Handyverbote in den Schulen bringen nichts!
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Smartphone-Verbote mögen gute Gründe haben, bringen Schüler aber nicht weiter. Unser Kolumnist Thomas Feibel erklärt weshalb.
Den Umgang mit dem Smartphone handhaben Schulen sehr unterschiedlich. In manchen Schulhäusern ist eine kontrollierte und sinnvolle Nutzung erlaubt, in anderen hingegen ist das Gerät verboten, manchmal sogar in einer Box eingeschlossen.
Viele Eltern finden ein Handyverbot nicht zeitgemäss und halten rigide Regelungen für angestaubt. Warum eigentlich? Auf den ersten Blick gibt es dafür viele gute Gründe.
Strenge Verbote können klassische Probleme wie das ständige Hantieren mit Smartphones, Cybermobbing-Vorfälle innerhalb der Schulzeit oder das heimliche Filmen der Lehrperson während des Unterrichts verhindern. Womöglich ist die Schule im Alltag der Kinder und Jugendlichen sogar der letzte Ort, an denen sie «offline» sind.
Da Jugendliche in ihrer grossen Handybegeisterung oft impulsgesteuert reagieren, schadet es sicher nicht, wenn sie beim Natel lernen, ihre Bedürfnisse aufzuschieben und zu regulieren. So finden Schülerinnen und Schüler mehr Ruhe und können sich besser auf den Unterricht konzentrieren.
Viele akzeptieren ein Verbot, andere sprechen sich gegen eine Lockerung der bestehenden Regeln aus. «Mir hat das Verbot sehr geholfen, ich hing früher viel zu sehr am Handy», gestand mir eine Schülerin der 9. Klasse in einem meiner Workshops. Ein solches Verbot sollte dann jedoch für alle gelten und nicht nur für diejenigen, die ein solches befürworten.
Allerdings fällt ein solcher Verzicht selbst Lehrerinnen und Lehrern schwer. «An unserer Schule ist das Smartphone verboten», meinte eine aufgebrachte Mutter bei einem meiner Vorträge. «Aber was für ein Vorbild ist ein Lehrer, der während einer Klassenarbeit ständig auf seinem Smartphone herumspielt?»
Handyregeln oder Handyverbote?
Zugegeben, es gibt viele gute Argumente für die «handyfreie Schule». Doch den sinnvollen Umgang mit dem Smartphone lernen Kinder nicht, indem man es verbietet.
Es ist die Aufgabe der Schule, Kinder lebenstüchtig zu machen. Am Ende ihrer Schulzeit sollen sie gut gerüstet ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Nur ist am Beispiel Smartphone gut erkennbar, in welch rasantem Tempo sich unsere Gesellschaft durch die Digitalisierung verändert. Aus diesem Grund ist der Umgang mit dem Smartphone eine wichtige Kulturtechnik, die erlernt werden muss.
Es wird zahlreiche Berufe geben, die wir heute noch gar nicht kennen.
Thomas Feibel
Ähnlich wie bei den Kulturtechniken Rechnen, Lesen und Schreiben ist für diese Vermittlung kaum eine andere Bildungsinstitution so geeignet wie die Schule. Schon jetzt gibt es kaum noch Berufe, die ohne digitale Technik auskommen. Zahlreiche neue Berufe werden folgen, die wir heute noch gar nicht kennen.
Darum sollte das Smartphone im Unterricht fachübergreifend zum Einsatz kommen, um so die Haltung der Schüler zum Gerät grundlegend zu verändern: weg vom reinen Konsum, hin zum nützlichen Werkzeug, von der Recherche über die Dokumentation eines Versuchs in Physik oder Chemie bis zur Präsentation eines Vortrages.
Dabei wird das eigene Medienverhalten hinterfragt und Schülerinnen und Schüler zur Eigenverantwortung erzogen. Erstellen sie mit dem Smartphone eigene Materialien, lernen sie zudem, hinter das Konstrukt des jeweiligen Mediums – Film, E-Book, fotoromanartiges Material – zu blicken.
Trotzdem müssen Schulen Handynutzungsregeln aufstellen – und für deren Einhaltung sorgen.
Das Smartphone als sinnvolles Werkzeug?
In meinen Seminaren begegne ich vielen Pädagogen, die sich von der medienpädagogischen Aufgabe schnell überfordert fühlen. Zum einen kennen sich Lehrpersonen in digitalen Fragen oft nicht gut genug aus, zum anderen darf das Elternhaus nicht alle Erziehungsprobleme an die Schule abgeben.
«Auf das, was im Elternhaus abläuft, habe ich keinen Einfluss», erklärte kürzlich eine Lehrperson. Das mag sein, es ist aber auch nicht ihre Aufgabe, die Schüler vor über grossem Medienkonsum zu schützen.
Es geht vielmehr um die innere Haltung der Lehrkräfte und Schulen, das Smartphone nicht als Teufelsgerät, sondern als sinnvolles Werkzeug zu betrachten.
Pädagogen sind positiv gestimmt, wünschen sich aber mehr Fortbildung
Insgesamt hat sich meiner Meinung nach die Einstellung der Lehrpersonen zu neuen Medien sehr positiv verändert. Die Zeiten, in denen sie Computer aus reiner Technikangst und Furcht vor Autoritätsverlust ablehnten, sind zum Glück vorbei. Heute besitzen nahezu alle Lehrerinnen und Lehrer einen Computer, ein Smartphone oder ein Tablet. Das sorgt für Akzeptanz.
Heute scheitern Lehrkräfte eher an technischen Hürden. Die Voraussetzungen an Schulen sind mitunter suboptimal. Oft sind die Geräte veraltet oder kaputt. Zudem müssen Lehrerinnen und Lehrer bei der Pflege der Infrastruktur dringend entlastet werden.
Es kann nicht sein, dass sie ihre Zeit mit Tätigkeiten verbringen, die eigentlich in den Bereich einer IT-Abteilung fallen. Und viele Pädagogen wünschen sich zudem deutlich mehr Fortbildungen in diesem Bereich.
Den Eltern ergeht es ähnlich wie den Lehrern.Viele fühlen sich überfordert angesichts der technischen Entwicklung.
Thomas Feibel
Der Institution Schule fällt es nicht leicht, mit dem Tempo der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Viele Lehrpersonen fühlen sich von den vielen Neuerungen eher getrieben. Eltern geht es ähnlich. Vergessen wir nicht: Wir Erwachsenen verfügen über einen ausgezeichnet verlässlichen Kompass: unsere Werte. Sie sind unser Massstab, nicht die Technik.
Das Wichtigste über Handys an Schulen:
- Strikte Verbote bewahren Kinder nicht vor Gefahren.
- Schule braucht mehr Technik. Geräte alleine bringen nichts, der problemlose und gewährleistete Support ist fast wichtiger.
- Ein gelockertes Handyverbot ist kein Freischein für Spiel und Tratsch.
- Lehrer, Eltern und Schüler entwickeln eine digitale Medienordnung für den Unterricht, die Pause, die Schulreise und vieles mehr.
- Die digitale Medienordnung ist keine Steintafel mit zehn Geboten, sondern ein einzelner Baustein innerhalb eines stringenten Medienkonzepts.
- Wenn die Schule einen Teil der Medienerziehung übernimmt, heisst das nicht, dass sich Eltern aus der Verantwortung ziehen dürfen.
Zum Autor:
Thomas Feibel, 56, ist der führende Journalist zum Thema «Kinder und neue Medien» in Deutschland. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare.
Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
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