«Auch Hochbegabte müssen lernen, mit Misserfolg umzugehen» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Auch Hochbegabte müssen lernen, mit Misserfolg umzugehen»

Lesedauer: 2 Minuten

Ist Hochbegabung ein Selbstläufer für eine brillante Schulkarriere? Keineswegs, wie der Erziehungswissenschaftler Dominik Gyseler, Experte für Wissenschaftskommunikation an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik, betont. Um schulisch erfolgreich und zufrieden zu sein, brauchen hochbegabte Kinder und Jugendliche vielmehr einen speziellen Rucksack, der sie im Schulalltag begleitet. Zur Ausstattung gehören zum Beispiel eine passende Konzentrationstechnik, präzise eingesetzte Lernpausen, hirngerechte Ernährung und eine Strategie, um an Misserfolgen zu wachsen.

Interview: Stefanie Wolff-Heinze
Bild: Diva Plavalaguna & zVg

Herr Gyseler, von Hochbegabten nimmt man an, dass sie die Schulzeit mühelos meistern. Stimmt das?

Nein. Auch Hochbegabte können Schulprobleme haben – und zwar nicht trotz ihrer hohen Begabung, sondern gerade deswegen. Man kann sich eine Hochbegabung als Medaille mit zwei sehr unterschiedlichen Seiten vorstellen: Diese Kinder verarbeiten schulische Inhalte schneller als andere, was in der Schule Vorteile bringen kann. Aber meistens geht es ebenso schnell, dass ihnen kaum Zeit bleibt, zu realisieren, wie sie die Aufgabe jetzt genau gelöst haben. Man sieht das sogar in Hirnscans. Diese Lernstrategien fehlen den Kindern dann, wenn sie unbedingt darauf angewiesen wären – häufig beim Übertritt in eine höhere Schulstufe. Lernschwierigkeiten, Verhaltensprobleme und ein hoher Leidensdruck können die Folge sein. Um Schulprobleme zu vermeiden, muss man Hochbegabte deshalb zu Lernprofis machen.

Mehr zum Thema erfahren Sie im «Kosmos Kind»-Vortrag «Werdet Lernexperten! Hochbegabte in der Schule» von Dr. Dominik Gyseler am 13. September 2022, 18.00 Uhr, in der Stiftung. Für das Kind in Zürich. Weitere Infos & Tickets gibt es hier.

Was zeichnet solche Lernprofis aus?

Drei Fertigkeiten stehen bei Hochbegabten im Zentrum. Erstens: Die erwähnten Lernstrategien und hier vor allem das Problemlösen. Nehmen Sie offene Aufgaben, die keine exakte Lösungen haben: Wie viele Bäume hat es in der Schweiz? Da lernen die Kinder etwa, klug mit Annahmen zu arbeiten – ein Kind hat kürzlich seine Argumentation damit begonnen, es habe hierzulande vermutlich ungefähr gleich viele Bäume wie Personen. Interessant! Eine zweite Fertigkeit ist es, bei Prüfungen seine bestmögliche Leistung abrufen zu können. Das geht für viele Hochbegabte in den ersten Schuljahren von allein, muss aber thematisiert werden – vor allem, wenn die Gefahr von Perfektionismus besteht. Drittens: der Umgang mit Misserfolg. Wenn plötzlich mal eine Prüfung schiefgeht, ist das für viele Hochbegabte extrem schwierig. Es gibt aber Techniken, die angewandt werden können, zum Beispiel «Wenn-dann-Pläne».

Können auch die Eltern ihr hochbegabtes Kind dabei unterstützen?

Grundsätzlich ist die Schule für diese Fertigkeiten zuständig, das ist für mich Begabtenförderung. Aber nehmen wir den Umgang mit Misserfolg: Da spielt die Fehlerkultur eine grosse Rolle, auch jene zuhause. Manchmal würde es dann schon reichen, wenn man sich ab und zu am Schluss der Woche beim Abendessen kurz erzählt, was der grösste Bock ist, der einem in den letzten Tagen unterlaufen ist, und diskutiert, wie man das zukünftig verhindern könnte. Ein kleines Ritual, vielleicht einen Monat lang – das ist mit wenig Aufwand verbunden, kann aber erstaunlich viel auslösen.

Kosmos-Kind-Vortrag: «Hochbegabte in der Schule»

Mehr zum Thema erfahren Sie im «Kosmos Kind»-Vortrag «Werdet Lernexperten! Hochbegabte in der Schule» von Dr. Dominik Gyseler am 13. September 2022, 18.00 Uhr, in der Stiftung. Für das Kind. Giedion Risch, Falkenstrasse 26, Zürich.

Tickets unter www.fuerdaskind.ch/vortragszyklus

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