Neues Familiengefühl nach dem Lockdown?
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Es wurde viel darüber spekuliert, welche gesellschaftlichen Veränderungen die Coronakrise auslösen würde. Gerade Eltern standen unter grossem Druck. Wie wirkt der Lockdown nun nach? Ein erstes Fazit zeigt: Er hat in Familien tatsächlich etwas bewegt.
Fragt man die Forschung, dann lautet die Antwort, ja. Eine kürzlich publizierte Studie des deutschen Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt auf, dass sich viele Väter deutlich stärker in der Familienarbeit engagieren als vor der Corona-Krise: Ihr Anteil stieg in den vergangenen Wochen auf den hohen Wert von 41 Prozent. «In den Zeiten der Pandemie wurde die Arbeit zwischen den Geschlechtern egalitärer aufgeteilt als zuvor», sagt Institutsdirektor und Studienleiter Norbert Schneider.
Thema faire Arbeitsteilung hat Extra-Schub bekommen
Für Diana Baumgarten, Soziologin und Geschlechterforscherin mit Schwerpunkt Familie an der Universität Basel, sind dies begrüssenswerte Entwicklungen, nur sei das alles nicht ganz neu: «Der Trend, dass sich Väter mehr am Familienleben und Haushalt beteiligen, besteht in der Schweiz schon länger». Von einem neuen Familiengefühl dank Corona zu sprechen, sei zum jetzigen Zeitpunkt zu voreilig, so die Wissenschaftlerin. «Ich glaube vielmehr, dass es für Männer während der Corona-Krise klarer spürbar geworden ist, wie repetitiv und anstrengend Familienarbeit sein kann.»
«Wie nachhaltig sich ein Umdenken im Familienleben manifestiert, wird sich in den kommenden Monaten oder Jahren zeigen», ist Diana Baumgarten überzeugt. Voraussetzung sei, dass Männer und Frauen nun dranbleiben und die neuen Erfahrungen und Erkenntnisse umsetzen im Job und im Familienleben: Wandel bleibe ein mühsames Stück fortwährende Arbeit und brauche Zeit: «Sie sehen ja, wie schwierig es war, die Leute zu überzeugen, eine Maske zu tragen, was ja eigentlich keine grosse Sache ist».
Auch wenn Veränderungen ihre Zeit brauchen, für Vera Schönenberger sind die ersten positiven After-Lockdown-Effekte auf persönlicher Ebene jetzt schon spürbar. Ihr Fazit: «Ich bin viel geduldiger geworden. Auch mit meiner Tochter Emilie». Dies sei ein Gefühl, das sie aus dem Lockdown mitnehmen konnte. «Es ist nicht immer leicht, aber es klappt immer wieder gut». Gerne erinnert sie sich an die entschleunigte Zeit zurück, als die Zürcher Strassen fast leer waren: «Wir waren viel mit dem Velo unterwegs. Meine Tochter hat gelernt, sich sicherer in der Stadt mit dem Velo zu bewegen». Für Vera Schönenberger ist klar: «Ich möchte in diesem Modus weitermachen».
Auch in Zukunft mehr von Zuhause arbeiten
Eine Erkenntnis, die sie im neuen After-Lockdown-Alltag umsetzen möchte: Ihr derzeitiges 70-Prozent-Arbeitspensum so einzuteilen, dass sie auch in Zukunft vermehrt von Zuhause aus arbeiten kann. «Nicht nur wegen mir, auch weil ich sehe, wie gut es meiner Tochter Romy tut, wenn ich mehr da bin, wenn der Alltag entschleunigter ist». Sie habe es richtig genossen, nicht in den Hort zu müssen, daheim essen zu können oder generell viel Zeit mit Mama und Papa zu verbringen.
Ein Grund, neben der Nähe zu den Eltern, sieht sie darin, dass das Leben, trotz Corona, unbeschwerter war: «Der durchgetaktete Tag, den jede berufstätige Mutter kennt, fiel weg», sagt Andrea Duttweiler. Es sei egal gewesen, ob das Zmittag um 12 oder erst um halb 2 auf den Tisch kam. «Diese fixen Strukturen und die totale Organisation, die mich sonst durch den Alltag retten, habe ich plötzlich als enges Korsett empfunden. Es wäre schön, wenn grundsätzlich etwas mehr Lockerheit und Spontaneität im Leben Platz finden würde.»
Corona-bedingte Nähe: positiver Effekt auf Eltern-Kind-Bindung
Gerade bei ängstlichen Kindern kann sich Moritz Daum durch die Corona-bedingte Nähe einen sehr positiven Effekt vorstellen: «Eltern konnten schneller auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren, was beim Kind ein Gefühl von Aufgehobenheit erzeugt.» Das sei für die Eltern-Kind-Bindung und das Selbstbewusstsein eines Kindes ein entscheidender Faktor, so Daum weiter.
«Viele im Homeoffice arbeitenden Väter konnten eine intensivere Bindung zu ihren Kindern aufbauen, auch mit mehr Verständnis für deren Bedürfnisse»
Dies unterstreicht unter anderem auch die vorgängig zitierte BiB-Studie: «Es ist davon auszugehen, dass die Erfahrungen während des Lockdowns langfristig zu einer neuen Balance von An- und Abwesenheit am Arbeitsplatz führen werden», sagt Studienleiter Norbert F. Schneider. Mit anderen Worten: Das Homeoffice kann eine entscheidende Rolle spielen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren.
«In die Diskussion über die Vereinbarkeit von Job und Familie gehört das Homeoffice sicher zu den wichtigen Punkten», sagt Diana Baumgarten. Denn für eine bessere Situation für Familien brauche es, so die Familiensoziologin, langfristig andere Arbeitszeiten und gewährleistete Kinderbetreuung, «auch im Homeoffice», – und kurze Arbeitswege.
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