«Handys haben nachts im Kinderzimmer nichts verloren»

Jugendliche fühlen sich heute deprimierter und einsamer als noch vor wenigen Jahren. Grund für diese Veränderungen ist das Smartphone, glaubt Jean Twenge. Die amerikanische Psychologin über die Generation Selfie – und was das Handy mit unseren Kindern macht.
Frau Twenge, Sie sprechen in Ihrem aktuellen Buch von der «Generation Selfie». Wen meinen Sie damit?
Sie erforschen die Unterschiede zwischen den Generationen bereits seit 25 Jahren. Was ist so besonders an der Generation Selfie?
«Je mehr Zeit ein Teenager am Smartphone verbringt, desto einsamer fühlt er sich.»
… Sie erwähnen in Ihrem Buch Faktoren wie Einsamkeit, Angst, Depression, keinen Sinn im eigenen Leben sehen, keine Freude am Leben haben und dergleichen …
Was geschah dann?
Was unterscheidet die Generation Selfie denn von ihren Vorgängern, den sogenannten «Millennials»?
Mit welchen Folgen?

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Jugendliche heute das Gefühl haben, «nichts richtig zu machen». Die Werte haben sich innerhalb weniger Jahre so stark verschlechtert, dass sie von einem «Tsunami» sprechen. Ist wirklich das Smartphone für all das verantwortlich?
Gibt es dazu denn keine Untersuchungen?
Das ist ziemlich beeindruckend: Bereits eine Woche ohne soziale Medien hat messbare Auswirkungen auf unser Wohlbefinden. Trotzdem ist klar, dass wir hier noch mehr Studien brauchen. Und noch ein zweiter Punkt ist mir wichtig: An vielen Langzeitstudien kann man ablesen, was zuerst da war – die negativen Veränderungen im Wohlbefinden oder die verstärkte Nutzung der digitalen Medien. Die meisten dieser Untersuchungen zeigen, dass zuerst die Zeit im Internet zunimmt. Erst danach kommt das Gefühl, unglücklich zu sein.
In der Schweiz nutzen 98 Prozent aller Jugendlichen den Messenger von Whatsapp. Sollte man seinem Kind etwa das Handy wegnehmen und es von der Kommunikation mit seinen Freunden abschneiden?
Was ist mit dem Faktor Schlaf? Sie schreiben, dass Kinder ihr Telefon sogar mit ins Bett nehmen.
«Die Onlinezeiten schnellen nach oben, gleichzeitig verschlechtert sich die seelische Gesundheit.»
Warum nicht?
Konkret gefragt: Was können Eltern tun?
Und wenn das Smartphone einmal da ist?
All das dürfte Eltern in der Schweiz leichter fallen als Eltern in den USA. In den Vereinigten Staaten sprechen wir von durchschnittlich sechs bis acht Onlinestunden pro Tag. In der Schweiz sind es nur etwa drei Stunden täglich.
Im Hinblick auf andere Freizeitaktivitäten scheint die Schweiz ebenfalls besser dazustehen: Die Zeit, die Jugendliche mit Freunden verbringen, die Zeit, in der sie Sport treiben – beides hat sich laut der aktuellen JAMES-Studie seit 2010 nicht signifikant verändert.
«Bereits eine Woche ohne soziale
Medien hat messbare Auswirkungen auf unser
Wohlbefinden.»
Wenn man Jugendliche in der Schweiz befragt, wofür sie ihr Handy eigentlich nutzen, dann lautet die zweithäufigste Antwort: um zu sehen, wie spät es ist. Könnte man die Onlinezeit womöglich reduzieren, indem man seinem Kind zum Geburtstag eine Armbanduhr schenkt?
Wie will man das kontrollieren?
Man soll seinem pubertierenden Teenager eine Eltern-App aufs Handy installieren? Ernsthaft?
Bei Mädchen hat sich die seelische Gesundheit deutlich stärker verschlechtert als bei Buben. Sie fühlen sich in stärkerem Masse einsam und ausgegrenzt, das Risiko für einen Selbstmord liegt bei ihnen ebenfalls höher. Warum?
Was machen Mädchen in den sozialen Medien denn anders als Buben?
«Warten Sie mit der Anschaffung
eines Handys für Ihr Kind so lange
wie möglich.»
Hinzu kommt: Wer bei der Geburtstagsfeier nicht eingeladen wird, kann seinen Klassenkameraden heute über die sozialen Medien praktisch in Echtzeit dabei zusehen, wie sie Spass haben, während man selbst allein zu Hause sitzt.
Welche Rolle spielt die Persönlichkeitspsychologie? Es ist schon länger bekannt, dass Mädchen während der Pubertät oft an emotionaler Stabilität verlieren, was bei Buben nicht im selben Masse der Fall ist.
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