Die letzten Wochen, das weiss ich jetzt, waren ein Lehrstück im empathischen Miteinander. Eine ziemlich herausfordernde Übung, bei der man vorab gar nicht ahnte, welchen Stoff man da eigentlich zu bewältigen hatte.
Kurz nach dem Ausbruch der Pandemie hiess es in vielen Medien, die Ausnahmesituation sei auch eine Chance für mehr Empathie. Meine zwölfjährige Tochter, die ohnehin sehr idealistisch denkt, las die Schlagzeilen und sagte: «Die Menschheit muss sich jetzt beweisen.» Als ich ihr die Massnahmen konkret erklärte, schrumpfte ihr Enthusiasmus ein wenig. Keine Treffen mit Freundinnen. Kein Schwimmverein. Auch kein Eis in der ersten Frühlingssonne. Obwohl ihr die Krankheit doch vermutlich nichts anhaben würde! Ich erklärte meinen beiden Kindern, dass es auch in unserem Umfeld Menschen gebe, die wir schützen müssen: Ihre Omi, meine Mutter, ist fast 80 Jahre alt. Die Mutter einer Kindergartenfreundin hat soeben eine Krebserkrankung überwunden. Eine Freundin von mir, gerade erst 40, gilt wegen einer Autoimmunkrankheit als Hochrisikopatientin. Das Fazit fiel den Kindern nicht leicht, war aber eindeutig: Wir müssen unsere Bedürfnisse zurückstellen. Rücksicht auf Schwächere nehmen. Solidarität zeigen.