«Mein Sohn hält mir täglich den Spiegel vor»
Bilder: Alain Laboile
Ich erzähle
Mara, 33, ist Mutter von zwei Kindern, 5 und 10. Sie erkennt sich in den Selbstzweifeln ihres Sohnes wieder.
«Es tönt banal: Wer sich selbst nicht liebt, der kann auch keine anderen Menschen lieben. Deshalb ist es meiner Ansicht nach so wichtig, dass wir als Eltern in uns gehen und schauen, ob wir als Kind um unser selbst willen geliebt worden sind. In meinem Fall hat die Geburt meines ersten Kindes diesen Prozess ausgelöst. Mein Sohn spiegelte mir alle meine Unsicherheiten, jeden Tag. Er zwingt mich, an mir selbst zu arbeiten, meine Muster zu erkennen, all das, was verschüttet oder unterdrückt war oder ist, anzuschauen. Erst durch ihn habe ich Selbstvertrauen und auch Selbstliebe kennengelernt. Und erst dadurch bin ich in der Lage, diese meinen Kindern vorzuleben, indem ich zum Beispiel ganz offen und ehrlich über meine Gefühle spreche. Wenn wir unseren Kindern zeigen können (nicht nur verbal), wie wichtig es ist, zuerst an sich selbst zu glauben, werden sie später bei einer Niederlage nicht gleich das Handtuch werfen oder sich unter einer Decke verkriechen. Wenn sich mein Sohn über eine schlechte Note beklagt, versuche ich ihm zu zeigen, dass dieser nicht ganz gelungene Test eine Nachricht an ihn ist, und schaue mit ihm an, wie so viele Fehler entstanden sind. Wenn ich auf der schlechten Note herumreiten würde, hätte er nur noch mehr Selbstzweifel.
Ich bin überzeugt, dass wir unseren Stärken mehr Gewicht verleihen müssen. Sie sind unsere Kraftquelle.
Ich versuche ihm daher lieber beizubringen, eine Lösung zu finden, damit sich die Note bei der nächsten Prüfung verbessert. Dabei ist mein Ziel, ihm zu helfen, dass er selbst auf die Lösung kommt. Andere Beispiele sind soziale Streitigkeiten oder der Ausschluss aus einer Gruppe. In diesen Fällen ist das Selbstwertgefühl eines Kindes betroffen, es verschliesst sich, fühlt Scham und Ungerechtigkeit. Im schlimmsten Fall denkt es, es sei falsch, so wie es ist. Geschieht dies, höre ich meinem Sohn zu und lasse ihn sein Herz ausschütten. Wenn er sich etwas beruhigt hat, frage ich ihn, ob er aus dieser Situation etwas gelernt hat. Dabei versuche ich zu vermitteln, dass auch schlechte Erfahrungen ihren Sinn haben, dass wir aus ihnen lernen und uns dadurch weiterentwickeln können. Leider gibt es meiner Meinung nach kein Handbuch, das uns zeigt, wie wir das Selbstvertrauen unserer Kinder stärken können. Doch bestimmt kann jede einzelne Mutter damit beginnen, sich selbst zu hinterfragen, die Unsicherheiten nach und nach ablegen und herausfinden, wer man wirklich ist. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir unseren Stärken mehr Gewicht verleihen müssen. Sie sind unsere Kraftquelle. Wir müssen nicht perfekt sein, aber zufrieden mit uns selbst. Wenn wir dies unseren Kindern vermitteln können, leisten wir recht gute Arbeit in Sachen Selbstakzeptanz.»
Lesen Sie mehr zum Thema Selbstbewusstsein:
- Selbstbewusstsein: Das starke Kind
Wir alle sehnen uns danach, vorbehaltlos angenommen und geliebt zu werden. Dieses Gefühl ist die Basis für unser Selbstbewusstsein, das in der Kindheit entsteht. Schwächelt es, kann dies später Lebenschancen verbauen, Beziehungen erschweren und sogar die Gesundheit gefährden. Doch wie wird ein Kind selbstbewusst? Welchen Einfluss haben Eltern und Schule? - Tipps zur Stärkung des Selbstbewusstseins Ihres Kindes
Woraus schöpfen wir die innere Kraft, um selbstbewusst die Chancen unseres Lebens zu ergreifen und seinen Widrigkeiten zu trotzen? Mit diesen Tipps stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Kindes. - «Fast alles, was Eltern versäumt haben, lässt sich wieder ausbügeln»
Die Psychologin Margarete Killer-Rietschel erklärt, wie Selbstbewusstsein entsteht, welche Rolle die Erziehung dabei spielt – und was Eltern tun können, wenn ihr Kind sich wegen schlechter Noten infrage stellt. - «Selbstvertrauen hat auch mit Überwindung von Grenzen zu tun»
Miriam, 42, und ihr Mann Samuel, 46, haben zwei Kinder, 7 und 9. Für die beiden ist wichtig, dass ihre Kinder sich etwas zutrauen können. Diese Kraft sollen sie in sich selbst finden – und im Glauben. - «Kein Kind soll zu wenig Zuneigung und Liebe erhalten»
Stefan, 44, ist Vater zweier Töchter, 10 und 12. Er bezeichnet sich als nicht sehr selbstbewusst und legt deshalb viel Wert darauf, seinen Mädchen täglich zu sagen, wie sehr er sie liebt. - «Doofe Sprüche jucken mich nicht»
David, 17, ist das älteste von drei Kindern und empfindet sich als recht selbstbewusst. Der Gymnasiast denkt, er habe sich dieses Selbstbewusstsein selbst erarbeitet.