Weg vom Herd und ran an die Bücher? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Weg vom Herd und ran an die Bücher?

Lesedauer: 3 Minuten

Alle reden über gesunde Ernährung, aber was lernen die Kinder eigentlich in der Schule darüber? Der Lehrplan 21 soll das Fach Hauswirtschaft WAH (Wirtschaft-Arbeit-Haushalt) modernisieren. Künftig werden Schülerinnen und Schüler weniger kochen und mehr über Fairtrade und Preisentstehung lernen. Der theorielastige Unterricht kommt nicht bei allen an. WAH-Lehrerin und Food-Bloggerin Manuela Janik verrät, wie sie die Schüler trotzdem motiviert.

Warum ist der traditionelle Hauswirtschaftsunterricht nicht mehr zeitgemäss? 

Heute soll das Essen möglichst schnell und gesund sein. Viele Frauen sind berufstätig und haben keine Zeit, lange am Herd zu stehen. Gleichzeitig achten viele Leute auf ihre Linie. Der Lehrplan 21 passt den Hauswirtschaftsunterricht der modernen Welt an: Die Schüler lernen in WAH Gerichte zu kochen, die in 30 Minuten auf dem Tisch stehen, gesund sind und schmecken. 

Gibt es keine Schleckereien mehr?

Doch. Mit Verboten arbeiten wir nicht. Natürlich lernen die Kinder auch, sich zwischendurch etwas zu gönnen. Ganz nach dem Motto: Weniger ist mehr.

Was ändert sich mit dem neuen Fach WAH konkret?

Die Zweit- und Drittsekler, die dieses Fach neu besuchen, kochen weniger und nehmen mehr Theorie durch. Sie lernen beispielsweise Lebensmittelbezeichnungen wie light und glutenfrei und Labels wie Bio und Fairtrade kennen, verfolgen die Reise einer Jeans von der Produktion bis an den Kleiderständer, erfahren, wie ein Preis entsteht, wie man mit Geld umgeht oder setzen sich mit Ernährungsformen, Essstörungen und Lebensmittelunverträglichkeiten auseinander. 

Sind Fragen, die der Konsumentscheidung dienen, nicht eher Sache der Eltern?

Nein. Ich finde, es ist Auftrag der Schule, darüber aufzuklären. In Mathematik nehmen die Schüler ja auch Prozente und Zinsen durch, dort können wir direkt ansetzen. Und ausserdem thematisieren nicht alle Eltern, unter welchen Arbeitsbedingungen das Nike-Shirt ihrer Kinder hergestellt wurde. Das erfahren sie dann in den Theoriestunden.

Selbstgemachte gesunde Nutella? Diese Herausforderung nimmt Manuela Janik in ihrem Kochvideo an! Die Lehrerin aus Basel hat auch einen eigenen Foodblog.

Bedeutet mehr Theorie auch mehr Prüfungen?

Nein, nicht unbedingt. Aber ich gebe den Schülerinnen und Schülern praktische Hausaufgaben mit, um das Kochen zu Hause zu fördern. Zum Beispiel muss jeder einen Salat seiner Wahl zubereiten und davon ein Foto mitbringen. Auf einem Arbeitsblatt notieren die Eltern, wie das Gericht geschmeckt hat und ob die Küche selbständig aufgeräumt wurde. So lernen die Schüler ihre Küche kennen und die Eltern, Verantwortung abzugeben.   

Haben einige Eltern Mühe damit?

Ich habe schon gehört, dass ein Jugendlicher nicht in die Küche durfte, weil seine Mutter Angst um das neue Mobiliar hatte. Doch das ist selten. Man spürt aber schon, wer sich interessiert und zu Hause ab und zu mitkocht. Die Eltern leben viel vor. Ein Schüler meinte einmal:  «Wieso soll ich aufräumen? Das macht doch später mal meine Frau.»

«Den Jungs mache ich das Kochen und Putzen schmackhaft, indem ich ihnen sage, dass sie so bei den Frauen hoch im Kurs stehen. Das motiviert sie.»

Manuela Janik

Und was antworteten Sie darauf?

Ich sagte:  «Gib mir Bescheid, wenn du sie gefunden hast.» Den Jungs mache ich das Kochen und Putzen oft schmackhaft, indem ich ihnen sage, dass sie so bei den Frauen hoch im Kurs stehen. Das motiviert sie.

Wie motivieren Sie lernschwächere Jugendliche für den theorielastigen Unterricht?

Bei ihnen reduziere ich den Stoff ein wenig und binde kleine Spiele, kurze Filme oder ein Quiz ein. Sie sind aber dennoch immer wieder froh, in die Schulküche zu dürfen. Ein Jugendlicher, der im theoretischen Unterricht sehr anstrengend ist und auch in anderen Theoriefächern vor die Tür muss, blüht beim praktischen Kochen richtig auf. 

Wie könnte man den Unterricht  für solche Schüler praxisbezogener gestalten?

Zum Beispiel Ausserschulische Lernorte besuchen, also einmal eine Kehrichtverbrennungsanlage besichtigen oder hinter die Kulissen von McDonald‘s schauen. So kommen die Jugendlichen raus und sehen die Dinge, die wir in der Theoriestunde durchnehmen, mit eigenen Augen. 

Sie zeigen im Unterricht und auf Ihrem Food-Blog auch alternative Lebensmittel zu Zucker oder Rahm auf. Können Sie uns einige Beispiele nennen?

Haushaltszucker kann man zum Beispiel durch Datteln oder sehr reife Bananen ersetzen, Rahm durch Soja- oder Kokoscreme und statt Reibkäse kann man auch fein gemahlene Cashewnüsse verwenden. 

Was ich auf keinen Fall hören will, ist ein «Wäh!» oder «Pfui!». Schliesslich geht es auch darum, die Arbeit der Mitschüler wertzuschätzen. 

Manuela Janik

Und wie schaffen Sie es, den Schülern schwarze Schoggi oder zuckerfreie Nahrungsmittel schmackhaft zu machen?

Ich erkläre ihnen beispielsweise, dass die Brownies nur mit schwarzer, kakaoreicher Schokolade richtig schokoladig werden. Oder wenn sie irgendwo Zucker reinmischen wollen, sage ich: «Probiert es doch erst einmal ohne oder mit weniger.»

Wie gehen Sie mit heiklen Schülern um?

Sie sollen mindestens einen Löffel probieren, danach können sie immer noch sagen, es sei nicht ihr Ding. Was ich aber auf keinen Fall hören will, ist ein «Wäh!» oder «Pfui!». Schliesslich geht es auch darum, die Arbeit der Mitschüler wertzuschätzen. 

Was erhoffen Sie sich vom WAH-Unterricht?

Ich hoffe, dass die Kinder möglichst viel aus diesem lebensnahen Fach für ihre Zukunft mitnehmen und bei späteren Kaufentscheidungen auf dieses Wissen zurückgreifen können. 

WAH – Wirtschaft-Arbeit- Haushalt im Lehrplan 21:

Wirtschaft-Arbeit-Haushalt löst im Lehrplan 21 das Fach Hauswirtschaft auf der Sekundarstufe 1 ab. Es wurde in den Kantonen Appenzell, Basel, Bern, Freiburg, Glarus, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Solothurn, St. Gallen, Thurgau, Uri und Zürich eingeführt oder befindet sich in der Einführung.

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