Unsere Buch-Tipps für den Sommer
Sommerzeit ist Lesezeit. Deshalb teilt die Redaktion auch in diesem Jahr wieder Ihre ganz persönlichen Tipps. Hier sind die Bücher, die uns in den vergangenen Monaten besonders gefallen haben – für Ihre Kinder und für Sie!
Ein Wälzer für Mamas und Papas
Warnung: Dies ist kein leichtes Buch. Keins, das sich genüsslich auf einem Strandtuch liegend, wonnig liest. Dafür ist es mit knapp 1000 Seiten auch zu schwer. Der Roman der «Time Magazin»-Journalistin Yanagihara ist schwer zu ertragen. Weil das Buch den Leser zu einer Teilnahme am Exzess der Gefühle seiner Protagonisten zwingt. Den Roman aus der Hand zu legen, ist aber ebenso schwierig wie ihn zu ertragen. Im Zentrum steht ein Jude, ein ehemaliges Findelkind, das später ein erfolgreicher, brillanter Prozessanwalt wird. Ihn umgibt ein dunkles Geheimnis: Als Kind wird er in einem Kloster aufgezogen, wo ihm Gewalt angetan wird. Er wird jahrelang missbraucht, geschlagen und gefoltert, bis er nach einem schweren Unfall in einem Krankenhaus aufgepäppelt wird und schliesslich in ein College geht, wo sich sein Schicksal zum Guten wendet. Seine Vergangenheit verschweigt er eisern, sogar seinen besten Freunden. Es ist die seelische Pein dieser Vergangenheit, die so schwer zu ertragen ist. Warum man trotzdem weiterliest, liegt an der Liebe, die sich wie ein Motiv durch dieses Buch zieht. Die Liebe an und für sich, die Liebe trotz allem. Claudia Landolt
Ein Buch wie ein Büffel
Es ist die Zeit um 1870. Will Andrews, der 23-jährige Held aus »Butcher’s Crossing» hat sein Studium in Harvard abgebrochen, weil er das wahre Leben kennen lernen will. Getrieben von einem schwer definierbarer Drang nach Wildheit reist Andrews in ein kleines Kaff names Bucher’s Crossing und schliesst sich dort dem Bisonjäger Miller an. Der weiss von einer gewaltigen Büffelherde irgendwo in den Bergen von Colorado. Die Männer machen sichauf den beschwerlichen Weg. «Dieses Buch ist wie ein Büffel, stoisch, dunkel, mächtig, fast ausgestorben», steht auf dem Buchdeckel. Jedes Wort davon ist wahr. John Williams, ein Meister der Beschreibungskunst, erzählt eine sehr einfache, amerikanische Geschichte, eine Parabel über die Gier, unfassbar spannend, wortgewaltig, detailgetreu. Beim Lesen schmeckt man den trockenen Staub auf der Zunge und den harten Sattel unter dem Hintern. Man sieht die Angst der Büffel und spürt die Bessenheit der Männer. Und ahnt: die Tragödie nimmt ihren Lauf. Ein Buch für alle, die bildreiche, sinnliche Sprache mögen. Ein Buch, dass Sie nicht mehr aus der Hand legen werden. Weltliteratur eben! Nik Niethammer
Clevere Dialoge und Game-Atmosphäre ab 12 Jahren
Teenies eine Alternative zu Smartphone und Konsole zu bieten, ist keine einfache Sache. Doch mit dem ersten Buch der Trilogie könnte man es schaffen, erinnert es doch ein bisschen an das Computergame «Fallout 4», Die Wiener Jugendbuchautorin Ursula Poznanski ist eine Meisterin der Jugendthriller. Ihre Eleria-Trilogie spielt in einem fernen Land, das es noch nicht gibt, und doch so etwas wie Neu-Deutschland sein muss. Es gibt Sphären (das ist die Schicht der Privilegierten) und es gibt Clans (der Teil der Bevölkerung, der an Hunger und Not leidet), im Mittelpunkt steht Eleria, genannt Ria, die in der Akademie der Sphären zusammen mit ihrem Freund Aureljo zur Elite zählt. Doch dann bricht eine Verschwörung aus, und plötzlich ist nichts mehr so, wie es einmal war. Spannende Lektüre für Jungs und Mädchen oder junge Erwachsene. Clevere Dialoge, Einblicke in die Verhaltenspsychologie und spannende Hauptfiguren machen den Reiz dieses Buches aus. Claudia Landolt
Gutenachtgeschichten für Kindergarten- und Unterstufenkinder – und ihre Eltern!
«Mama, noch eine Geschichte, bitte!» Natürlich lesen wir noch eine Geschichte. Vorlesen ist schliesslich wichtig für die Sprachentwicklung und vieles andere mehr. Aber mal ehrlich, viele Kinderbücher sind für Erwachsene ziemlich sterbenslangweilig. Auf der Suche nach einem Gute-Nacht-Buch, das uns Eltern und Kindern gleichermassen gefällt, ist uns «Sandmännchens Geschichten Buch» von 1966 (!) In die Hände gefallen. 60 wunderschöne Kurzgeschichten vom kleinen Zauberer, dem kleinen Zoowärter oder auch dem kleinen Briefträger. Manche skurril, andere eher witzig aber alle berührend. «Noch eine, bitte!» möchte man seinem Kind da zuflüstern, wäre es nicht schon längst eingeschlafen. Evelin Hartmann
Eine Familiengeschichte zum Abtauchen
Zugegeben, Benedict Wells «Vom Ende der Einsamkeit» ist kein fröhliches Buch. Jules und seine Geschwister wachsen behütet auf, bis ihre Eltern ums Leben kommen. Jung, hilflos und von Leben betrogen beschreibt er sich in den folgenden Jahren im Internat. Auf seine älteren Geschwister kann er nicht bauen – jeder trauert auf seine Weise. Doch dann kommt Alva. Alva mit den grossen braunen Augen, die am ersten Schultag den Platz neben ihm wählt, ausgerechnet neben ihm… Wie gesagt, Benedict Wells erzählt keine fröhliche Geschichte aber eine wunderschöne – über das Überwinden von Verlust und Einsamkeit und die Frage, was in einem Menschen unveränderlich bleibt. Und vor allem: eine grosse Liebesgeschichte. Meisterhaft! Evelin Hartmann
Fürs Mutter-Tochter-Gespräch
Ja, wir bluten – und das jeden Monat. Das ist für die meisten Frauen nicht nur körperlich ziemlich unangenehm, es ist ihnen zu allem Überfluss auch noch peinlich. Nach einem Tampon wird grundsätzlich nur im Flüsterton gefragt. Luisa Stömer und Eva Wünsch brechen mit diesem Tabu, fertigen ganz wundervolle Grafiken rund um den weiblichen Körper an und klären auf: Warum das Blut wann welche Farbe hat, was bei einer Schwangerschaft oder auch dem Abbruch genau passiert, welche Verhütungsmethoden es gibt, welche Hausmittelchen den Zyklus unterstützen können. Dabei nehmen sie absolut kein Blatt vor den Mund und schrecken vor keiner expliziten Beschreibung zurück. Und am Ende hat man das Gefühl, dass der weibliche Körper etwas ganz Wunderbares ist und Unglaubliches leistet. Ein ganz wunderbares Geschenk zur ersten Periode der Tochter – aber erst, nachdem man es selbst gelesen hat. Bianca Fritz
Für rebellische Fantasy-Liebhaberinnen ab 14 Jahren
Kenzie ist 18 Jahre alt und hat noch nie die Sonne gesehen. Sie wohnt in einer Kuppel unter Wasser und ihre Kolonie legt ihren Beruf und ihren Lebensweg fest. Kenzie hat allerdings ganz andere Pläne. Die mutige junge Frau flüchtet kurzerhand in die Luftkolonie – ohne zu wissen, was auf sie zukommt und ob sie ihre Familie und Freunde je wiedersehen wird. Und damit wird sie hineingeworfen in ein Abenteuer voll überraschender Wendungen, grausamer Morde und natürlich einer ergreifenden Liebesgeschichte. Ein rasanster Fantasy-Roman mit starken Figuren und eindrücklichen Welten. Bianca Fritz
Zum Philosophieren mit Kindern
Lorenz Pauli (Text) und Kathrin Schärer (Illustration) haben gemeinsam schon viele Bücher verfasst. In diesem Bilderbuch über das Liebhaben bringen sie es fertig, hochphilosophisch über das wichtigste Themen das Lebens zu schreiben: Die Liebe, das Geliebtwerden und die unfassbare Liebe von Eltern zu ihren Kindern. «Wie war das am Anfang?», spricht das Kleinere zum grösseren? Und das Grössere antwortet: «Plötzlich warst Du da. Und dann habe ich gesagt: «Nanu, da bist du ja endlich.» Und du hast geschaut und…RUMMMS, kam diese Liebe. So gross dass sie niemals Platz in mir hat.» Der Kleinere, ist ein tapsiges Wesen mit weissen socken an den Füssen, mit Schweinerüssel, Giraffenohren und Elefantenschwanz, spricht mit dem Grösseren, eine Mischung aus Hund, Maulwurf und Bär, über das Leben, die Liebe und das Geliebtwerden spricht. Ein Buch, bei dem einem das Herz aufgeht. Claudia Landolt
Für Experimente in den Ferien
Wer zu Hause auch Kinder hat, die den Küchentisch in eine Holzwerkstatt verwandeln und das Badezimmer in ein chemische Experimentierstätte transformieren, wird mit diesem Buch dem Nachwuchs eine grosse Freude bereiten. Das «Superlabor» stellt 28 Experimente auf anschauliche Weise vor: Zerfliessende Marshmallows in der Mikrowelle oder ein Planetensystem, das mit Gummibändern nachgebaut wird. Realisieren lässt sich dies mit Gebrauchsgegenständen, die es in jedem Haushalt gibt. Claudia Landolt