Kinderfotos im Netz – wie man sie sicherer teilt
Es gibt den Ausdruck «digitaler Fussabdruck». Er bezeichnet die Fotos und Infos, die wir im Netz hinterlassen. Eine amerikanische Studie fand heraus, dass 74 Prozent der Eltern, die täglich mindestens einmal online sind, auch soziale Netzwerke nutzen. Und dort teilen sie Fotos ihrer Kinder. So haben auch schon Kleinkinder einen digitalen Fussabdruck. Manche entwickeln aus der Freude, den süssen Nachwuchs der weiten Welt zugänglich zu machen, eine regelrechte Manie. Die «New York Times» nennt es «Oversharenting», zu Deutsch: elterliche Teilwut. Die kann mitunter ganz schön weit gehen, wie der Blick auf den Eltern- Blog «STFU Parents» zeigt: Dort hält eine frischgebackene Mutter ihre Plazenta in die Kamera. Eine andere stellt ein Foto ins Netz, das den Boden zeigt, auf welchem sich ihr jüngstes Kind gerade erleichtert hat. Extrembeispiele, gewiss, doch gerade die netzaffinen Eltern der Generation 30+, die mit Twitter und Co. aufgewachsen sind, vergessen sich leicht, wenn es um die eigene Begeisterung über den Nachwuchs geht.
Teilen ist nicht immer gut
«Das Teilen von Kinderfotos ist ein Bedürfnis von Betreuungspersonen, gerade weil die Kinderbetreuung oft durch mehrere Personen durchgeführt wird und auch die Grosseltern oft stark involviert sind», erklärt der Social-Media-Experte und Lehrer Philipp Wampfler. Doch nicht immer sind wir uns der Gefahr bewusst, die entsteht, wenn man Bilder der eigenen Kinder ins Netz stellt. Diese locken Menschen an, die neugierig und leicht zu irritieren sind. Oder unsere Bilder blöd und peinlich finden. Diese Fotos können später gegen uns verwendet werden – und zwar von jedem, der irgendwie in das Netzwerk fällt. Sicher, wir haben uns ja selbst für diese Netzwerke angemeldet – aber haben das auch unsere Kinder? Dieser Meinung war auch die Polizei Nordrhein-Westfalen Hagen und postete vor ein paar Monaten auf Facebook folgenden Eintrag: «Hören Sie bitte auf, Fotos Ihrer Kinder für jedermann sichtbar bei Facebook und Co. zu posten. Danke. » Innert sechs Tagen erreichte der Post der Polizeistelle 16 Millionen Leute. Weiter hiess es: Pädophil Veranlagte könnten sich solcher Fotos bedienen und sie an anderer Stelle veröffentlichen. Diese Vorstellung brachte die Netzgemeinde zum Durchdrehen. In 5000 Kommentaren tauschten sich die Nutzer aus.
Kinder haben eine Privatsphäre
Der wichtigste Punkt ist die Privatsphäre des Kindes. «Eltern können nicht wissen, welche Interessen ein Kind haben wird und welche Bilder es von sich publizieren will. Es gibt nichts, was hier zu einer Güterabwägung führen könnte: Das Interesse der Eltern, Bilder ihrer Kinder zu publizieren, ist sicher weniger stark als das Recht der Kinder», so Philipp Wampfler. Laut Uno-Kinderrechtskonvention übernehmen «Eltern bei kleineren Kindern die Verantwortung und müssen im Sinne des Kindeswohls entscheiden». Darum ist es wichtig, dass sich Eltern fragen, warum sie ein Bild des Kindes auf Facebook stellen. Geht es um Selbstdarstellung? Möchte man dem Kind etwas Gutes tun? Und wie mag es dem Kind ergehen, dessen Aufwachsen im Internet dokumentiert wird? «Fotos, die man macht, dürfen nur veröffentlicht werden, wenn die Fotografierten einverstanden sind», so Philipp Wampfler. Das gelte erst recht für minderjährige Kinder. «Für mich ist es wichtig, dass Familien die Kontrolle darüber behalten, wie die Bilder gespeichert werden und wer sie sehen kann.» Die Eltern verwalten den Anspruch des Kindes, dass sein Recht am Bild geschützt wird. «Sobald Kinder gross genug sind, sollte man sie auch miteinbeziehen, z. B. in die Auswahl der publizierten Bilder. Sinnvoll erscheint es mir auch, diese Alben immer wieder zu löschen oder zu archivieren.» Denn eines tut das Internet nie: vergessen. In den Sicherheitseinstellungen, die Eltern in ihren sozialen Netzwerken vornehmen, lauern die grössten Gefahren. Dazu gehören die Nennung von Namen und Orten sowie das Geotagging eines Bildes. Das Angebot an Fotosharing- Plattformen ist gross. Wir zeigen Ihnen, wo Sie Ihre Fotos am sichersten teilen können.
Bild: Fotalia
Tipps für Eltern
- Machen Sie Ihr Profil nicht öffentlich
Wenn Sie Ihr Facebook- oder Instagram-Profil als öffentlich eingerichtet haben, kann jeder die hochgeladenen Fotos sehen. Schränken Sie am besten auf einen ausgewählten Freundeskreis ein und deaktivieren Sie den Haken für die Freigabe in Suchmaschinen. Beim Fotografieren darauf achten, dass das Kind nicht direkt erkennbar ist. Wählen Sie einen Ausschnitt oder eine seitliche Perspektive. Beim Upload per Handy Orterkennung deaktivieren. - Teilen Sie nicht die Kinderfotos anderer
Wenn Menschen Gruppenfotos machen und sie in sozialen Netzwerken teilen, kann das nervig sein. Denn Eltern haben das Recht zu wissen, wer Fotos ihrer Kinder sehen und kommentieren kann. Wenn Sie nicht möchten, dass solche Fotos im Netz auftauchen, ist das Ihr gutes Recht. - Erstellen Sie kein Profil für Ihr Kind
Es hat einen Grund, dass man ein bestimmtes Alter haben muss, um ein Profil bei Facebook zu haben: Kinder sollten selbst entscheiden können, ob sie ihre Daten den Werbetreibenden zur Verfügung stellen wollen. - Behalten Sie das Foto Ihres Kindes in der Badehose für sich
Kinder in der Badewanne sind süss. Doch möchten Sie, dass alle Welt Sie so privat und in persönlicher Umgebung sehen kann? Nur weil die Kinder noch zu klein sind, selber zu entscheiden, ob sie sich aller Welt zeigen möchten, heisst das nicht, dass Sie das tun dürfen. - Kein Kinder-Shaming
Als vor Jahren Dog Shaming aufkam, generierte es so viele Likes und Threads, dass ein Amerikaner auf die Idee kam, das auch mit seinem Kind zumachen. Das Video wurde ein Internet-Hit und oft kommentiert. Die Blossstellung des Kindes wurde mit Menschen geteilt, die es vielleicht nie treffen wird – was aber wird das Kind später einmal davon halten? - Mobbing vorbeugen
Sie machen sich an eine Powerpoint-Präsentation, klappen Ihren Laptop auf, und als Bildschirmschoner oder -hintergrund erscheint ein Foto Ihrer Kinder, womöglich in einer privaten Umgebung. Das kann den Kindern peinlich sein – ausser bei einem eingeschränkten Publikum. Doch das ist im Internet kaum der Fall.
Die rechtliche Situation
Rechtlich gesehen können Eltern minderjähriger Kinder frei entscheiden, ob sie Bilder ins Netz stellen. Die Kinder gelten als noch nicht einsichts- und geschäftsfähig, und das betrifft auch das Recht am eigenen Bild. Sobald das Kind die Risiken, die damit verbunden sind, selbst einschätzen kann, darf es aber mitentscheiden. Das ist im Alter von etwa 12 bis 14 Jahren der Fall. Dann können Kinder theoretisch auch von ihren Eltern verlangen, Bilder aus dem Netz zu nehmen.
Zur Autorin:
Einen Elternguide der Universität Basel als Entscheidungshilfe gibt es hier zum Download.