Was tun, wenn dem Sohn Cello spielen nicht mehr gefällt?

Cédric und Claudia finden, ein Instrument zu spielen, gehöre zur Allgemeinbildung. Nun hat der Sohn keine Lust mehr zum Üben. Aufhören oder zum Dranbleiben zwingen? Das sagt unser Expertenteam.
Eine Frage – drei Meinungen
Unser Sohn, 13, spielt seit drei Jahren Cello. Anfangs war er recht motiviert, seit einem halben Jahr ist die Luft draussen. Bald ist die nächste Semestergebühr für den Einzelunterricht fällig. Aufhören ist keine Option; unser Sohn weiss, dass er bis 16 üben muss. Danach darf er selbst entscheiden, ob er hinschmeisst oder weitermacht. Unser Argument lautet: Das Erlernen eines Musikinstrumentes gehört zur Allgemeinbildung. Finden Sie das auch?
Cédric, 43, und Claudia, 44, Aarwangen
Das sagt unser Expertenteam:

An etwas dranzubleiben, ist nicht immer einfach. Dies haben wir alle lernen müssen. Jedoch: Durchhalten ist manchmal wichtig, manchmal jedoch schädlich. Fragen Sie sich: Warum hat Ihr Sohn das Interesse verloren? Zu wenig Zeit? Andere Interessen? Welche Lernerfahrungen möchten Sie Ihrem Sohn mitgeben? Trotz Schwierigkeiten dranzubleiben, ist nur dann sinnvoll, wenn ein Kind zu wenig gelernt hat, dass sich Anstrengung lohnt und so ein Ziel erreicht werden kann. Wenn etwas jedoch über lange Zeit widerwillig gemacht werden muss, ohne Eigeninteresse, entwickelt sich selten Faszination. Diese Erfahrungen führen eher zu Ablehnung statt zu Weiterentwicklung.

Ich habe ab der ersten Klasse den Musikunterricht boykottiert und kann nicht einmal Blockflöte spielen. Nein, ich bin nicht Ihrer Meinung. Ich bin davon überzeugt, dass Lernen intrinsisch geschieht und aus einem Bedürfnis heraus entstehen soll. Manchmal muss man sich durchbeissen, aber selbst das sollte freiwillig geschehen und nicht mit Zwang, höchstens mit Überzeugung. Mit Ihrer Haltung schränken Sie die Autonomie Ihres Sohnes ein und nehmen ihm die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen, die er vielleicht einmal bereut. Oder auch nicht.

Nein. Es ist schön, ein Instrument spielen zu können, und es ist gut, Noten lesen zu können und sich in der Musik auszukennen, aber das dürfte nach drei Jahren mit dem Cello schon erreicht sein. Denken Sie ernsthaft darüber nach, was Schlimmes passiert, wenn er nun mit dem Musikmachen aufhört. (Wenn ich raten darf: nichts.) Vielleicht kommt Ihr Sohn in späteren Jahren dazu, wieder mit dem Cellospielen anfangen zu wollen. Die Wahrscheinlichkeit dafür scheint mir grösser, wenn er jetzt seinem Desinteresse freien Lauf lassen darf.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 52, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Andrea Jansen, 44, ist Gründerin der Elternplattform Mal-ehrlich.ch. Die Journalistin, Unternehmerin und Stiftungsrätin war früher Fernsehmoderatorin und Produzentin bei SRF. Andrea Jansen hat drei Kinder im Alter von 7, 9 und 11 Jahren. Sie lebt mit ihrer Familie auf Hawaii und in Zürich.
- Peter Schneider, 67, ist Psychoanalytiker und Autor. Von 2014 bis 2017 war er Professor für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Uni Bremen, seit 2014 ist er Privatdozent für Klinische Psychologie an der Uni Zürich. Peter Schneider ist Vater eines erwachsenen Sohnes und lebt mit seiner Frau in Zürich.
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten Ihre Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
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