WhatsApp und Threema: Chatroom im Hosensack
Die beliebteste Smartphone-App der Jugendlichen heisst WhatsApp. Ganze Schulklassen sprechen sich hier ab. Neu schlagen die Nutzungsbedingungen von WhatsApp ein Mindestalter von 16 Jahren vor. Was Eltern über WhatsApp und die Alternativen wissen und mit ihren Kindern besprechen sollten.
«Für Jugendliche gilt: raus aus der Schule, rein in den Chat. Unterhaltungen, die im realen Leben begonnen wurden, werden nun mit Messenger-Diensten fortgesetzt», sagt der Vater von Anina, Professor Thomas Merz, Medienpädagoge an der Pädagogischen Hochschule Thurgau.
Dass Messenger-Programme wie WhatsApp, Threema und Snapchat so beliebt sind, ist nicht verwunderlich: Flugs wie eine SMS landen die Kurznachrichten auf dem Handy, ein Foto oder eine Sprachnachricht werden kinderleicht mitangehängt.
Besonders für Jugendliche geht es bei WhatsApp und anderen Messenger-Programmen längst nicht mehr nur darum, Informationen auszutauschen – sondern einfach darum, zu plaudern – in Kontakt zu bleiben. Das moderne Chatten eben.
WhatsApp braucht eine hohe Kommunikationskompetenz
Denn die Messenger-Programme sind, was die Nutzer mit ihnen machen. Es gibt keine eingebauten Filter, die beispielsweise das Verschicken von pornografischem oder gewaltverherrlichendem Material verhindern.
Die Jugendlichen sollten also bereits über eine sehr hohe Kommunikationskompetenz verfügen, bevor sie drauflostippen. «Wenn ich weiss, wie ich menschliche Beziehungen führe und pflege, kann ich neue Medien als Hilfsmittel nutzen. Und erkennen, wann sie mich am Leben hindern», sagt Merz.
Er plädiert dafür, dass es für Eltern wichtiger ist, die Kommunikationsfähigkeit ihrer Kinder grundsätzlich zu stärken, als sich mit jeder einzelnen neuen Technik auszukennen. Dazu gehörten eine gute, offene Gesprächsatmosphäre zu Hause und das Interesse der Eltern für Erlebnisse und Gedanken ihrer Kinder. Grundsätzlich sei es natürlich gut, wenn Eltern ebenfalls Erfahrungen mit Messengern sammelten. Merz: «Damit erlebe ich Faszination wie auch Fragen und Herausforderungen direkt und kann meine Kinder auch viel besser begleiten.»
Datenschutz? Die Unterhaltung ist nicht privat
Bei der End-to-End-Verschlüsselung werden die Daten für den Übertragungsweg von Smartphone zu Smartphone verschlüsselt – selbst der Betreiber der App hat keinen Zugriff auf die Daten. Mit End-to-End-Verschlüsselung kann zum Beispiel verhindert werden, dass ein Dritter die privaten Unterhaltungen über ein Crack-Programm ausliest – zum Beispiel der WG-Mitbewohner oder sonst jemand, der im selben WLAN eingeloggt ist.
Trotz End-to End-Verschlüsselung können wir uns aber nicht ganz auf die Sicherheit unserer Daten verlassen. Die Server der meisten Messenger, wie zum Beispiel WhatsApp, liegen nicht in der Schweiz. Damit unterliegen die Fotos von Kater Ruedi und der betrunkenen Kollegin auch nicht dem Schweizer Datenschutzgesetz.
Sicherheitsexperten bemängeln zudem, dass nur wenige Messenger ihre Programmcodes offenlegen. So ganz sicher kann man sich also nicht sein, dass das Programm nicht doch auch filmt und fotografiert, ohne dass ich es will.
Datenschützer Hellweg: «WhatsApp ist die gefährlichste App!»
Und WhatsApp weiss auch, wen wir sonst noch so kennen. Denn die App greift im üblichen Verwendungsmodus (man kann es ausschalten, dann ist die Funktionalität allerdings begrenzt) auf die Kontaktdaten im Adressbuch zu – was übrigens rechtswidrig ist, weil deren Einverständniserklärung für die Datenweitergabe fehlt, wie ein Gericht in Deutschland im Jahr 2017 urteilte.
Online-Dossier Medienkonsum
Hellweg schliesst allein schon vom Preis, den Facebook für WhatsApp gezahlt hat darauf, wie wertvoll die dort gesammelten Daten für das US-Unternehmen sind: Insgesamt zahlte Facebook 19 Milliarden Dollar für eine einfache App mit nicht allzu grossem Funktionsumfang.
Hellweg empfiehlt Eltern und Lehrern ganz klar, auf die Schweizer Alternative Threema umzusteigen, weil deren Server in der vergleichsweise sicheren Schweiz stehen und man dort auch anonym, also ohne die Nutzung der Telefonnummer oder E-Mail-Adresse Nachrichten verschicken, telefonieren, etc. kann. Eine Altersbeschränkung gibt es hier auch nicht. Einziger Nachteil: Die App kostet rund drei Franken. «Das Geschäftsmodell hier ist der Verkauf der App – nicht unserer Daten», erklärt Hellweg.
Wenn das Handy ständig vibriert, pflegt Ihr Kind Kontakte. Das kann aber auch Stress auslösen.
Klare Sicherheitsregeln für Familien
Intime Bilder oder Fotos, die den Aufenthaltsort erkennen lassen, sollten nie mit Messenger-Programmen verschickt werden. Zudem empfiehlt Sicherheitsexperte Daniel Seitz, immer zu prüfen, ob man den Absender einer Nachricht wirklich kennt. «So oft wie junge Menschen die Handynummer wechseln, kann es gut einmal sein, dass plötzlich ein anderer behauptet, mein Freund XY zu sein. Und schon hat man einem Fremden etwas gezeigt oder erzählt, was ihn gar nichts angeht.»
FOMO und Vergleich von Messenger-Apps
Unter Experten wird die Angst, etwas zu verpassen, FOMO genannt, kurz für «Fear of missing out». Merz relativiert: «Man nutzt etwas, man findet es spannend und schliesslich entsteht ein Druck – aber langfristig bemerken das viele Jugendliche selbst und diskutieren darüber, wie schnell und worauf man antworten muss.» Seine Tochter sehe das inzwischen recht locker. Selbst 300 Nachrichten pro Stunde stressen Anina nicht mehr, weil sie gut entscheiden kann, wann sie offline ist und was sie danach beantworten muss.
Artikel erschien ursprünglich in der Februar-Ausgabe 2015 von das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi und wurde am 4. Juni 2018 aktualisiert und ergänzt.
Foto: zVg
Messenger-Apps im Vergleich
- WhatsApp: Nach wie vor der beliebteste Messenger hierzulande. Jugendlichen ist WhatsApp sogar wichtiger als die Facebook-App. Weltweit über eine Millionen Nutzer. Seit Kurzem eine End-to-End-Datenverschlüsselung – aber nur für den Text. Die Server stehen in den USA und gehören zu Facebook. Preis: kostenlos.
- Textsecure: Von Sicherheitsexperten empfohlen, da der Programmiercode öffentlich ist und eine sehr sichere End-to-End-Verschlüsselungsmethode gewählt wurde. Das Programm steht allerdings nicht für alle Betriebssysteme zur Verfügung und die Server stehen in Russland. Preis: kostenlos.
- Facebook-Messenger: Wer Facebook nutzt, wird geradezu gezwungen, auch den Messenger zu nutzen, weil er sonst keine Privatnachrichten auf Facebook auf dem Smartphone einsehen kann. Achtung: Die Chats sind nur dann End-to-End verschlüsselt, wenn ein Chat auf geheim eingestellt wird! Das muss manuell gemacht werden, zB über das eingekreiste i-Symbol in einem Chat. Preis: Kostenlos
- Threema: Bei Threema sind die Sicherheitslevel verschiedener User einsehbar und man muss keine Handynummer angeben. Zudem liegen die Daten auf Schweizer Servern und werden verschlüsselt versendet. Der Quellcode ist nur teilweise einsehbar. Preis: rund 3 Franken.
- Snapchat: Verschickte Fotos erscheinen nur für wenige Sekunden auf dem Handy des Empfängers. Das gaukelt Nutzern falsche Sicherheit vor: Der Empfänger kann sie sehr wohl speichern – z. B. als Screenshot. Zudem schreibt Snapchat selbst in seinen Nutzungsbestimmungen, dass sie «jederzeit und aus beliebigem Grund auf deine Inhalte zugreifen und diese prüfen, einsehen und löschen» dürfen. Preis: kostenlos.
In der Computerzeitschrift Connect wurden 2017 weitere Messenger-Apps wie Telegram und Signal verglichen. Hier geht es zum Artikel.
Zur Autorin:
Weiterlesen:
- Tina Z. erklärt im Teenie-Blog, warum man auf WhatsApp-Nachrichten sofort antworten MUSS.
- Daten schützen? Kinderleicht! Die 11 wichtigsten Tipps von Datenschutzexperte Martin Hellweg.
- Immer mehr Jugendliche lesen News nur noch über die sozialen Medien – das ist ein Problem.