Alle Eltern verstehen, dass kleine Kinder leicht in Not und Stress geraten, wenn sie auf dem Weg in den Schlaf alleine sind. Und alle wissen, dass kleine Kinder auch tagsüber eigentlich nicht allein sein können. Im Umgang mit dem Schlaf scheiden sich allerdings die Geister. Die einen geben dem Nähebedürfnis der Kinder nach, die anderen halten dagegen und setzen auf mehr Distanz. Bis heute heisst die Antwort auch hierzulande sehr oft: Du musst das alleine schaffen. Du musst das Schlafen lernen – und zwar so, wie es richtig ist: alleine. Das Schlafproblem scheint ein Erbe aus der Menschheitsgeschichte zu sein.
Denn alle Lebewesen, ob klein oder gross, stehen beim Thema Schlaf ja zunächst einmal vor einem Sicherheitsproblem: Wer in eine Art Koma fällt, ist eine ganze Weile schutz- und wehrlos. Gut also, wenn man dem Sandmännchen Bedingungen stellt! Wir Grossen sorgen zum Beispiel dafür, dass die Haustür verschlossen ist und dass es nicht allzu kalt durchs Fenster windet. Unsere Kinder sorgen auf ihre Art für Sicherheit: Sie können dann entspannen, wenn sie ihre vertrauten, schützenden Bezugspersonen bei sich wissen.
Kein Wunder also geraten kleine Kinder unter Stress, wenn sie sich auf dem Weg in den Schlaf alleingelassen fühlen. Ich denke, es hilft, wenn wir unseren eigenen Schlaf betrachten; es gibt nicht den einen Trick, aber immer geht es um das Thema Entspannung, um das Gefühl einer Schlafheimat – wenn wir da ankommen, dann kommen wir runter.
Wir sollten uns vielleicht an das Feuer erinnern, an dem wir einmal gesessen sind und Geschichten erzählt haben. Wären wir da aufgestanden und hätten unser Kind hinter den Büschen ins Bett gebracht? Und uns dabei geärgert, welche Geschichten wir jetzt gerade verpassen? Nein, das Kind wäre irgendwann eingeschlafen, mittendrin. Da fand es irgendwo seine Schlafheimat. Mit dieser Denke lässt sich heute noch manches entspannter angehen, auch für uns selbst.
Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Bestsellerautor