Leben mit dem Virus - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Leben mit dem Virus

Lesedauer: 2 Minuten

Wie geht man als Eltern mit der Corona-Krise um? Unsere Kolumnistin, Michèle Binswanger, klärt auf.

Denk ich an Gefahren für meine Familie in der Nacht, werd ich neuerdings von drohender Krankheit um den Schlaf gebracht. Rasend verbreitet sich das neue Coronavirus über den Globus, stündlich dokumentiert von weltumspannenden Kommunikationssystemen, jede weitere Ansteckung, jeder Todesfall wird atemlos rapportiert.

Oh ja, wir leben in ungewöhnlichen Zeiten. Wer würde das ernsthaft bestreiten? Auch wenn ich mich manchmal frage, ob es irgendwann eine Generation gab, die nicht so dachte. Was haben Menschen während der Französischen Revolution gedacht? Oder während der Kriege im zwanzigsten Jahrhundert? Selbst in Zeiten von Frieden und Wohlstand lebten die Menschen in Furcht. Etwa während des Kalten Kriegs, als man den Kindern in der Schule beibrachte, wie sie sich im Fall eines atomaren Erstschlags zu verhalten hätten: «duck and cover», suche Schutz unter deinem Schulpult, lautete das Motto gegen die drohende Apokalypse. Wenn das nicht eine Metapher auf die Unzulänglichkeit des Menschen angesichts seiner Sterblichkeit ist.

Und jetzt also Angst vor einer Seuche – wenigstens bietet sich hier der Trost, dass man tatsächlich etwas mehr zum eigenen Schutz tun kann als «duck and cover». Das weiss, wer wie ich aus einem Ärztehaushalt stammt, in dem der Umgang mit Krankheit täglich Thema am Familientisch war. 

Unsere Eltern liessen uns mit der gebotenen Diskretion an ihrem Beruf teilhaben, diskutierten vor uns Fälle und gaben Antwort, wenn wir nachfragten. Jede Krankheit, so begriff ich, kreiert ihr eigenes Drama. Und ich bewunderte meine Eltern dafür, wie sie damit umgingen: überlegt, einfühlsam und mit der Zuversicht, durch rationale Intervention helfen zu können.

Das war ganz grundsätzlich ihr Rezept gegen Dramen jeglicher Art – auch was uns vier Töchter anbelangte, die wir während unserer Teenagerjahre einiges davon produzierten.

Nicht nur vor dem Virus müssen wir uns hüten, sondern auch vor Falschinformationen.

Und genau so versuche ich meinen Kindern das nötige Wissen zum Virus mitzugeben. Auch aus meinem Beruf kann ich da etwas beisteuern. Schliesslich müssen wir uns nicht nur vor dem Virus hüten, sondern auch vor Falschinformationen, Hysterie und Panik. Also richtete ich in meinem Haus eine Art Newsroom ein. Denn so sehr meine Kinder durch ihre Smartphones natürlich mitbekommen, was abgeht, kann etwas nüchterne Einordnung nicht schaden.

Ich informierte sie, dass man die Sache ernst nehmen soll, aber nicht in Panik geraten muss. Dass es bei jüngeren Menschen eher mildere Verläufe gibt und wir aber gegenüber allen Mitmenschen eine Verantwortung haben. Dass ein paar simple Verhaltensregeln helfen, zum Beispiel Händewaschen. Und zeigte ihnen, wie das richtig geht. Wie Vater, der sich am kleinen Waschbecken im Gang immer als Erstes die Hände gründlich einseifte und sie wusch, bevor er uns Töchter in die Arme schloss.

Daran denke ich in der Nacht, wenn die Gefahren für meine Familie und meine Liebsten mich wach halten. An seine nüchterne ärztliche Ruhe und das Mitgefühl, das er Menschen entgegenbrachte. Und das scheint mir die beste Medizin, um mit der Corona-Bedrohung fertig zu werden.


Zur Person:

Michéle Binswanger ist studierte Philosophin, Journalistin, Buchautorin und langjährige Kolumnistin bei Fritz+Fränzi. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen, ist Mutter von zwei Kinder und lebt in Basel.

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