Ab wann spricht man von einer Smartphone-Sucht?
Auf diese und fünf weitere Fragen gibt das Kapitel «Gesundheit und Medien» des Dossiers «100 Fragen – 100 Antworten zum Thema Medien» Antwort.
Wie hat sich die Nutzung digitaler Medien während der Corona-Pandemie verändert?
Durch Corona sind wir in eine gefährliche digitale Falle geraten, weil viele analoge Treffen ausgefallen sind. Als Erwachsene müssen wir ständig eine Digital-Analog-Balance herstellen, was besonders Menschen schwerfällt, die keine ausgeprägten selbstregulativen Fähigkeiten erworben haben.
So geht eine entwicklungsorientierte Medienpädagogik davon aus, dass besonders Kinder in den sensiblen Jahren zwischen acht und 14 Jahren analoge, haptische und selbstregulative Fähigkeiten entwickeln sollten – als Basis für einen späteren gesunden Umgang mit der digitalen Welt.
Christine Bär
Werden wir die Bildschirmzeit nach Corona wieder reduzieren können?
Da bin ich optimistisch. Diese starke Nutzung war vor allem den eingeschränkten Möglichkeiten geschuldet. Sobald Kinder und Jugendliche die Gelegenheit haben, wollen sie mit ihren Freunden und Freundinnen zusammen sein.
Daniel Süss
Wenn es draussen regnet, können Kinder auch mal länger digitale Medien nutzen. Scheint am nächsten Tag die Sonne, ist diese Ausnahme wieder vorbei.
Stefan Aufenanger
Wie findet mein Kind die richtige Balance zwischen Medienzeit und anderen Freitzeitaktivitäten?
Entscheidend ist, dass Ihr Kind wegen der Medienzeit andere Aktivitäten wie Spielen, Freunde treffen und Unternehmungen mit der Familie nicht vernachlässigt. Die Balance sollte dynamisch und nicht mit starren Regeln gehandhabt werden. Wenn es draussen regnet, können Kinder auch mal länger digitale Medien nutzen. Scheint am nächsten Tag die Sonne, ist diese Ausnahme wieder vorbei.
Stefan Aufenanger
Gibt es aus gesundheitlicher Sicht offizielle Empfehlungen für eine sinnvolle Mediennutzung?
Es gibt offizielle Empfehlungen, zum Beispiel von der WHO. Darin heisst es möglichst keine Bildschirmmedien für Kinder unter zwei Jahren. Im Kleinkindalter sollen sich Kinder täglich drei Stunden bewegen. Weiter ist eine Beschränkung der Bildschirmzeit in jedem Alter sinnvoll. Ebenso vor dem Zubettgehen Bildschirme ausschalten und die digitalen Medien in der Nacht «ruhig» stellen. Das sorgt beides für einen besseren Schlaf.
Daniel Betschart, Programmverantwortlicher Medienkompetenz, Pro Juventute
Personen mit einem ungesunden Handy-Umgang nutzen es oft als Bewältigungsstrategie, um einem Problem zu entfliehen.
Daniel Betschart
Ab wann spricht man von einer Smartphone-Sucht?
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine offizielle Definition von Smartphone-Sucht. Ausserdem löst nicht das Gerät an sich eine Sucht aus, sondern wie ich damit umgehe und es benutze.
Personen, die einen ungesunden oder problematischen Umgang mit dem Handy entwickeln, nutzen es oft als Bewältigungsstrategie. In den meisten Fällen stehen andere Probleme oder Störungen dahinter. Dann bieten sich digitale Geräte an, dem zu entfliehen. Diese Flucht kann zu einer riskanten Betätigung werden und in einem suchtähnlichen Verhalten enden.
Daniel Betschart
Wie kann ich verhindern, dass mein Kind Opfer von Bodyshaming wird?
Grundsätzlich sollten wir auch jenseits des Onlinekontexts positiv agieren, das Kind bestärken und eine Bodypositivity, ein positives Körpergefühl, leben. Das fängt schon bei den Eltern an, die nicht ständig ihre Kinder darauf reduzieren, ob sie ein Kilo zugenommen haben oder nicht.
Auch das Ernährungsthema sollte im Familienalltag keinen höheren Stellenwert haben, sondern das Kind als Person im Zentrum stehen. Was es macht, was es ausmacht, wie es mit anderen umgeht. Damit schaffe ich schon mal eine gute Grundlage. Und wenn dann blöde Kommentare kommen, müssen wir das Kind begleiten, ihm erklären, dass Kommentare mal positiv, mal negativ ausfallen. Das ist normal.
Ulla Autenrieth, Professorin und Medienexpertin