Kann ein Kind heute noch ohne digitale Medien aufwachsen?
Auf diese und fünf weitere Fragen gibt das Kapitel «Medienkompetenz» des Dossiers «100 Fragen – 100 Antworten zum Thema Medien» Antwort.
Kann ein Kind heute noch ohne digitale Medien aufwachsen?
Solange Kinder sehr klein sind, ist das möglich. Eltern können sie aber nicht lange davor bewahren. Sobald Kinder in soziale Einrichtungen wie Kita oder Schule kommen, werden sie unweigerlich mit Medien konfrontiert. Zum Beispiel wenn Freunde Geschichten aus ihren Streamingserien erzählen.
Stefan Aufenanger
Medienkompetenz ist für mich die Fähigkeit, mit Medien reflektiert, kritisch, kreativ und mit einem wertschätzenden Blick auf uns und andere umgehen zu können.
Friederike Tilemann
Seit zehn Jahren wird in der JAMES-Studie das Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen untersucht. Welche Befürchtungen aus der Anfangszeit haben sich bewahrheitet, welche waren unbegründet?
Je mehr Kinder und Jugendliche selbständig Medien nutzen, desto stärker werden sie mit Gewalt, Mobbing und Pornografie konfrontiert oder sexuell belästigt. Mit dem Smartphone entzieht sich die Mediennutzung eines Kindes oder Jugendlichen zunehmend der Kontrolle der Eltern und bringt daher mehr Risikoverhalten mit sich.
Die Befürchtung, dass Kinder nur noch an den Digitalgeräten hängen oder gamen und von Medienbildern beeinflusst werden, hat sich dagegen nicht bewahrheitet. Kinder und Jugendliche treffen noch immer am liebsten ihre Freunde, sind draussen, unternehmen gerne etwas und treiben Sport. Viele dieser Bereiche sind über zehn Jahre hinweg sehr konstant geblieben.
Daniel Süss
Was verstehen Sie unter Medienkompetenz?
Für mich ist Medienkompetenz die Fähigkeit, mit Medien reflektiert, kritisch, kreativ und mit einem wertschätzenden Blick auf uns und andere umgehen zu können. Es geht auch darum, sich mithilfe von Medien gestaltend ausdrücken und sich medial an gesellschaftlichen Prozessen beteiligen zu können. Hierfür braucht es Wissen und Reflexionsfähigkeit zum Verständnis von Medien, ihren Produkten und den Mediensystemen, damit eine kompetente Wahrnehmung gelingt und ich die Medien selbstbestimmt nutzen kann.
Friederike Tilemann
Wie definieren Sie Begleitkompetenz?
Das Kind in seinem Medienkonsum zu begleiten bedeutet, mit dem Kind über eben diesen zu sprechen, interessiert an dem zu sein, was es tut, hinzuschauen, die eigenen Bedenken äussern zu dürfen und auch mal nachzufragen. Und sobald Eltern merken, dass ihnen Wissen in einem bestimmten Bereich fehlt, sich darüber zu informieren.
Daniel Betschart
Kennen sich Kinder besser mit digitaler Technik aus als Erwachsene?
Es ist ein gängiges Missverständnis, dass sich Kinder schon allein deshalb besser auskennen, weil sie gut und schnell klicken können. Sie haben zwar oft gute Anwenderkenntnisse mit bestimmten Geräten und Programmen, aber sie schauen meist zu wenig hinter die Kulissen, sie können Gefahren zu wenig gut einschätzen und sie kennen auch nur ein relativ eingeschränktes Spektrum an Möglichkeiten, wie man digitale Medien auch anders und vielleicht sinnvoller nutzen könnte. Letztlich können Erwachsene von Kindern und Kinder von Erwachsenen etwas lernen.
Dominik Petko
Sind Kinder durch Streaming noch stärker zu Konsumenten geworden?
Nein, denn sie sind durch Social Media auch in grossem Masse zu Produzenten geworden. Das Potential, sich kreativ mit Medien auseinanderzusetzen und selbst Dinge anzufertigen, ist insgesamt gestiegen. Auf der anderen Seite ist die Konsumation vorgefertigter Produkte nach wie vor ein wichtiges, aber kein dominantes Element im Medienalltag.
Daniel Süss