Kinder werden bei «Gratis»-Games abgezockt!

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Spätestens seit es Smartphones gibt, haben viele Eltern die Kontrolle über die Online-Games verloren. Das ist heikel: Denn die Methoden der Hersteller, Kinder abzuzocken, sind vielfältig.
Spielen ist gesund. Wenn Kinder spielen, tun sie genau das, was sie für eine gesunde Entwicklung brauchen: Spielen regt die Fantasie an, fördert die Konzentration, hilft bei der Persönlichkeitsbildung. Wenn Kinder spielen, machen sie das, was ihnen am meisten Freude bereitet.
Tauchen Kinder stundenlang in das freie Spiel mit Playmobilfiguren ab, sehen Eltern darin kein Problem. Geht es jedoch um Apps oder Konsolenspiele, ändert sich das schlagartig. Weil Kinder beim Gamen oft kein Ende finden, kommt es in Familien immer wieder zu Streitigkeiten.
Wie binden Game-Hersteller die Kinder an sich?
Digitale Spiele geben im Gegensatz zum hölzernen Baustein eine direkte Rückmeldung. Kinder fesselt an ihnen, dass sie das Setting einer abgeschlossenen Erlebniswelt vor finden und in dieses eintauchen können. Die Dramaturgie des Spiels, seine Handlung und die dichte Atmosphäre ermöglichen einen mühelosen Einstieg. Nach und nach entfaltet sich eine stetig stärker werdende Sogwirkung, da die zu lösen de Aufgabe immer schwieriger wird. Das Zeitgefühl geht dabei komplett verloren. Während ein Sieg zu einem gesteigerten Selbstwertgefühl beiträgt, kann eine Niederlage Aggressionen auslösen, stachelt aber auch dazu an, es erneut zu versuchen. Darüber hinaus messen sich Spieler gerne mit anderen – ganz egal, ob gemeinsam im Zimmer oder online.
Wie werden Kinder angefixt?
Konnten Eltern beim Computer oder bei der Spielkonsole noch einschreiten, ist es seit der Erfindung von Smartphone und Tablet damit vorbei. Eine Kontrolle über ungeeignete Inhalte oder überzogene Nutzungsdauer wie bei der Playstation ist praktisch ausgeschlossen. Das Problem besteht nicht nur darin, dass Kinder bereits auf dem Schulweg daddeln; es passiert etwas komplett Neues: In der Geschichte der Videospiele entscheiden zum ersten Mal Kinder alleine über die Anschaffung ihrer Spiele. Während der Kauf eines PC oder Konsolenspiels mit hohen Kosten verbunden und oft nur mit der Unterstützung der Eltern möglich ist, stehen auf iTunes und Google Play unzählige «kostenlose» Games zum Download bereit.
«Free to play» (kostenloses Spielen) lockt beispielsweise mit geschenkten Waffen. Kaum sind diese verzockt, lässt sich Nachschub nachkaufen.
Unter dem Schlagwort «Free to play» (kostenloses Spielen) lockt ein gigantisches Angebot, das mit dem unlauteren System des Anfixens arbeitet. Kinder, Jugendliche und Erwachsene bekommen zum Beispiel Waffen und Edelsteine geschenkt, um das interne Bezahlsystem des Spiels kennenzulernen. Kaum sind diese Items verzockt, lässt sich Nachschub für kleines Geld nachkaufen.
Dabei wird zwischen weicher und harter Monetarisierung unterschieden. Bei der weichen Variante kann Geld ausgegeben werden, muss aber nicht. Alternativ kann der Spieler zu niedrigeren Levels zurückkehren und sich die benötigten Credits verdienen. Bei der harten Monetarisierung dagegen geht das Spiel nicht weiter, bis Geld für die benötigten Credits fliesst.
Wie versehentlich Abos abgeschlossen werden
Die Game-Hersteller haben sich einen weiteren Trick einfallen lassen, damit die Spieler zum jeweiligen Game zurückkehren: Sie verschicken Nachrichten wie «Dein Dorf wurde angegriffen» und setzen so vor allem junge Spieler unter Druck.
In der App-Welt gibt es weitere Fallstricke. So geraten Kinder oft an Gratis-Games mit Werbeunterbrechungen. Dabei stossen sie nicht nur auf ungeeignete Inhalte, sondern können durch versehentliches Drauftippen Abos abschliessen. Die Hersteller setzen darauf, dass Eltern klein beigeben und bezahlen. Eltern, welche diese Abzocke nicht hinnehmen wollen, können sich an die Stiftung für Konsumentenschutz wenden. Eine sogenannte «Drittanbietersperre» verhindert, dass Geld vom Handyguthaben abgezogen wird. Die Sperre kann beim jeweiligen Mobilfunkanbieter aktiviert werden und ist kostenlos.
Allein in den USA übertragen mehr als 70 Prozent von rund 6000 überprüften Kinder-Apps sensible Daten.
Viele Spiele-Apps nehmen es mit dem Datenschutz nicht so genau. Allein in den USA übertragen mehr als 70 Prozent von rund 6000 überprüften Kinder-Apps sensible Daten. Wer in Europa die Apps seiner Kinder auf datenschutzrechtliche Aspekte untersuchen möchte, kann dies auf www.app-geprüft.net tun.
Auch wenn Eltern durch neue Spielangebote und unlautere Methoden mancher Hersteller vor Herausforderungen stehen: Spielen ist etwas Wunderbares. Und die Freude daran so alt wie die Menschheit.
Sie wollen die Faszination von Gewinnen und Verlieren wieder einmal selbst erleben? Dann holen Sie ein Brett- oder Kartenspiel hervor und zocken Sie mit Ihren Kindern um die Wette.
Acht Facts über Games
- Kinder unter drei Jahren sollten keine Apps spielen, Kinder unter sechs Jahren nur gelegentlich.
- Zwischen sechs und zehn Jahren müssen eigene Geräte nicht sein. Ein normales Tastenhandy oder das Tablet der Eltern reicht.
- Zeitliche Regulierungen sind schwierig, aber notwendig. Kinder finden von selbst oft kein Ende. Da helfen nur klare Ansagen mit klaren Folgen.
- Eltern sollten mit ihren Kindern regelmässig über die unlauteren Methoden mancher Spielehersteller sprechen.
- Sogenanne In-App-Käufe – Apps, die man kostenlos herunterladen kann und erst im weiteren Spielverlauf kostenpflichtig werden – lassen sich deaktivieren.
- In Spielen können Fremde Kinder kontaktieren. Diese müssen wissen, dass es im Internet Erwachsene gibt, die mit Kindern über Sex reden oder sich zum Sex verabreden wollen.
- Mobile Geräte sollten nach der vereinbarten Spielzeit bei den Eltern hinterlegt werden.
- Die Benachrichtigungen der Spielehersteller lassen sich abstellen.
Mehr zum Thema Mediennutzung:
- Lesekompetenz statt Medienkompetenz Lesefähigkeit ist heute mehr den je gefragt –Thomas Feibel erklärt wo!
- Mediennutzung: Ohne Regeln keine Orientierung Vorschriften sind bei Kinder nicht beliebt, aber sehr wichtig – sagt Thomas Feibel.