«Strikte Regeln nehmen Spannung raus» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

«Strikte Regeln nehmen Spannung raus»

Lesedauer: 2 Minuten

Damit es zu Hause nicht zu oft knallt, setzen Isa Scherr, 41, und ihr Mann Mathias, 43, auf klare Vorgaben. Mit ihren vier Kindern Morris, 11, Ellen, 9, und den ­Zwillingen Lenny und Damien, 7, wohnen sie in Brütten ZH.

Aufgezeichnet von Kristina Reiss
Bild: Filipa Peixeiro / 13 Photo

«Wir sind eine sehr lebendige Familie und kennen konfliktreiche Situationen zur Genüge – vor allem, wenn sich alle in einem Raum aufhalten. Kleine Dinge schaukeln sich da gerne mal hoch, zum Beispiel am Esstisch: Dem einen schmeckts nicht, die andere hat das falsche Glas erwischt und der Dritte reicht den Honig nicht rüber. In solchen Fällen heisst es Tempo rausnehmen und unterbrechen. Unsere ­Zwillinge haben ADHS, deshalb ist Reiz­überflutung oft ein Thema. Umso wichtiger sind klare Regeln. Am Tisch gilt eine strikte Sitzordnung – so gibt es zumindest hier keine ­Diskussionen. Generell entstehen im Tagesablauf schnell Konflikte: Wenn sich im engen Flur alle gleichzeitig Schuhe und Jacke anziehen wollen. Oder wenn abends alle vier Kinder auf einmal Zähne putzen. Solche Dinge werden deshalb nur gestaffelt erledigt.

Wir Eltern haben gelernt, sehr klar zu ­kommunizieren, und geben relativ viel vor – aber auf Augenhöhe und mit Wertschätzung. Denn strikte Regeln nehmen Spannung raus und schaffen Sicherheit, was vor allem für unsere Zwillinge wichtig ist. Letztendlich profitieren aber alle davon. Es gibt zum Beispiel klare Gamezeiten, die nicht verhandelbar sind. Morris und Ellen spielen ausserdem gerne Gitarre und Cello. Uns ist es wichtig, dass sie täglich üben. Im Gegenzug dürfen sie den Zeitpunkt dafür selbst wählen. Einzige Bedingung: Bis 20 Uhr muss alles erledigt sein. Mit dieser Mischung aus klaren Vorgaben und einer gewissen Entscheidungsfreiheit fahren wir recht gut.

Bewährt hat sich der Familienrat am Wochenende. Hier lässt sich ein Thema in Ruhe nochmals aufgreifen.

Bewährt hat sich auch der Familienrat am Wochenende, an dem alle teilnehmen und den wir regelmässig abhalten. Hier lässt sich ein akutes Thema, das im hektischen Alltag aufgetreten ist, nochmals in Ruhe aufgreifen. Uns Eltern gibt dies ausserdem Zeit, nicht sofort reagieren zu müssen und einen gemeinsamen Standpunkt zu definieren.

Konflikte entstehen häufig auch aus falschen Erwartungen. So hatte ich eine klare Vorstellung von Familie, wollte ein grosses, offenes Haus und viele Leute am Tisch. Mit Kindern, die schnell reizüberflutet sind, musste ich mich davon aber verabschieden. Heute empfangen wir Besuch am liebsten draussen beim Bräteln und nicht an der gedeckten Kaffeetafel. Hier musste ich meine Erwartungen der Realität anpassen.

Wichtig finde ich auch das Thema Selbst­fürsorge. Lange dachte ich: Je mehr ich um die Ohren habe, umso weniger kann ich es mir leisten, mich um mich selbst zu kümmern. Heute setze ich mich einmal am Tag ans Klavier, egal wie stressig es ist. Davon zehre ich den ganzen Tag und bleibe in herausfordernden ­Situationen gelassener – was so manchen ­Konflikt entschärft.»

Hotline Fritz+Fränzi

Gehört in Ihrer Familie Streit zum Alltag? Fühlen Sie sich als Eltern manchmal hilflos und ohnmächtig? Wünschen Sie sich konkrete Tipps, wie man richtig streitet und Konflikte löst? Dann wenden Sie sich an den Elternnotruf. Am Dienstag, 14. Juni 2022, stehen Ihnen drei Fachleute exklusiv zur Verfügung. Sie können Ihre Fragen auch schriftlich einreichen: 24h@elternnotruf.ch. Sie erhalten innerhalb von 24 Stunden eine Antwort. Martina Schmid, Matthias Gysel und Rita Girzone freuen sich auf Sie!

Tel. 044 365 34 00
Dienstag, 14. Juni, 16-19 Uhr

Kristina Reiss
ist freischaffende Journalistin und Mutter einer Tochter, 12, und eines Sohnes, 9. Sie lebt mit ihrer Familie am Bodensee.

Alle Artikel von Kristina Reiss

Lesen Sie mehr zum Thema Konflikte:

Fokus bei Kindern auf Fähigkeit anstatt auf Problemen: Psychiater Ben Furman steht in einem Weizenfeld
Erziehung
«Kinder wissen in der Regel, womit sie zu kämpfen haben»
Anstatt von «Problemen» zu reden, ist es laut Psychiater Ben Furman hilfreicher, eine Fähigkeit zu definieren, die das Kind lernen soll.
Ein junger Mann skatet in der Pipeline der Freestyle Academy Laax.
Advertorial
Freestyle Academy LAAX – Fun für Skate- und Trampolin-Fans
Die Freestyle Academy LAAX ist pure Freestyle-Action auf 2000 m² verteilt. Wetterunabhängig, für alle Levels und einzigartig in Europa.
«Distanz bedeutet kein Ende»: Andrea und Renato
Entwicklung
«Distanz bedeutet kein Ende»
In der Pubertät von Renato erlitt die Beziehung zu seiner Mutter Tamara einen Bruch. Mittlerweile haben die beiden wieder zusammengefunden.
Pubertät und Probleme: Tochter mit ihren zwei Müttern auf Balkon
Entwicklung
«Ich will Probleme selbst lösen»
Tobi, 14, weiss, dass sie mit ihren Eltern Bettina und Fiona über alles reden kann – manches behält sie trotzdem lieber für sich.
Lernen: Monatsinterview mit Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Dierssen
Lernen
«Es ist manchmal richtig schwer, ein Kind zu sein»
Viele Konflikte entstehen rund ums Lernen. Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Dierssen rät Eltern die eigene Rolle klar zu definieren.
Eine Patchworkfamilie in der Pubertät: Aline, Sophie, Manuela, Nora, Jarno und Christof
Entwicklung
«Die Pubertät macht manches auch einfacher»
Mitten in der Pubertät: Manuela und ihre Töchter Sophie und Aline bilden mit Christof und seinen Kindern Nora und Jarno eine Patchworkfamilie.
Pubertät: Zwei Teenager-Mädchen liegen mit ihren Smartphones auf dem Bett
Entwicklung
Wie lässt sich die Pubertät gemeinsam meistern?
Die Pubertät ist für Teenager wie Eltern eine turbulente Zeit. Auf alle Beteiligten wartet eine neue Rolle, in die es sich einzufinden gilt.
Ein Junge schaut missmutig auf seinen Vater, der seinem Sohn eine Moralpredigt hält.
Elternbildung
«Mein Sohn ist weinend aus dem Haus gerannt»
Ein Vater wird bei einem Konflikt mit seinem elfjährigen Sohn handgreiflich. Er fühlt sich hilflos und bittet den Elternnotruf um Rat.
Moderne Nomaden Teil 1
Blog
«Moderne Nomaden»: Familienalltag im Wohnmobil
Autorin Debora Silfverberg reist mit ihrem Mann und den zwei Teenagertöchtern seit vier Jahren durch Europa. Wie geht das?
Ein kleine Junge mit roter Jacke und weisser Mütze auf dem Weg in den Kindergarten.
Kindergarten
7 Fragen zum Kindergartenweg
Kindergartenweg: Alleine in den Chindsgi zu laufen, ist ein ein wertvolles Stück Freiheit. Doch wann ist mein Kind so weit?
Elternbildung
«Nachts gamt mein Sohn, tagsüber schläft er»
Ein Vater meldet sich beim Elternnotruf, weil sein arbeitsloser Sohn zuhause rumsitzt und das Familienleben belastet. 
Psychologin Giulietta von Salis über den Umgang mit Gefühlen.
Erziehung
«Kinder verstehen vieles gut, aber wir trauen ihnen zu wenig zu»
Psychologin Giulietta von Salis plädiert dafür, Kinder alle Emotionen erfahren zu lassen und sich als Eltern den eigenen Gefühlen zu stellen.
Kinder, die viel gamen, lassen Eltern verzweifeln. So auch Saskia und Michael, die ihre Geschichte erzählen.
Familienleben
Gamen: «Sobald mein Sohn ein Gerät erwischt, gehts los»
Kinder, die viel gamen lassen Eltern verzweifeln. So auch Saskia und Michael, die ihre Geschichte erzählen.