«Unser Schulmodell passt nicht mehr zu dieser Gesellschaft»
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«Unser Schulmodell passt nicht mehr zu dieser Gesellschaft»

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Die Lehrpersonen Monia Pfenninger, Viola Frei und Silvan Stuber sowie ­Schulleiterin Simone Sonderegger erzählen von den Herausforderungen in ihrem Beruf und wie sie damit umgehen.

Aufgezeichnet von Sandra Markert
Bild: Lucas Ziegler / 13 Photo

Monia Pfenninger: «Mein grösster Wunsch für alle Schulen wären mehr Ressourcen. Ich möchte als Lehrperson allen Kindern gerecht werden können, aber dafür brauche ich mehr Zeit, mehr Stunden, mehr Zimmer.»

Silvan Stuber: «Unsere Schülerschaft ist sehr heterogen und die Leistungsunterschiede innerhalb einer Klasse sind erheblich. Mit zusätzlichen Räumen könnten wir die Schüler leichter in verschiedene Gruppen aufteilen, um besser auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen. Das würde auch die Lautstärke im Klassenraum reduzieren.»

Simone Sonderegger: «Die Gesellschaft hat sich stark verändert in den letzten Jahren. Wir haben an unserer Schule beispielsweise viele Kinder, die unsere Sprache nicht verstehen. Unser Schulmodell passt nicht mehr zu dieser Gesellschaft. Es reicht auch nicht, dass wir einfach mehr Personal ins Klassenzimmer stellen. Wir müssen Schule anders denken und die Erziehungsberechtigten ins Boot holen.»

Silvan Stuber: «Wir wünschen uns mehr Eltern, die echtes Interesse zeigen und aktiv mit uns zusammenarbeiten. Oft hört man, dass alle das Beste für ihr Kind wollen, gleichzeitig gibt es viel Kritik von Elternseite. Doch im Schulalltag erlebe ich nur selten, dass Eltern tatsächlich in die Schule kommen.»

Es ist entscheidend, dass wir Lehrpersonen den Kindern vorleben, was es bedeutet, ein Team zu sein.

Silvan Stuber, Lehrer

Monia Pfenninger: «Ich biete seit Kurzem eine offene Eltern-Sprechstunde an, zu der man sich nicht anmelden muss. Meiner Meinung nach klärt sich vieles einfacher in einem direkten Gespräch als per Telefon.»

Viola Frei: «Ich bin als Quereinsteigerin an die Schule gekommen, weil ich Kindern gern etwas beibringen möchte. Ich finde die Abwechslung bei meiner Arbeit genial. Ich gehe mit einem Plan in die Klasse und dann kommt es jeden Tag anders als gedacht, weil ich mit Menschen zusammenarbeite. Das macht es sehr spannend, ist aber natürlich auch eine grosse Herausforderung. Gerade das Thema Klassenführung hätte ich mir nie so anspruchsvoll vorgestellt. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass ich nun nebenbei noch studieren und pädagogisches Wissen dazulernen kann. Auch meine Kollegen hier an der Schule sind eine grosse Unterstützung.»

Silvan Stuber: «Es ist entscheidend, dass wir Lehrpersonen den Kindern vorleben, was es bedeutet, ein Team zu sein. Wir unterstützen einander, arbeiten zusammen und stehen füreinander ein. Genauso wie wir als Team agieren, soll auch die Klasse zusammenhalten.»

Monia Pfenninger: «Ich verbringe am Anfang des Schuljahrs sehr viel Zeit damit, mit den Kindern zu besprechen, was ich von meiner Klasse erwarte und welche Regeln gelten. Klar, die Kinder sind alle sehr verschieden. Aber wenn sie hier sitzen, sind sie doch alle Schüler. Egal wo sie wohnen, aus welchem Land sie kommen, welche Noten sie haben, sie gehören alle zu einer Klasse.»

Simone Sonderegger: «Die Kinder brauchen in der Schule Zeit und Raum, um zu wachsen und um die Freude am Zusammen-Lernen zu behalten. Wir alle bräuchten häufiger noch mehr Mut, Schule so zu leben, dass das möglich ist.»

Sandra Markert
ist freie Journalistin und Mutter von drei Kindern im Kindergarten- und Primarschulalter. Sie lebt mit ihrer Familie am Bodensee.

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