In Zusammenarbeit mit Betty Bossi
Ein typischer Abend bei Familie Rossi: Das Essen steht noch nicht auf dem Tisch und das jüngste Familienmitglied möchte ununterbrochen getragen werden, während der ältere Bruder drauf und dran ist, mit den neuen Farbstiften die Wand zu bemalen.
Durchatmen, Kinder ruhigstellen und endlich kochen. Leo bekommt ein kaltes Apfelstück für die ersten Zähne und nuckelt zufrieden daran rum, während Cyrill sich mit Schokoladecrackern begnügt. Eine Situation, die vielen Eltern bekannt vorkommen dürfte. Nur, das Essen dient in dieser Situation nicht seinem eigentlichen Zweck, nämlich zu sättigen, sondern lenkt in erster Linie ab, beschäftigt und vergnügt die beiden Kinder.
Zugegeben, in manchen Situationen kann nur noch etwas zu essen – meist etwas Süsses – die gewünschte Reaktion bei Kindern hervorrufen. Und nicht nur bei Kindern. Essen und Trinken dient schon sehr lange nicht nur der Versorgung des Körpers. So essen wir beispielsweise aus religiösen, gesundheitlichen oder familiären Beweggründen.
In der Werbung wird gezeigt, was Produkte angeblich aus uns machen können. Lebensmittel werden mit erstrebenswerten Eigenschaften konnotiert. Wenn wir ein bestimmtes Nahrungsmittel essen, werden wir schlank, stark, lustig, mutig, männlich, weiblich und so weiter. Nicht einfach «nur» satt. Bei Kleinkindern ist es herausfordernd, zu erahnen, welches Bedürfnis gerade aktuell ist. Es kommt vor, dass das Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung missverstanden wird oder zu Verunsicherung führt. Gibt man dem Kind in einer solchen Situation etwas zu essen, kann eine kurzfristige Beruhigung erreicht werden, das Bedürfnis nach Nähe besteht aber weiterhin und wird eher noch verstärkt. Werden ältere Kinder beispielsweise mit Schokolade getröstet, sendet diese Handlung falsche Impulse. Trost wird in Verbindung mit Schokolade gebracht, was sich bis ins Erwachsenenalter durchziehen kann und unter Umständen zu ungünstigen Essmustern führt.