Hilfe, die Freundin unserer Tochter hat einen schlechten Einfluss!

Die 10-jährige Tochter von Jörg und Anna-Maria orientiert sich nur noch an ihrer neuen besten Freundin. Der vermeintlich schlechte Einfluss wirkt sich auch in der Schule negativ auf das Verhalten der Tochter aus. Was können Eltern in solch einer Situation tun? Unser Expertenteam weiss Rat.
Eine Frage – drei Meinungen
Unsere Tochter, 10, ist in der vierten Klasse und eigentlich eine gute Schülerin. Leider orientiert sie sich an ihrer neuen besten Freundin, die eher Schwierigkeiten beim Lernen hat und im Unterricht stört. Mittlerweile verhält sich unsere Tochter ebenso. Der Lehrerin ist die Veränderung bereits aufgefallen. Was können wir tun?
Jörg, 45, und Anna-Marie, 46, Olten
Das sagt unser Expertenteam dazu:

Das ist ein schwieriger Fall. Denn Peers gewinnen mit zunehmendem Alter an Einfluss. Ich bin weder Psychologin noch Pädagogin, aber der gesunde Menschenverstand sagt mir: Die Freundschaft verbieten wäre kontraproduktiv. Und für das obligate Argument, dass der Schulerfolg wichtig fürs Leben sei, ist Ihre Tochter noch zu jung. Aber stellen Sie Regeln auf: erst Hausaufgaben oder Prüfungsvorbereitung, dann Freizeit mit der Freundin. Und klagt die Lehrerin über weitere Störungen im Unterricht, dann bestrafen Sie Ihre Tochter mit Freizeitentzug. Damit zeigen Sie als Eltern: Schulerfolg ist nicht alles, aber wichtig.

Möglicherweise handelt es sich um eine bewusste oder halb bewusste Identifikation oder Solidarisierung mit der besten Freundin. Dem Unbewussten kommt man aber mit vernünftelnden Argumenten – insbesondere, wenn diese von den Eltern geäussert werden – nicht besonders wirkungsvoll bei. Warum kann die Lehrerin nicht mal mit ihr reden? Auch das gehört schliesslich zum pädagogischen Handwerk – nicht weniger als die Wissensvermittlung und die Leistungsbewertung. Bewahren Sie ansonsten die Nerven und kühles Blut: The Times They Are A-Changin’ (Bob Dylan).

Nachahmen, um dazuzugehören, ist bei Kindern normal. In der Regel werden diejenigen nachgeahmt, die cool sind, die Aufmerksamkeit erregen. Insoweit ist das Verhalten Ihrer Tochter verständlich. Schleichen sich Verhaltensweisen ein, die nicht mehr okay sind, sollten Sie handeln. Durch Gewähren übermitteln Sie, dass Sie mit dem Verhalten einverstanden sind. Versuchen Sie Ihrer Tochter zu verdeutlichen, was Absichten und Folgen eines Verhaltens sein können. Möchte sie das? Nehmen Sie Position ein, setzen Sie Grenzen. Sie haben nicht die Garantie, dass Ihre Tochter das Nachahmen dann unterlässt. Jedoch bringen Sie eine Haltung und andere Werte ein.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 51, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Peter Schneider, 66, ist Kolumnist, Satiriker, Psychoanalytiker, Privatdozent für klinische Psychologie an der Uni Zürich und Gastprofessor für Geschichte und Wissenschaftstheorie der Psychoanalyse in Berlin.
- Nicole Althaus, 54, ist Chefredaktorin Magazine und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag», Kolumnistin und Autorin. Sie hat den Mamablog auf tagesanzeiger.ch initiiert und geleitet und war Chefredaktorin von «wir eltern». Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern.
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten Ihre Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
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