Halloween vs. Corona
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Sonntag ist Halloween! Für den Fall, dass dieses Jahr wer bei Ihnen klingelt: Halten Sie das Desinfektionsmittel bereit. Auch wenn unsere Autorin Claudia Landolt eigentlich kein Halloween-Fan ist, sehnt sie sich nach den unbeschwerten Süssigkeitsorgien der letzten Jahre zurück.
Deswegen halte ich es in diesen Tagen so: Ich feiere ein klein wenig jeden Morgen das, was noch geht. Heute Morgen beispielsweise, als die Familie zur frühen Stunde noch schlief und der Hund wie hingegossen auf seiner Bettstatt lag, tapste ich mit blossen Füssen durchs nasse Gras. Den Kaffeebecher in der Hand, schaute ich zum Himmel, der aussah, als würde er gleich weinen. Ich atmete noch einmal tief durch und beschloss, mich ab sofort an allem zu freuen, was noch möglich ist – bevor die Schule, das Büro, die Freundinnen mailen, anrufen und den ersten Corona-Fall melden.
Drinnen erspähte ich den Dracula-Umhang, den mein Sohn vor der Waschmaschine deponiert hatte. Mir ging ein Licht auf: Diesen Samstag muss ein Kürbis her, ich muss das ganze Exemplar aushöhlen und eine furchterregende Grimasse reinschneiden. So machen es die Amerikaner mit Halloween vor, und so tun es seit einigen Jahren auch die Schweizer. Gefühlt ist in unserer Familie seit einigen Jahren der letzte Tag im Oktober der, an dem früh gegessen wird, weil sämtliche Kindergangs aus der Nachbarschaft zwischen 17 Uhr 30 und 21 Uhr an meiner Haustür klingeln und die Herausgabe von Süssigkeiten erpressen, während der Hund sich in Rage bellt. Nicht wirklich das, was ich unter einem geruhsamen Abend verstehe.
Insgeheim bewundere ich ja diese erzieherische Konsequenz, auch wenn sie wohl kulturimperialistisch oder religiös motiviert ist. Etwas befremdlich finde ich nur, dass genau jene Kinder manchmal gespannt durch Wohnzimmerfenster all die anderen Mini-Monster und Mini-Feen betrachten, die an fremden Türen klingeln, Süsses oder Saures krähen und ihre Körbe und Tüten prallvoll mit Süssigkeiten füllen.
Denn ganz ehrlich, es ist die Kombination von Zuckerzeug, an fremden Türen klingeln zu dürfen und des Sich-Verkleidens, was Halloween so aufregend macht. Zumindest bei meinen Kindern. Gratis und offiziell von höchster Mama-und Papa-Stelle genehmigt mit Naschwerk überschüttet zu werden und sich einen Zuckerschock auf Vorrat anlegen zu dürfen – das macht meine Kinder zu begeisterten Halloween-Fans. Was auch schon dazu geführt hat, dass sich einer meiner Söhne sämtliche Süssigkeiten auf einmal in den Bauch schlug, was wenig appetitliche Folgen hatte. Sie sehen, insgesamt ist Halloween also etwas, was meine Kinder freudig übernommen haben, ich dagegen mehr oder weniger freiwillig. Aber Gegenwehr war zwecklos (vier Kinder gegen mich, mein Mann enthielt sich der Stimme, grrr).
Ich tue mich schwer damit, es zu verbieten. Denn gemäss aktuellem Wissensstand sind die Kinder auf der Primarschulstufe nicht die Treiber der Pandemie. Wie es hierzulande genau sein wird, hängt vom Bundesratsentscheid von Mittwoch, 28. Oktober, ab. Das Desinfektionsmittel liegt jedenfalls schon an der Tür bereit. Eigentlich könnte ich jedes Bonbon vorsichtshalber damit einsprayen, bevor ich es in eines dieser Körbchen lege.
Ich glaube, ich werde es wie Miranda Leon aus Georgia halten. Die Mutter sagte unlängst der Nachrichtenagentur AP: «Die Kinder mussten in diesem Jahr schon auf so vieles verzichten – den Schulunterricht, ihre Sportvereine, die Ferien-Camps. Ich weigere mich, meinen Kindern jetzt auch noch die Freude zu nehmen, auf Süsses-oder-Saures-Beutetour zu gehen.»