Was tun, wenn Eltern wegen der Privatschule heftig kritisiert werden?

Weil ihre Tochter in der Volksschule nicht klar kam, schickten die Eltern sie auf eine Privatschule. Nun werden sie im Freundeskreis heftig dafür kritisiert. Das sagt unser Expertenteam.
Eine Frage – drei Meinungen
Unsere Tochter, 8, hatte ein schwieriges erstes Schuljahr und ging am Ende nur unter Tränen in die Schule. Die Lehrerin konnte ihren Lernbedürfnissen nicht gerecht werden, da fremdsprachige und verhaltensauffällige Kinder sie zu sehr beanspruchten. Nun schicken wir das Kind in eine Privatschule, wo sie richtig aufgeblüht ist. Freunde kritisieren uns nun, wir würden uns elitär und unsolidarisch verhalten. Ein Kind müsse lernen, auch widrige Umstände auszuhalten. Wie sollen wir damit umgehen?
Seraina, 42, und Rolf, 50, Zürich
Das sagt unser Expertenteam dazu:

Sagen Sie Ihren Freunden, sie sollen einfach die Klappe halten. Wenn Sie möchten, können Sie das auch etwas höflicher formulieren. Gesellschaftliche Aufgaben und Probleme müssen gesellschaftlich gelöst werden und nicht den Einzelnen auferlegt und an diesen exekutiert werden. Man steigt auch nicht in einen Bus mit kaputten Bremsen, um ein Statement für den öffentlichen Personen-Nahverkehr abzugeben. Wenn es Ihrer Tochter jetzt besser geht, haben Sie nicht ein Verbrechen wider die Inklusion begangen, sondern das Wohl Ihres Kindes befördert.

Mit widrigen Umständen umgehen muss gelernt werden, das stimmt. Ständige Überforderung führt jedoch selten zu positiven Lernerfahrungen. Wenn ein Kind die Situation nicht meistern kann, braucht es Unterstützung. Was die Gründe auch waren: Etwas an dieser Schule hat Ihrer Tochter Schwierigkeiten bereitet. Trotz Bemühungen von verschiedenen Seiten gelang es nicht, die Situation zu beruhigen. Manchmal hilft dann ein Schulwechsel. Lassen Sie sich nicht beirren. Es ist nicht die Aufgabe Ihres Kindes, gesellschaftliche soziale Probleme zu lösen. Freuen Sie sich daher darüber, dass sie nun wieder gerne in die Schule geht.

Die positive Entwicklung Ihrer Tochter gibt Ihnen recht. Seien Sie froh, dass Sie sich eine Privatschule leisten können. In der Kritik Ihrer Freunde steckt auch eine gehörige Portion Neid. Zwar bin ich eine glühende Verfechterin der Volksschule und finde ebenfalls, dass Anpassungsfähigkeit ein wichtiges Erziehungsziel ist. Aber Leidensfähigkeit ist es nicht. Und: Man sollte nie den Beweis für die eigenen Glaubensprinzipien auf dem Buckel eines anderen Menschen führen.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 51, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Peter Schneider, 66, ist Psychoanalytiker, Kolumnist und Satiriker. War mal Professor für Pädagogische und Entwicklungs-Psychologie an der Uni Bremen, ist immer noch Privatdozent für Klinische Psychologie an der Uni Zürich. Vater und Ehemann eines erwachsenen Sohnes und einer erwachsenen Frau aus und in erster Ehe.
- Nicole Althaus, 54, ist Chefredaktorin Magazine und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag», Kolumnistin und Autorin. Sie hat den Mamablog auf tagesanzeiger.ch initiiert und war Chefredaktorin von «Wir Eltern». Nicole Althaus ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten Ihre Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
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