«Mein Sohn findet Schamhaare im Intimbereich uncool» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Mein Sohn findet Schamhaare im Intimbereich uncool»

Lesedauer: 2 Minuten

Sandra M. über die Pickel ihres Sohnes, seine Aussage «Schlank sein gehört zur Uniform» und warum sie ihm kürzlich einen Putzkübel neben das Bett stellen musste.

«Neulich sagte mein ältestes Kind zu mir: ‹Mama, ich kann ja regelrecht auf dich hinunterschauen!› Wie sich das denn anfühle, fragte ich. Er antwortete: ‹Komisch.› Treffer, dachte ich. Genau so geht es mir auch.

Mein Baby ist knapp 16 und kann schon sein Kinn auf meinem Kopf abstützen. Und dies, obwohl ich mit 1,74 Meter kein Zwerg bin. Aber bei uns sind nicht nur die Grössenverhältnisse aus den Fugen geraten. Er geht jetzt auch oft nach mir ins Bett. Weil er lernen muss. Weil er über Facetime noch eine Weile mit seinen Freunden chatten will. Weil er auf Netflix unbedingt noch die 47. Folge einer angesagten US-Serie schauen möchte, um am nächsten Tag in der Schule mitreden zu können. Vor allem aber, weil er inzwischen alles selber am besten weiss.

Zum Beispiel, dass sieben Stunden Schlaf genug sind und dass der regelmässige Konsum von Cola, Chips, Hamburger und Nutella wirklich nichts mit seinen Pickeln zu tun hat, die inzwischen nicht nur auf seinem Rücken spriessen, sondern auch im Gesicht. Wir mussten deswegen eine Dermatologin aufsuchen. Denn Pickel sind genauso uncool wie überzählige Pfunde: Man ist damit gebrandmarkt – und fällt auf. Und das ist das Letzte, was mein Sohn will. 

«Du kannst mal Mist bauen, sage ich immer wieder, aber niemals mein Vertrauen missbrauchen.» 

Wie die meisten anderen versucht er, sich der scheinbar immer homogener werdenden Teenager-Masse anzupassen. Individualität ist nicht gefragt. Turnschuhe, T-Shirt und Haarschnitt sind quasi vorgegeben. Auch schlank sein gehört zur Uniform. Und eben keine Pickel im Gesicht haben. Oder keine Schamhaare im Genitalbereich.

Der Junge hat noch nicht mal einen ernsthaften Bartwuchs und auch keine Freundin, wollte aber schon wissen, womit er sich der ungewohnten Pracht an Schamhaaren im Lendenbereich entledigen könne. Die Vorstellung, ihm zu erklären oder gar zu zeigen, wie so ein Bartschneider da unten funktionieren könnte, kam mir absurder vor als unser erstes richtiges Gespräch über Kondome und Sexualität.

Auf der anderen Seite freute ich mich über die Offenheit und das entgegengebrachte Vertrauen. Denn Vertrauen ist alles und neben der Liebe das wichtigste Überbleibsel der Nabelschnur, die uns einst physisch verband. Du kannst mal Mist bauen, sage ich immer wieder, aber niemals mein Vertrauen missbrauchen. Es hat gedauert, bis er dies verstand, und von mir viel Geradlinigkeit und Konsequenz erfordert. Dafür kann ich ihn jetzt mehr oder weniger entspannt ziehen lassen, wenn er am Wochenende ab und zu mit seinen Kumpels in die Stadt oder zu einer privaten Party gehen will. 

«Streit gibt es eigentlich fast nur noch, wenns ums Geld geht»

Das Schlimmste, was bisher passiert ist, war, dass ich ihm einen Putzkübel neben sein Bett stellen musste. Dafür war er zur abgemachten Stunde zu Hause und hat eine Lektion gelernt.

Streit gibt es eigentlich fast nur noch, wenns ums Geld geht: Er sagt, er könne mit seinem Geld machen, was er wolle. Ich als gesundheitsbewusste Mutter jedoch finde es unmöglich, dass er sich einerseits eine Fitness-App von ‹Men’s Health› runterlädt, dann aber weit mehr als die Hälfte seines Taschengeldes für (aus meiner Sicht) unnötige Zwischenmahlzeiten bei McDonalds oder Starbucks ausgibt.

Er wiederum findet es hart, dass er in den Ferien jobben gehen muss, um sich angesagte Designer-Turnschuhe leisten zu können, deren Preis jenseits von Gut und Böse ist. Ich finde: Geschadet hats ihm nicht. Im Gegenteil. Es half ihm, Selbstvertrauen zu entwickeln und ein Gefühl dafür zu kriegen, wie es ist, wenn man für sich selber sorgen muss. Als ich meinen Sohn vor Kurzem fragte, was er sich von mir als Mutter am meisten wünsche, antwortete er: ‹Dass wir uns auf Augenhöhe begegnen können.› Dafür muss ich mich inzwischen auf die Zehenspitzen stellen. Gut, dass ich ab und zu High Heels trage.»

Bild: istock


Zur Autorin:

Sandra M. möchte ihren richtigen Namen für sich behalten. Sie ist Mutter von zwei Buben, 16 und 14, arbeitet als PR-Fachfrau und wohnt in Lenzburg AG.

Dieser Artikel erschien im Rahmen unseres Juni-Dossiers 2016 zum Thema «Teenager im Körperwahn». Das Magazin mit 21 Seiten zum Thema bestellen.