverständlich? Das sagt unser Expertenteam.
Eine Frage – drei Meinungen
Unsere Tochter ist 12 Jahre alt und sehr undankbar. Sie sagt selten Danke, wenn ich ihr etwas schenke, ein T-Shirt beispielsweise oder Sneakers. Und sie sagt keinen Ton, wenn ich fein gekocht habe oder ihr bei den Hausaufgaben helfe. Spreche ich sie darauf an, sagt sie: Was erwartest du? Du bist mein Vater, das ist doch selbstverständlich. Müssen Kinder ihren Eltern für nichts dankbar sein?
Marcel, 40, Höri ZH
Das sagt unser Expertenteam:

Annette Cina
Dankbarkeit ist keine Pflicht. Doch das Zeigen von Wertschätzung für das, was man erhalten hat, verleiht dem Gegenüber Wert. Undankbarkeit hingegen offenbart ein Gefühl der Selbstverständlichkeit, als stünde einem alles zu. Anstand und Dankbarkeit können gelernt werden und ein Zusammenleben erheblich bereichern. Da Tadel und Kritik verschliessen: Sagen Sie Ihrer Tochter – ohne Vorwurf –, dass Sie enttäuscht sind, wenn nichts zurückkommt auf Ihr Engagement. Teenager sind häufig nicht in der Lage, sofort einen Fehler einzugestehen, doch sie hören Ihre Worte und können darüber nachdenken. Und: Gehen Sie selbst als gutes Beispiel voran.
Dankbarkeit ist keine Pflicht. Doch das Zeigen von Wertschätzung für das, was man erhalten hat, verleiht dem Gegenüber Wert. Undankbarkeit hingegen offenbart ein Gefühl der Selbstverständlichkeit, als stünde einem alles zu. Anstand und Dankbarkeit können gelernt werden und ein Zusammenleben erheblich bereichern. Da Tadel und Kritik verschliessen: Sagen Sie Ihrer Tochter – ohne Vorwurf –, dass Sie enttäuscht sind, wenn nichts zurückkommt auf Ihr Engagement. Teenager sind häufig nicht in der Lage, sofort einen Fehler einzugestehen, doch sie hören Ihre Worte und können darüber nachdenken. Und: Gehen Sie selbst als gutes Beispiel voran.

Andrea Jansen
Als Mutter von scheinbar ebenfalls sehr undankbaren Kindern und als ehemaliges sehr undankbares Kind tröste ich mich mit dem Gedanken, dass meine Kinder einst sehr dankbar sein werden. Nämlich dann, wenn sie selbst Eltern sind und merken, was das alles für ein Chrampf ist. Im Ernst: Die Kinder schätzen uns schon. Die Dankbarkeit kommt in anderer Form daher – nicht mit Worten, dafür verpackt in ihrem Vertrauen in uns, dass sie zu Hause ganz sich selbst sein dürfen, keinen Erwartungen entsprechen, keine Rolle spielen müssen. Die Erwartung, dass Kinder stets artig Danke sagen, ist ein alter Glaubenssatz. Der kann weg.
Als Mutter von scheinbar ebenfalls sehr undankbaren Kindern und als ehemaliges sehr undankbares Kind tröste ich mich mit dem Gedanken, dass meine Kinder einst sehr dankbar sein werden. Nämlich dann, wenn sie selbst Eltern sind und merken, was das alles für ein Chrampf ist. Im Ernst: Die Kinder schätzen uns schon. Die Dankbarkeit kommt in anderer Form daher – nicht mit Worten, dafür verpackt in ihrem Vertrauen in uns, dass sie zu Hause ganz sich selbst sein dürfen, keinen Erwartungen entsprechen, keine Rolle spielen müssen. Die Erwartung, dass Kinder stets artig Danke sagen, ist ein alter Glaubenssatz. Der kann weg.

Peter Schneider
Da Freiwilligkeit zum Begriff der Dankbarkeit gehört, muss niemand dankbar sein. Aber es schadet nicht, zu lernen, wie man sich und anderen das Leben mit ein paar Worten des Dankes erleichtern kann. Aus meiner langfädigen Erfahrung als Psychoanalytiker kann ich Ihnen allerdings sagen, dass Dankbarkeit auch für Erwachsene eine schwierige Angelegenheit darstellt. Denn Dankbarkeit ist immer auch mit dem Gefühl der Abhängigkeit und mit Schuldgefühlen verbunden. So betrachtet zeugt die Antwort Ihrer Tochter auf Ihre Dankesanmahnung schon fast von einem geradezu herzigen Urvertrauen in Ihre Zuneigung.
Da Freiwilligkeit zum Begriff der Dankbarkeit gehört, muss niemand dankbar sein. Aber es schadet nicht, zu lernen, wie man sich und anderen das Leben mit ein paar Worten des Dankes erleichtern kann. Aus meiner langfädigen Erfahrung als Psychoanalytiker kann ich Ihnen allerdings sagen, dass Dankbarkeit auch für Erwachsene eine schwierige Angelegenheit darstellt. Denn Dankbarkeit ist immer auch mit dem Gefühl der Abhängigkeit und mit Schuldgefühlen verbunden. So betrachtet zeugt die Antwort Ihrer Tochter auf Ihre Dankesanmahnung schon fast von einem geradezu herzigen Urvertrauen in Ihre Zuneigung.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 52, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Andrea Jansen, 44, ist Gründerin der Elternplattform Mal-ehrlich.ch. Die Journalistin, Unternehmerin und Stiftungsrätin war früher Fernsehmoderatorin und Produzentin bei SRF. Andrea Jansen hat drei Kinder im Alter von 7, 9 und 11 Jahren. Sie lebt mit ihrer Familie auf Hawaii und in Zürich.
- Peter Schneider, 67, ist Psychoanalytiker und Autor. Von 2014 bis 2017 war er Professor für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Uni Bremen, seit 2014 ist er Privatdozent für Klinische Psychologie an der Uni Zürich. Peter Schneider ist Vater eines erwachsenen Sohnes und lebt mit seiner Frau in Zürich.