10 Fragen zum Thema Entwicklung und Psychologie

Bild: Kirsten Lewis
Wie wichtig sind Geschwister? Was kann ich tun, wenn ein Kind oft schlägt oder ausrastet? Diese und weitere Fragen beantworten Expertinnen und Experten in unserem Dossier zum Thema Entwicklung & Psychologie.
Wie wichtig sind Geschwister?
Einzelkinder haben weder mehr Vor- noch mehr Nachteile als Geschwisterkinder. Viel wichtiger als ein Geschwister ist für ein Kind, dass es in einem Umfeld aufwächst, in welchem es gut gedeihen kann.
Jürg Frick, Geschwisterforscher, Psychologe FSP, Autor, Dozent und Berater an der Pädagogischen Hochschule Zürich
Was kann ich tun, wenn ein Kind oft schlägt oder ausrastet?
Die Impulskontrolle entwickelt sich im Laufe der Zeit von selbst. Man kann das Kind aber unterstützen, sein Potenzial an Selbstkontrolle und Bedürfnisaufschub zu entfalten. Damit Kinder ihre Impulskontrolle trainieren, brauchen sie die Begleitung Erwachsener. Sie können ihre Bedürfnisse, ihre Eindrücke und ihre Gefühle oft noch nicht ausformulieren, reagieren deshalb emotional und körperlich.
Daher ist es wichtig, dass Eltern formulieren, was das Kind fühlt. Mit zunehmender Reife wächst auch die Möglichkeit, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen. «Ich mag nicht gehauen werden, also mag mein Freund auch nicht gehauen werden.» Diese essenzielle Einsicht wirkt besser als jedes Verbot.
Moritz Daum, Entwicklungspsychologe
Wie wichtig ist Frühförderung?
Aus Angst, ihre Kinder könnten den Anschluss an eine globalisierte Bildungsgesellschaft verlieren, versuchen sie, ihre Kinder auf jede erdenkliche Art zu fördern: Frühenglisch, Kinderyoga, Malkurse und Musikunterricht wechseln sich in einem straffen Zeitplan miteinander ab. Dabei übersehen die Eltern, dass das soziale Umfeld die Hirnentwicklung viel stärker bestimmt als jedes Training. Man kann Eltern also nicht oft genug ermutigen, das Spiel ihrer Kinder ernst zu nehmen.
André Zimpel, Erziehungswissenschaftler

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Sollen Eltern zulassen, dass die Kinder nachts ins Elternbett schlüpfen?
Denn alle Lebewesen, ob klein oder gross, stehen beim Thema Schlaf ja zunächst einmal vor einem Sicherheitsproblem: Wer in eine Art Koma fällt, ist eine ganze Weile schutz- und wehrlos. Gut also, wenn man dem Sandmännchen Bedingungen stellt! Wir Grossen sorgen zum Beispiel dafür, dass die Haustür verschlossen ist und dass es nicht allzu kalt durchs Fenster windet. Unsere Kinder sorgen auf ihre Art für Sicherheit: Sie können dann entspannen, wenn sie ihre vertrauten, schützenden Bezugspersonen bei sich wissen.
Kein Wunder also geraten kleine Kinder unter Stress, wenn sie sich auf dem Weg in den Schlaf alleingelassen fühlen. Ich denke, es hilft, wenn wir unseren eigenen Schlaf betrachten; es gibt nicht den einen Trick, aber immer geht es um das Thema Entspannung, um das Gefühl einer Schlafheimat – wenn wir da ankommen, dann kommen wir runter.
Wir sollten uns vielleicht an das Feuer erinnern, an dem wir einmal gesessen sind und Geschichten erzählt haben. Wären wir da aufgestanden und hätten unser Kind hinter den Büschen ins Bett gebracht? Und uns dabei geärgert, welche Geschichten wir jetzt gerade verpassen? Nein, das Kind wäre irgendwann eingeschlafen, mittendrin. Da fand es irgendwo seine Schlafheimat. Mit dieser Denke lässt sich heute noch manches entspannter angehen, auch für uns selbst.
Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Bestsellerautor
Wenn der Sohn ein Raufbold ist – was sollen Eltern tun?
Allan Guggenbühl, Psychologe, Psychotherapeut und Experte für Gewaltfragen
Wie wichtig ist es, dass ich mein Kind Kind sein lasse?
Herbert Renz-Polster, Kinderarzt
Wie viel Spielzeug braucht ein Kind?
Problematisch wird es, wenn zu viele Spielsachen herumliegen. Denn diese strahlen aus der Sicht des Kindes eine Erwartung aus, nämlich die, mit ihnen zu spielen. Eine Überreizung führt dazu, dass Kinder gar nicht in ihr Spiel versinken können, weil sie dauernd diese Aufforderung spüren.
Ideal sind Spielsachen, die nicht festgelegt sind, also Bälle oder Klötze oder Konstruktionsspiele. Sie lassen der kindlichen Fantasie freien Raum, und das Schöne an diesen Spielen ist die vielseitige Anwendbarkeit: Kinder konstruieren in jeder Phase ihres Lebens etwas anderes daraus. Als Baby nehmen sie ein Spielzeug in den Mund, werfen es herum. Später wird aus einem Baustein ein Auto. Und noch später kommen die Rollenspiele. In der Regel sind solche Spiele immer besser als festgelegte Spiele.
André Zimpel, Erziehungswissenschaftler
Wie wichtig ist es, dass Kinder frei spielen können?
Spielen ist also keine verschwendete Zeit, sondern die effektivste Form des sozialen Lernens. Nichts macht Kinder so klug wie das selbstvergessene, frei gewählte Spiel. Wenn Kinder beim Spielen in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen oder Alltagsgegenständen eine neue, spielerische Bedeutung verleihen, fördern sie dadurch ganz automatisch ihr abstraktes Denkvermögen.
Diese Fähigkeit ist die wichtigste Voraussetzung, um später beispielsweise Naturwissenschaften oder Fremdsprachen zu lernen. Gleichzeitig wachsen sie dabei spielerisch in die Erwartungen ihrer Umwelt hinein. Das bedeutet: Sie steigern ihre soziale Kompetenz.
André Zimpel, Erziehungswissenschaftler
Was braucht es für ein erfolgreiches Leben?
Der zweite Punkt: Es muss eine gewisse Frustrationstoleranz haben. Also in der Lage sein, eine Hürde zu meistern, ohne aufzugeben oder ohne dass Mami und Papi zeigen, wie es geht.
Drittens: Neugier. Das ist etwas, das ein Mensch braucht, um in der Schule erfolgreich, leistungsbereit und lernmotiviert zu sein. Und es sollte lernen, weil dies ein Bedürfnis ist, das aus ihm selbst herauskommt und nicht aus dem Druck der Eltern entsteht.
Das sind die Persönlichkeitsmerkmale, auf welche Eltern in der Erziehung die Schwerpunkte setzen sollten. Darauf schaut man in der Regel aber zu wenig. Man wertet die intellektuellen Fähigkeiten zu hoch.
Margrit Stamm, emeritierte Professorin an der Universität Fribourg und Direktorin des Forschungsinstituts Swiss Education in Aarau
Wie begleiten Eltern ihr Kind bestmöglich durch schwierige Zeiten?
Zweitens: Eltern sollten immer hinter ihrem Kind stehen – egal, was passiert. Es ist wichtig, dass ein Kind spürt und auch hört, dass seine Eltern es lieben und mit ihm durch dick und dünn gehen, wenn es in Schwierigkeiten steckt oder wenn es sich nicht so verhält, wie man es erwartet.
Drittens: Beziehung basiert auf (Ur-)Vertrauen. Heisst: Das Kind soll wissen, dass seine Eltern für es da sind, wenn es sie braucht. Eine Beziehung zwischen Eltern und Kind wird gestärkt, wenn Eltern sich erstens für die Welt des Kindes interessieren, zweitens mit dem Kind reden, drittens durch Gestik und Mimik, viertens indem sie wertvolle Zeit miteinander verbringen – dazu zählen alle Momente, in denen ihnen das Kind etwas sagen, zeigen, fragen will – und fünftens, indem Eltern Präsenz zeigen.
Sarah Zanoni, Pädagogische Psychologin
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