Überwachungs-Apps: Was Eltern beachten müssen
Überwachungs-Apps für Eltern sind im Internet als «Glucken-Apps für Helikopter-Eltern» verschrien. Trotzdem finden sie reissenden Absatz. Dürfen Eltern ihre Kinder mit dem Smartphone überwachen? Und wenn sie es tun: Was müssen Sie beachten?
Um dem Nachwuchs bei der Mediennutzung auf die Finger zu schauen, müssen Eltern keine Informatikexperten sein. Es gibt zahlreiche kostengünstige Apps für iOS (Apple) und Android: Mit der «Dinner Time App» kann das Smartphone für eine bestimmte Zeit deaktiviert werden, etwa während der Schulzeit oder fürs gemeinsame Abendessen. Die «Pocket Nanny» informiert Eltern, wenn Kinder ein vorher definiertes Gebiet verlassen. Komplettüberwachung ist mit «Canary Teen Safety» oder «My Mobile Watchdog» möglich: Anruflisten, Textnachrichten oder verwendete Apps, so ziemlich jede Aktivität mit dem Smartphone lässt sich überwachen.
Ausserdem können Eltern mittels GPS jederzeit den Aufenthaltsort des Kindes auf dem eigenen Smartphone sehen, die Surfzeit im Internet begrenzen oder die Verwendung von Apps einschränken. All diese Möglichkeiten stehen in der Schweiz theoretisch sehr vielen Eltern offen, da hier gemäss aktueller James-Studie 97 Prozent der jungen Handybesitzer ein Smartphone nutzen. Die technische Voraussetzung für eine Überwachung ist also gegeben.
Eine App als moderne Erziehungshilfe? «Erziehungsmethoden, die erwünschtes Verhalten mit drastischen Strafen erzwingen, funktionieren pädagogisch weder on- noch offline», sagt Philippe Wampfler. Als Lehrer, Kulturwissenschaftler, Blogger und Experte fürs Lernen mit neuen Medien wird er oft gefragt, wann er Überwachungs-Apps für sinnvoll hält. Wichtig ist für Wampfler, dass Eltern den Kindern klar sagen, wie und weshalb sie diese Apps nutzen: «Sie ersetzen aber nicht das Vertrauen in die Fähigkeit des Kindes.»
Eine Überwachungs-App ist ein Eingriff in die Privatsphäre der Kinder.
Vertrauen oder Kontrolle?
Für Widmann Bernauer ist fraglich, ob Tracking-Apps ein geeignete Mittel sind, die Elternpflichten wahrzunehmen: «Das gesamtgesellschaftliche Problem ist ja, dass wir in einem Umfeld aufwachsen, wo alle – auch die Erwachsenen – ständig erreichbar und auffindbar sind via mobile Endgeräte.»
Dass die Angst der Eltern vor den Einflüssen der Medien auf ihre Kinder gewachsen ist, versteht Schulsozialarbeiterin Daniela Dietrich, die in Kaiseraugst für Primarschule, Kindergarten und Oberstufe der Kreisschule Unteres Fricktal zuständig ist. Für Dietrich hat die Überwachung allerdings zur Folge, dass das Kind das Gefühl bekommt, die Eltern würden ihm nicht vertrauen und auch nichts zutrauen. «Kinder fragen und erzählen lassen, wo sie waren» – das ist für die Schulsozialarbeiterin normale Vorsicht. Die Grenze zur Überwachung sei aber überschritten, wenn Eltern immer Gewissheit haben müssten. «Die Adoleszenz besteht auch darin, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Sind wir doch ehrlich: Eltern müssen nicht alles wissen», so Dietrich.
Wenn Überwachung, dann offen und gegenseitig
Für einen offenen Umgang und Gegenseitigkeit plädiert auch Tony Anscombe, Sicherheitsexperte der Sicherheitssoftwarefirma AVG und Redner bei der Child Internet Safety Conference in London. «Wir bringen unseren Kindern bei, sicher über die Strasse zu gehen oder zu schwimmen», vergleicht Anscombe, «Online-Sicherheit ist eine Erweiterung dieser Basis-Sicherheits-Informationen.»
Eltern müssen ihren Kindern erklären, wie und weshalb sie Überwachungs-Apps nutzen.
Gegen eine virtuelle Überwachung ist eine Lehrerin aus Basel, die anonym bleiben möchte. Die Mutter einer 13-Jährigen und eines 14-Jährigen sagt, dass sie ihre Kinder überwache, aber auf transparente Art: Im Beisein der Kinder sieht sie in den Smartphones nach, welche Internetseiten sie besucht oder welche Fotos sie gemacht haben. «Eine Überwachungs-App ist ein Eingriff in die Privatsphäre der Kinder», sagt sie. «Manchmal würde ich zwar gerne – aber das ist dem Vertrauen nicht förderlich.»
Entscheidungsleitfaden Überwachungsapps
Medienpädagoge Philippe Wampfler ist wichtig, dass Eltern den Kindern sagen, wie und weshalb sie die Apps nutzen möchten. Es kann legitim sein, wenn Eltern mit einer solchen App aus Distanz für Sicherheit sorgen.