Lernen im Sommer – «wenig, dafür täglich» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Lernen im Sommer – «wenig, dafür täglich»

Lesedauer: 2 Minuten

Die Lernexpertin Katrin Piazza erklärt im Interview, wieso sich gerade die Sommerferien fürs spielerische Lernen eignen. 

Frau Piazza, Lernen in den Ferien – ist das ein neuer Ausdruck unserer Leistungsgesellschaft? 

Druck und Anforderungen gehören oder sind sogar Charakteristikum der Leistungsgesellschaft.  Das war leider schon zu meiner eigenen Schulzeit in den 70er Jahren so. Meine Erfahrung ist: Wenn Eltern es schaffen, Gelassenheit und Zuversicht und eine Haltung von «kleine Schritte führen zum Ziel» zu vermitteln, ist der Druck für Kinder und Jugendliche sehr viel besser auszuhalten.

Wer sollte in den Sommerferien lernen? 

Grundsätzlich: 1. Wer Gefahr läuft, wichtige Grundkompetenzen über die Sommerferien zu verlernen. 2. Wer (neu oder wieder) eine positive Haltung dem schulischen Lernen gegenüber entwickeln möchte – dann gilt es aber, dezidiert anders zu lernen, also neue, günstige Gewohnheiten zu entwickeln. Das heisst: kleine, effektive Lernportionen statt uferlose «Lernorgien». 
«Auch in Freizeitkursen wie Yoga, Klettern oder Kanufahren lässt sich fürs (schulische) Lernen Wichtiges trainieren», sagt Lerncoach Karin Piazza.
«Auch in Freizeitkursen wie Yoga, Klettern oder Kanufahren lässt sich fürs (schulische) Lernen Wichtiges trainieren», sagt Lerncoach Karin Piazza.

Für Sie bedeutet Lernen auch nicht immer automatisch Schule…

Ich finde es schade, wenn Lernen immer primär mit «Schule» und im zweiten Atemzug mit «mühsam» verknüpft wird. Gerade die Sommerferien eignen sich prima zum Lernen: Neues ausprobieren, eine Technik wie Slackline lernen, Einrad fahren, ein dickes Buch lesen, Schach spielen, Meerschweinchen dressieren…

Slackline lernen oder Einrad fahren ist sicherlich lustiger als Matheformeln zu büffeln. Wie kann auch Lernen für die Schule Spass machen? 

Auch hier: Wenig, kleine Portionen, dafür täglich. Es sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass positive Erfahrungen gemacht werden und Erfolgserlebnisse stattfinden. Das Lernmaterial ist so zu wählen, dass ein Gefühl von «ich kann das!» entsteht. Übrigens: Auch in Freizeitkursen wie Yoga, Klettern oder Kanufahren lässt sich fürs (schulische) Lernen Wichtiges trainieren: Durchhalten, sich anstrengen, mit den eigenen Kräften haushalten, oder sich in Geduld üben.

Welche Erfahrungen machen Sie mit Kindern und Jugendlichen, die in den Sommerferien lernen (müssen)?

Wenn Eltern, Kinder und Jugendliche das obige Prinzip anwenden, sind die Erfahrungen gut. Gerade die entspannte Zeit in den Ferien kann dann sogar für Lern-Experimente genutzt werden – mit mitunter positiven Überraschungen! «Ist ja gar nicht so schwer», freute sich einer meiner Viertklässler, der in täglich 10 bis 15 Minuten das Einmaleins mit der Lernkartei trainierte. 

Trotzdem wird es auch die Kinder und Jugendliche geben, die sich nicht fürs Lernen in Ferien begeistern lassen werden. Wann wird es schwierig? 

Dann, wenn die Vorstellungen auseinander klaffen: Eltern, die finden, das Kind müssen jeden Morgen bis Mittag lernen, das Kind hingegen der Meinung ist, eine Stunde genüge. Meine Aufgabe als Coach ist es dann, Eltern und ihren Sprösslingen zu helfen, vernünftige und realistische Pläne zu entwickeln.

Was macht das mit dem Kind, wenn es auch noch in den Ferien lernen muss? Es hat ja so nie frei. 

Ich bin keine Psychologin, aber mir scheint die Haltung der Eltern dahinter wichtig. Ist die Botschaft «Lernen ist etwas Schlimmes, und damit müssen wir dich leider auch in den Ferien quälen», dann ist das natürlich kontraproduktiv. Die Botschaft der Eltern könnte auch lauten: «Hey, jetzt haben wir endlich mal richtig viel Zeit, um uns entspannt mit Französisch zu beschäftigen… Wir besuchen Lausanne oder La-Chaux-de-Fonds, bestellen Pizza auf Französisch und füllen nebenbei unsere Lernkartei jeden Tag mit fünf neuen Wörtern… »

Es gibt Stimmen, die sagen, dass sich nur die grossen Ferien fürs Lernen eignen. Kurze, wie die Herbstferien, sollten ganz der Erholung dienen. 

Als Lerncoach habe ich immer das Individuum im Blick – hier gibt es keine pauschale Empfehlung. Ich habe es schon erlebt, dass eine Viertklässlerin durch das gemeinsame Führen eines Ferientagebuchs mit ihrer Mutter in zehn Tagen einen ganz anderen Zugang zum Schreiben entwickelte. Diese tägliche Viertelstunde war alles andere als belastend und eine gut investierte Zeit.

Sind Lerncamps, die Aktivitäten mit Lernen kombinieren, eine gute Alternative? Worauf sollten Eltern achten? 

In Camps und Lagern können tolle Erfahrungen gemacht werden – gerade auch deshalb, weil die Teilnehmenden unter Gleichaltrigen sind. Da ist viel Lachen garantiert. Das ist optimal fürs Lernen. Klar sollten Eltern Erfahrung und Qualifikationen der durchführenden Organisationen gut prüfen, auch Referenzen einholen. Mir persönlich wäre für meine Kinder ganz wichtig, dass neben dem Lernen auch das Spiel, der Aufenthalt in der Natur und der Spass zum Zug kommen. 

Zur Person:

Katrin Piazza arbeitet in ihrer eigenen Coaching-Praxis in Zürich. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.