Wenn alles zu viel wird - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Wenn alles zu viel wird

Lesedauer: 9 Minuten

Immer häufiger klagen bereits Zwölfjährige über Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Wer ist schuld? Die Leistungsgesellschaft? Die Schule? Die Eltern? Oder setzen sich Kinder heute gar selber zu sehr unter Druck? Eine Spurensuche.

Es gibt ein Sprichwort, das besagt, nichts sei so gerecht verteilt wie der Verstand: Jeder glaube, er habe genug davon. Mit dem Stress verhält es sich ähnlich. Gerade als Eltern sind wir der Meinung, wir kämen damit nicht zu kurz. Und doch sagt dies allein wenig darüber aus, wie hoch unsere Belastung tatsächlich ist. Ein Zustand, den wir als Volkskrankheit bezeichnen, verlangt nach einer kritischeren Auseinandersetzung. Im Idealfall sieht diese vermutlich so aus, dass wir nicht blindlings einstimmen ins Klagelied über die Leistungsgesellschaft, aber gleichzeitig unsere Augen öffnen für deren Opfer – erst recht, wenn es Kinder sind. Diesen Ansatz verfolgt dieses Dossier. 

Es will erklären, einordnen. Burnout sei, warnen die einen, im Kinderzimmer angekommen. Der Nachwuchs sei nicht gestresst, sondern verweichlicht, sagen die anderen. Wie geht es Kindern im Zeitalter von Effizienzsteigerung und Gewinnmaximierung, von Flexibilisierung und Globalisierung? Wir fragen Kinder und Jugendliche. Und haken bei denen nach, die sie täglich begleiten; bei Eltern, Jugendarbeitern, Lehrpersonen, Therapeuten, Sozialforschern und beim Krisencoach.

Hohe Lebenszufriedenheit, nüchterne Stressbilanz

Anhaltspunkte für das emotionale Wohlbefinden von Schulkindern in der Schweiz liefert die Studie «Health Behaviour in School-aged Children» (HBSC). Die Schülerbefragung unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation WHO untersucht alle vier Jahre die Gesundheit von 11- bis 15-Jährigen in 44 Ländern. «Kinder und Jugendliche nehmen schlechte Gesundheit kaum als Krankheit wahr», schickt der Bericht voraus, «bei schlechter Gesundheit zu sein bedeutet für sie vor allem, emotional und zwischenmenschlich verunsichert zu sein.» Daher sei das Gesundheitsempfinden von Kindern und Jugendlichen ein guter Indikator für deren psychische Verfassung. Gemäss der aktuellsten HBSC-Studie aus dem Jahr 2014 schätzen über 90 Prozent der befragten 10 000 Schülerinnen und Schüler in der Schweiz ihre Gesundheit als gut oder ausgezeichnet ein. 

Burnout ist im Kinderzimmer angekommen, sagen die einen. Viele Kinder sind heute verweichlicht, sagen andere.

Auch in Sachen Lebenszufriedenheit schneiden sie gut ab. Demnach sind 9 von 10 Knaben zwischen 11 und 15 Jahren recht bis sehr zufrieden mit ihrem Leben, von den Mädchen sind es je nach Altersgruppe zwischen 83 und 87 Prozent. Nüchterner sieht ihre Stressbilanz aus. So geben 10 Prozent aller befragten 11-Jährigen an, regelmässig traurig zu sein, 15 Prozent schätzen sich als nervös ein. Sogenannte psychoaffektive Symptome – die Literatur bezeichnet sie oft als Stressmerkmale – sind zum Beispiel Gereiztheit, Müdigkeit oder Einschlafschwierigkeiten. 

Online-Dossier Burnout

Burnout: Wenn Eltern erschöpft und ausgebrannt sind. Doch auch Kinder und Jugendliche sind immer mehr betroffen. Ursachen, Symptome und Wege aus der Krise, lesen Sie in unserem
Burnout: Wenn Eltern erschöpft und ausgebrannt sind. Doch auch Kinder und Jugendliche sind immer mehr betroffen. Ursachen, Symptome und Wege aus der Krise, lesen Sie in unserem Online-Dossier «Burnout.


Die Pubertät könne solche Anzeichen durchaus mit sich bringen, schreiben die Experten. Wenn es sich allerdings um chronische Symptome handle, hänge dies mit einem beeinträchtigten Wohlbefinden zusammen. Als chronisch gelten Symptome, die mehrmals wöchentlich oder während sechs Monaten täglich verspürt werden. Dabei scheint Müdigkeit bei Schweizer Kindern am weitesten verbreitet zu sein. Und: Mit steigendem Alter äussern bis zu einem Drittel der Knaben mindestens zwei chronische, psychoaffektive Symptome, bei den Mädchen beträgt der Höchstwert hier sogar 46 Prozent.

Der Druck ist selbst gemacht 

Während die Daten zur HBSC-Studie die Frage nach den Stressfaktoren nicht im Detail beantworten, gibt die Studie Juvenir 4.0 der Jacobs Foundation Antwort darauf. Sie hat allerdings nicht Kinder im Fokus, sondern Schweizer Jugendliche im Alter zwischen 15 und 21 Jahren. In der Untersuchung von 2014 sagte fast die Hälfte der 1500 Befragten, das Gefühl von Stress und Überforderung gehöre zu ihrem Alltag. 56 Prozent der weiblichen Jugendlichen gaben an, häufig bis sehr häufig unter Druck zu stehen, bei den männlichen waren es 37 Prozent.

Wichtigste Stressursachen sind Schule, Studium und (Lehr-) Beruf: In diesen Bereichen fühlen sich 60 Prozent der Jugendlichen häufig bis sehr häufig gestresst und überfordert. Die viel diskutierte «Terminfreizeit» scheint dagegen kein Thema zu sein: Sport und Hobbys setzen Jugendliche kaum unter Druck, das gilt auch für den Umgang mit sozialen Medien.

Es scheinen weder Eltern, Lehrer noch Berufsbildner zu sein, die den Nachwuchs mit ihren Ansprüchen überfordern. In der Juvenir- Studie gaben 80 Prozent der Gestressten an, nicht andere, sondern sie selbst setzten sich unter Druck. Als Grund dafür führen Forscher die starke Leistungsorientierung und die Zukunftsangst vieler Jugendlichen an; Eigenschaften, die bereits in vorhergehenden Umfragen festgestellt worden seien. Bezeichnenderweise hätten 80 Prozent der Jugendlichen, die sich gestresst fühlten, auch Angst um ihre berufliche Zukunft. Alain Di Gallo, Leiter der Kinder und Jugendpsychiatrischen Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, kennt das Phänomen. «Unser Bildungssystem ist durchlässiger geworden», sagt er, «das ist eine grosse Errungenschaft, die nicht nur Chancen bietet, sondern auch Druck erzeugen kann. Man kann immer noch eine Stufe höher steigen, sich noch besser qualifizieren. Als Kehrseite drohen der Fall, Gefühle von Ungenügen und nagende Selbstzweifel.» 

Burnout bei Kindern?

Es kommt so gut wie nicht mehr vor, dass Eltern mich fragen, was sie tun sollen, damit ihr Kind die Schule endlich ernst nimmt», sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort. «Früher hatten Eltern oft Sorge, dass aus ihrem Kind nichts wird. Heute wollen sie wissen, wie ihre Kinder weniger angestrengt leben und lernen können.»

Schulte-Markwort ist ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der Kinder- und Jugendpsychosomatik am Altonaer Kinderkrankenhaus. 2016 hat er ein viel beachtetes Buch veröffentlicht. Es heisst «Burnout- Kids. Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert». Der effekthascherische Titel passt nicht zu den leisen Tönen, die der 60-Jährige im Gespräch anschlägt. 

Sport und Hobbys setzen Jugendliche kaum unter Druck. Das gilt auch für den Umgang mit sozialen Medien.

«Ich mag es nicht, wenn man übertreibt », sagt er. «Es gehört zu meinen Aufgaben, Kinder zu verstehen, nicht, sie krank zu reden.» Schulte-Markwort betont, dass psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen 30 Jahren nicht zugenommen hätten – mit einer Ausnahme, wie er vermutet. «Ich begegne Jugendlichen, meistens Mädchen, die sich als traurig, antriebslos, weinerlich und niedergeschlagen beschreiben. Sie haben Schlafstörungen und zeigen das Vollbild einer Depression, passen bei genauerer Diagnostik aber nicht in die gängigen Kategorien.» Burnout bei Kindern?

«Die Diagnose kam mir zunächst nicht in den Sinn, weil ich davon ausgegangen war, dass sie im Kindesalter nicht vorkommt, ähnlich wie Demenz», sagt Schulte-Markwort. «Erst dachte ich, ich hätte es mit besonders empfindlichen Jugendlichen zu tun. Je mehr es wurden, desto klarer wurde mir aber, dass sich ein Krankheitsbild aus der Erwachsenenwelt zu den Kindern verschiebt: die Erschöpfungsdepression.» Schulte-Markwort verwendet lieber den populären Begriff Burnout, um Missverständnissen vorzubeugen. «Die Ursachen sind anders als bei einer ‹normalen› Depression», sagt er. «Bei der Erschöpfungsdepression geht es um inneren und verinnerlichten Leistungsanspruch. Hier folgt die Depression aus der Erschöpfung und nicht umgekehrt.» 

Widersprüchliche Botschaften

Seine jungen Patienten seien gekennzeichnet vom Bemühen, «gute» Kinder zu sein, sagt Schulte-Markwort: «Da haben unglaubliche Selbstdisziplinierungsprozesse stattgefunden.» Kinder von heute wollten, ohne dass sie jemand dazu antreibe, erfolgreich zu sein, «oder eher: perfekt». Weil sie es nicht anders kennen, ist der Psychiater überzeugt: «Wir leben in einer durchökonomisierten Gesellschaft, die mit hoher Taktung diejenigen ausspuckt, die nicht mithalten können. Wer nichts leistet, hat verloren.

Das lernen Kinder heute von klein auf.» Auch die Familie sei eingebunden in das Erfolgsprinzip, das keine Versager zulasse. Oft seien Kinder widersprüchlichen Botschaften ausgesetzt. «Hauptsache, du bist glücklich», heisse es, oder «Schulnoten sind nicht alles». Nicht selten kämen die gut gemeinten Beruhigungsversuche von Eltern, die selber ein hohes Tempo an den Tag legten, sich über «faule» Arbeitslose beschwerten, unter Zeitmangel litten. «Wir leben Kindern vor, dass Erfolg meist eine zweifelhafte Work-Life-Balance nach sich zieht», sagt Schulte-Markwort. «Väter werden zu Wochenend-Papas, und Mütter haben kaum noch Zeit für sich selbst. Kinder haben ein feines Gespür für Werte und dafür, was uns diese tatsächlich wert sind.»

Eltern die Schuld zu geben, greift für den Jugendpsychiater zu kurz. Schulte-Markwort verweist auf ökonomische Zwänge, beispielsweise den Wandel von der Gross- hin zur Kleinfamilie, die Ratlosigkeit erzeuge, weil Mütter und Väter alles allein stemmen müssten. Der Psychiater führt aussterbende soziale Normen und Traditionen an, die zwar nicht über alle Zweifel erhaben gewesen seien, aber einem zumindest Orientierung gegeben hätten. «Früher gab es etwa noch die Sicherheit, dass man ein Leben lang bei seinem Arbeitgeber bleibt», sagt er. «Heute haben wir Zeitarbeitsverträge, sprechen von der Generation Praktikum. Kann sich so innere Stabilität entwickeln?»

Auch Trägheit lässt uns ausbrennen 

Wir idealisierten die Vergangenheit, findet dagegen der Frankfurter Entwicklungspsychologe Martin Dornes (vgl. Interview). Die Grossfamilie von früher habe keineswegs nur Unterstützung, sondern auch Bevormundung bedeutet. Zudem sei die Arbeitswelt nicht familienfreundlicher gewesen: «Die Arbeiter litten unter Monotonie, schwerer körperlicher Belastung und den langen Arbeitszeiten. Stress gab es reichlich, auch wenn nicht so viel darüber geredet wurde wie heute.» 

Diese Meinung vertritt auch Katrin Aklin. Sie ist Schulleiterin bei der Zürcher Stiftung OPA, die Jugendlichen mit sozialen Schwierigkeiten hilft, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. «Wir haben das Gefühl, um die Welt stehe es schlecht, weil wir alles erfahren – auch das, was uns gar nicht betrifft», sagt sie. Da gebe es nur eines: bewusster konsumieren. «Beim Essen machen wir es auch so: Wir stopfen nicht alles in uns hinein, was verfügbar ist. Mit Informationen sollten wir genauso verfahren, auch das ist eine Frage der Disziplin.» 

Vier von fünf gestressten Jugendlichen geben an, nicht andere, sondern sie selbst setzten sich unter Druck.

Jugendexpertin Aklin coacht auch Erwachsene, die sie oft aufgrund eines Burnouts konsultieren. Den Grund für Stress und Überforderung sieht sie nicht in überhöhten Leistungsanforderungen, «es hapert eher an unserer Leistungsbereitschaft », ist sie überzeugt. Aklin geht noch weiter: «Burnouts aufgrund von Überanstrengung sind deutlich seltener als Burnouts, die aus Trägheit entstehen.» Aklin spricht von einer Passivität, die Jugendliche und Erwachsene gleichermassen betreffe und ein Gefühl des Ausgeliefertseins erzeuge. «Es fehlt uns an Zufriedenheit», sagt sie, «weil wir wahres Engagement einem oberflächlichen Verständnis von Erfolg geopfert haben.» 
Position beziehen, Unbequemlichkeiten aushalten, sich einsetzen, auch ohne Aussicht auf Belohnung – das alles sei heute unpopulär, weil anstrengend. «Wir gehen lieber dahin, wo alle applaudieren», sagt Aklin, «und leben das den Jungen vor.» In der Kindererziehung funktioniere diese Passivität aber nicht. Erziehung bedeute, Stellung zu nehmen, Vorbild zu sein, Reibungsfläche zu bieten. «Viele Eltern vermeiden Reibung», weiss Aklin, «weil sie Arbeit bedeutet. Sie ist aber eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Selbstwertgefühl. In Auseinandersetzungen entwickeln wir Fähigkeiten.»

Nicht nur in der Schule, auch im Umfeld ihrer drei eigenen Kinder beobachte sie stattdessen, wie dem Nachwuchs Bequemlichkeit anerzogen werde. Man stelle Kindern lieber alles bereit, statt sie selbst machen zu lassen. «Dass dies auf eine niedrigere Belastungsgrenze hinausläuft, liegt nahe», findet Aklin. Mit Verständnis dürften Jugendliche jedenfalls nicht rechnen, weder in der Schule noch auf dem Arbeitsmarkt. Auch da fehle es nämlich am Willen, sich ernsthaft mit Kindern auseinanderzusetzen. Mit der Folge, dass auf der Strecke bleibe, wer seinen Knoten nicht im Alleingang löse.

Rasender Stillstand 

Jugendliche mit lückenhaftem Leistungsausweis oder Brüchen im Lebenslauf hätten es zunehmend schwerer, weiss Aklin: «Arbeitgeber hätten am liebsten Nachwuchs nach Konfektion. Einen jungen Menschen einzustellen, den man noch etwas unter die Fittiche nehmen muss, der dafür aber Entwicklungspotenzial hat, kommt für die meisten nicht infrage. Es bedeutet zu viel Aufwand.» Was fehle, seien Erwachsene, die wirklich Lust hätten, Jugendliche zu begleiten – mit Herz, Standhaftigkeit und der nötigen Ausdauer. Paradoxerweise, glaubt Aklin, sei es diese fehlende Hingabe, das Leben auf Sparflamme, das uns ausbrennen lasse: «Wir horten unsere Energie, um sie darauf zu verwenden, dem nächstbesten Vorteil hinterherzujagen. Das erzeugt keine Befriedigung, sondern Unruhe.» «Rasender Stillstand», nennt Jugendarbeiter Daniele Gasparini das Phänomen. In der sogenannten Leistungsgesellschaft bedeute Leistung zu einem grossen Teil das taktische Abwägen von Optionen, die kaum mehr zu überblicken seien. 

Thematisieren Sie die Schule nicht dauernd, auch wenn es für Ihr Kind gerade nicht rund läuft.

Die «Multioptions-Kultur», sagt Gasparini, sei anstrengend, vor allem für Jugendliche. Manche lassen sich von ihren Verführungen aber viel weniger stressen, weiss der Jugendexperte: «Es sind jene, die ihre Aufmerksamkeit einer bestimmten Sache verschrieben haben. » Jugendliche, die, um die Metapher aufzugreifen, brennen für etwas. Ihr Engagement trifft dabei freilich nicht immer die Vorstellungen der Eltern. «Bei uns gehören etwa die Sprayer zu den Glücklichsten», sagt Salome Gasparini, die zusammen mit ihrem Vater Daniele die Jugendarbeit einer Zürcher Seegemeinde koordiniert. 

«Graffitikunst ist zwar mitunter illegal, aber offensichtlich sinnstiftend: Sie verlangt Hingabe und den Zusammenhalt als Gruppe. » So spende die Peergroup ihren Mitgliedern Kraft und Zufriedenheit, mache sie weniger anfällig für Nebengeräusche. Das gelte auch für die Fankultur im Sport, «früher auch in der Musik», sagt Salome Gasparini, «aber diese Subkulturen sind weitgehend ausgestorben». Die Identifikation mit einer Bewegung oder Sache, sind Vater und Tochter Gasparini überzeugt, sei ein wirksamer Schutzmechanismus gegen Stress und Burnout. Bloss: Sich richtig ins Zeug zu legen für etwas, das sei bei den meisten Jungen nicht mehr gefragt. «Sie halten uns damit den Spiegel vor», sagen die Jugendarbeiter, «wir Erwachsenen haben ja auch keine Visionen.»

Wohin des Weges? 

Ja: Wir driften selbst auf dem Meer der Möglichkeiten. Stellt sich die Frage, was uns als Kompass dienen soll. Normen und Werte, die Korsett und Wegweiser zugleich waren, haben wir so weit hinterfragt, dass die meisten ihre Gültigkeit verloren haben. Man kann das beängstigend finden oder befreiend. Was bedeutet es für unsere Kinder? «Jede Generation sieht sich vor neue, bisher unbekannte Herausforderungen gestellt», sagt der Jugendpsychiater Alain Di Gallo. «Sicher haben allerdings Geschwindigkeit und Frequenz der Veränderungen in der letzten Dekade zugenommen, und damit die Gefahr von Verunsicherung und Identitätskrisen.»

Dass solche Stresssymptome und möglicherweise sogar damit verbundene psychische Störungen bei Jugendlichen zunehmen, sei jedoch eine Vermutung, die wir durchaus kritisch hinterfragen sollten, findet Di Gallo. «Die Adoleszenz ist eine Lebensspanne des Umbruchs, der Öffnung und Krisen und war schon immer mit Zukunftsängsten verbunden. » Wie können wir Kindern helfen, sie zu bewältigen? «Am wichtigsten erscheint mir, Vertrauen in ihre Entwicklung zu zeigen, ihre Stärken zu fördern und sie in ihren Schwächen zu unterstützen», sagt Di Gallo. «Dazu gehört auch das Setzen von Grenzen. Lernen bedeutet nicht immer Vergnügen. Es fordert Durchhaltewillen und Verzicht.»


Über die Autorin:

Virgina Nolan war als Teenager davon überzeugt, dass die Welt da draussen auf sie warte. Die Rechnung ging zwar nicht immer auf – ihren Optimismus hat sich die Autorin trotzdem bewahrt. Heutigen Jugendlichen wünscht sie mehr Abenteuerlust statt Zukunftsangst.
Virgina Nolan war als Teenager davon überzeugt, dass die Welt da draussen auf sie warte. Die Rechnung ging zwar nicht immer auf – ihren Optimismus hat sich die Autorin trotzdem bewahrt. Heutigen Jugendlichen wünscht sie mehr Abenteuerlust statt Zukunftsangst.

Die Bilder zu diesem Dossier stammen vom Zürcher Fotografen Daniel Auf der Mauer. Der 38-Jährige fotografiert regelmässig Reportagen und Porträts für internationale Publikationen wie «The New York Times» und «Der Spiegel». Alle im Dossier abgebildeten Jugendlichen haben der Veröffentlichung von Text und Bildern zugestimmt.

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