Warum ist das Internet so gemein?
Wer durch das Netz surft und sich die Kommentare unter Nachrichtenseiten oder bei Facebook und Co. durchliest, trifft häufig auf Frust, Sarkasmus und sogar Hass. Warum herrscht solch ein rauer Ton in den sozialen Netzwerken? Was gibt es zu beachten?
In jugendlicher Unbedarftheit tat sie es, der Chatpartner machte Screenshots und begann sie zu erpressen. Als Amanda nicht darauf einging, schickte er die Bilder ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Das Umfeld distanzierte sich von ihr. Es folgte ein Cybermobbing, bis Amanda keinen Ausweg mehr sah.
Schau mir nicht in die Augen, Kleines!
«Im Internet jemanden anzufeinden, ist einfacher, weil man der Person nicht direkt gegenübersteht, das Internet relativ anonym ist und alles sehr schnell geht», sagt Annina Grob, Bereichsleiterin Politik bei der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV). Wichtige Faktoren der Kommunikation fehlen im Internet oder im Chat über WhatsApp: Gestik, Mimik, Tonfall und vor allem der Augenkontakt.
Die israelischen Wissenschaftler Noam Lapidot-Lefler und Azy Barak haben 2012 in einer Studie nachgewiesen, dass fehlender Augenkontakt einen erheblichen Anteil an der Pöbelkultur in der digitalen Kommunikation hat. Dies deckt sich mit den Auswertungen des amerikanischen Psychologen Chris Kleinke, der bereits 1986, also vor der grossen Internetkommunikation, die enorme Bedeutung des Augenkontaktes in der zwischenmenschlichen Kommunikation beschrieb. Was sind das für Menschen, die sich so benehmen? Wie äussern sie sich? Was sind ihre Absichten, wer die Opfer?
«Trolle niemals füttern» – ohne Aufmerksamkeit verliert er sein Interesse und zieht weiter. Er trollt sich.
Der Troll muss also keineswegs die Meinung vertreten, die er kundtut. In einer Studie mit Wikipedia-Trollen wurden diese nach ihren Gründen gefragt, und sie nannten: Langeweile, die Suche nach Aufmerksamkeit, Rache oder auch einfach Spass an den Reaktionen. Auf ausgeglichene, überlegte Kommentare reagiere die Netzwelt nicht so stark wie auf zugespitzte, sagte Torsten Beeck, Leiter der Social-Media-Redaktion von Spiegel Online in einem Interview mit dem «Zeit»-Magazin: «Das ist ein Mechanismus, den man lernt: Wenn ich draufhaue, bekomme ich Beachtung. Und darum geht es.» Also kann man sich entsprechend verhalten: «Trolle niemals füttern» – ohne Aufmerksamkeit verliert er sein Interesse und zieht weiter. Er trollt sich.
«hate speech» – die Ablehnung der anderen
Sie sind nicht immer leicht zu erkennen, können auf den ersten Blick argumentativ nachvollziehbar und logisch erscheinen. Aber es gibt auch solche, in denen der Hass gegen «andere» deutlich zum Vorschein kommt. Solche Diskriminierungen rufen zu Intoleranz auf und gefährden das friedliche Zusammenleben. Problematisch ist, dass sich diese Hassreden in den neuen Medien schnell verbreiten und eine hohe Reichweite haben.
Eine neue Form des Mobbings
Zudem geht die Reichweite weit über das Schulhaus hinaus. Beim Cybermobbing werden Opfer gezielt mit den neuen Medien beleidigt, blossgestellt oder bedroht. Etwa über Fake-Profile, indem Täter bei Facebook ein gefälschtes Profil des Opfers anlegen und peinliche Bilder verbreiten. Oder sie verbreiten in einer WhatsApp-Gruppe Gerüchte. Laut JAMES-Studie 2014 der ZHAW haben 22 Prozent der Schweizer Jugendlichen schon erlebt, dass «sie jemand online fertigmachen wollte». Für die Opfer kann diese Art der Ausgrenzung lang anhaltende seelische Folgen haben. Amanda ist ein trauriges Extrembeispiel. Notwendig ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den sozialen Netzwerken.
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Das müssen Sie wissen
- Trolle nicht füttern! Besonnen auf Kommentare reagieren und Provokationen ignorieren.
- Auf vielen Internetseiten, etwa Facebook oder Twitter, gibt es Meldestellen für inhaltlich bedenkliche Kommentare. Verdächtige Inhalte wie Hassreden können bei der KOBIK, der Schweizer Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität, gemeldet werden.
- Im Fall von Cybermobbing Screenshots machen, personenbezogene Informationen wie (Nick-)Namen notieren. Sind die Beteiligten bekannt, diese auffordern, die Inhalte zu löschen. Sind es Schüler, das Gespräch mit den Eltern und eventuell Lehrpersonen suchen.
- Wenn das eigene Kind beteiligt ist: Gespräch suchen und die Situation des Opfers aufzeigen. Eventuell mit den Eltern anderer Täter sprechen und beraten, wie das Mobbing beendet werden kann. Sanktionen wie Surf und Chatpausen können sinnvoll sein.
- 22 konkrete Fragen und Antworten zur Medienerziehung
- Beschimpft, ausgeschlossen, ausgelacht: Mobbing ist für jedes Kind, für jeden Jugendlichen ein Trauma – besonders wenn es online stattfindet.
- Die 19-jährige Chiara erzählt von der schlimmsten Zeit ihres Lebens: Vor zwei Jahren wurde sie von ihrer damals besten Freundin online gemobbt – aus Eifersucht.