Was tun, wenn die Grossmutter ständig am Handy hängt?

Ein Vater stört sich daran, dass seine Mutter ständig mit ihren Enkelkindern am Handy ist. Die Bitten, es nicht zu tun, vergisst sie nach kurzer Zeit wieder. Das sagt unser Expertenteam.
Eine Frage – drei Meinungen
Meine Frau und ich versuchen vor unseren Kindern (9 und 7) nicht zu oft am Handy zu sein. Meine Mutter hingegen pflegt einen anderen Umgang. Wenn sie bei uns ist, hat sie nach fünf Minuten das Gerät in der Hand und die Kinder hängen mit ihr am Bildschirm. Fordern wir sie auf, doch lieber etwas mit den Kindern zu spielen, packt sie das Handy schnell in die Tasche – und hat den guten Vorsatz nach kurzer Zeit wieder vergessen. Was sollen wir machen?
Marcel, 38, Bern
Das sagt unser Expertenteam:

Es ist tatsächlich nicht gut für die emotionale Entwicklung der Kinder, wenn die Betreuungspersonen zu oft mit dem Smartphone beschäftigt sind. Dies zeigen Studien eindeutig. Ist die Grossmama nicht ständig da, werden die Auswirkungen für die Kinder wohl nicht allzu schädlich sein. Denn: Die Dosis macht das Gift. Das Problem liegt anderswo: Das Verhalten Ihrer Mutter ist insbesondere Ihnen gegenüber etwas respektlos. Sie ignoriert Ihre Bitten. Sprechen Sie diesen Aspekt deutlicher an. Und vielleicht braucht sie Ideen, wie sie die Zeit alternativ spannend gestalten kann und womit sie für ihre Enkel interessant sein kann.

Sprechen Sie mit Ihrer Mutter über Ihre Beobachtungen. Und dass Sie sich Sorgen machen, die Beziehung zu ihren Enkeln könnte Schaden nehmen. Es gibt genügend Studien, die belegen, dass Kinder sich von Erwachsenen, die immer aufs Handy starren, nicht wahrgenommen fühlen. Ihre Überlegungen schicken Sie Ihrer Mutter am besten via Whatsapp – dann sieht sie sie auch! Danach liegt die Entscheidung bei ihr, wie sie damit umgehen will. Sie sollten die Diskussion ruhen und die Grossmutter auf ihre Art Grossmutter sein lassen.

Nichts. Andere Leute, andere Sitten. Was früher die Lesesucht war, ist heute die Bildschirmzeit: Rückenmarkserweichung, Hirnschäden, eckige Augen sind die bekanntesten Spätfolgen. Von noch ernsteren Nebenwirkungen ganz zu schweigen. Spielen ist natürlich gut, kann aber auch zu Spielsucht führen (kleiner Scherz). Ernsthafter ausgedrückt: Alles ist eine Sache des Masses, und bei der Handyzeit würde ich das nicht in Minuten, sondern in halben Stunden messen, wobei die Gefahren einer schädlichen Überdosierung in der Regel masslos übertrieben sind.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 52, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Andrea Jansen, 44, ist Gründerin der Elternplattform Mal-ehrlich.ch. Die Journalistin, Unternehmerin und Stiftungsrätin war früher Fernsehmoderatorin und Produzentin bei SRF. Andrea Jansen hat drei Kinder im Alter von 7, 9 und 11 Jahren. Sie lebt mit ihrer Familie auf Hawaii und in Zürich.
- Peter Schneider, 67, ist Psychoanalytiker und Autor. Von 2014 bis 2017 war er Professor für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Uni Bremen, seit 2014 ist er Privatdozent für Klinische Psychologie an der Uni Zürich. Peter Schneider ist Vater eines erwachsenen Sohnes und lebt mit seiner Frau in Zürich.
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten Ihre Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
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