Digitaler Knigge - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Digitaler Knigge

Lesedauer: 2 Minuten

Vor über 200 Jahren schrieb Adolph Freiherr von Knigge «Über den Umgang mit Menschen». Wir zitieren daraus Ratschläge und übersetzen sie für die Kommunikation von Heranwachsenden im Netz.

Knigge schrieb 1788: Jeder Mensch gilt in dieser Welt nur so viel, als wozu er sich selbst macht.

Für die Gegenwart bedeutet dies: Kommunizieren mit Bild ist beliebt – per Skype oder Instagram etwa. Machen Sie Ihrem Kind bewusst, dass der Chatpartner damit auch einen Einblick in seine Privatsphäre erhält. Je nachdem wie der Computer steht, sieht das Gegenüber also den zugemüllten Schreibtisch, das One-Direction-Poster an der Wand, den Teddy auf dem Stuhl oder die verstreute schmutzige Wäsche.

Wer unteilnehmend, ohne Sinn für Freundschaft, Wohlwollen und Liebe, nur sich selber lebt, der bleibt verlassen, wenn er sich nach fremdem Beistande sehnt.

Das Netz scheint anonym, ist es aber nicht – gegenüber sitzt ein Mensch. Erklären Sie Ihrem Kind: «Auch wenn du den anderen weder sehen noch anfassen kannst, kommuniziere so mit ihm, als stündest du ihm gegenüber – höflich, anständig und mit derselben Vorsicht, die du bei einem Fremden auf der Strasse an den Tag legst.»

Belästige nicht die Leute, mit welchen du umgehst, mit unnützen Fragen.

Oft sind wir zu faul, selbst eine Antwort zu finden. Wer schon ein Forum besucht hat, stellt fest: Fast immer gibt es einen Nutzer, der einen Teilnehmer darauf hinweist, dass seine Frage bereits besprochen und behandelt worden ist. Darum: die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor man via Mail, Forum, Kommentar und soziale Netzwerke digitalen Abfall produziert.

Vorsichtigkeit ist im Schreiben noch weit dringlicher als im Reden zu empfehlen […]. Ein einziges hingeschriebenes unauslöschliches Wort […] hat manches Menschen Ruhe und oft auf immer den Frieden einer Familie zerstört.

Geben Sie Ihrem Kind folgenden Ratschlag auf den Weg: «Verfasse deine Beiträge in Ruhe und lies sie noch einmal aufmerksam durch, bevor du sie postest. Denn ist das Geschriebene erst einmal im Netz, kannst du es oft nicht mehr löschen oder korrigieren.»
Ist Ihr Kind wütend oder verletzt? Dampf ablassen hilft, und die Antwort niederzuschreiben, ist eine Möglichkeit dafür. Dann aber tief durchatmen und den Text mindestens zwei Stunden ruhen lassen, besser über Nacht. Oft erübrigt es sich dann, den Text zu posten oder zu versenden. Denn schon das Schreiben hat heilende Wirkung.
Bei offiziellen Nachrichten an die Schule oder den Arbeitgeber gilt zudem die Rechtschreibung. Dabei hilft es, einen Text noch einmal auf Papier zu lesen, auch wenn das nach vorgestern klingt. Kleingeschriebene Substantive und ganze Wörter in Grossbuchstaben sind tabu. Ersteres ist mühsam zu lesen und Letzteres wirkt, als würde man den Empfänger anschreien.

Strebe nach Vollkommenheit, aber nicht nach dem Scheine der Vollkommenheit und Unfehlbarkeit!

Sammelt Ihr Kind Likes? Das tut zwar durchaus gut, sagt aber nichts über Freundschaft aus. Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es für echte Freundschaft mehr braucht als einen Mausklick. Man kann mit «digitalen» Freunden an gemeinsamen Projekten arbeiten und so Nähe und Einmaligkeit schaffen – mit einem Wechselroman oder einem Fotoduell zum Beispiel.

Michael In Albon ist Jugend-medienschutz-Beauftragter und Medienkompetenz-Experte von Swisscom. 
Michael In Albon ist Jugend-medienschutz-Beauftragter und Medienkompetenz-Experte von Swisscom. 
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