«Mein Sohn hält mir täglich den Spiegel vor» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Mein Sohn hält mir täglich den Spiegel vor»

Lesedauer: 2 Minuten

Ich erzähle

Mara, 33, ist Mutter von zwei ­Kindern, 5 und 10. Sie erkennt sich in den Selbstzweifeln ihres Sohnes wieder.

«Es tönt banal: Wer sich selbst nicht liebt, der kann auch keine anderen Menschen lieben. Deshalb ist es meiner Ansicht nach so wichtig, dass wir als Eltern in uns gehen und schauen, ob wir als Kind um unser selbst willen geliebt worden sind. In meinem Fall hat die Geburt meines ersten Kindes diesen Prozess ausgelöst. Mein Sohn spiegelte mir alle meine Unsicherheiten, jeden Tag. Er zwingt mich, an mir selbst zu arbeiten, meine Muster zu erkennen, all das, was verschüttet oder unterdrückt war oder ist, anzuschauen. Erst durch ihn habe ich Selbst­vertrauen und auch Selbstliebe kennen­gelernt. Und erst dadurch bin ich in der Lage, diese meinen Kindern vorzuleben, indem ich zum ­Beispiel ganz offen und ehrlich über meine Gefühle spreche. Wenn wir unseren Kindern zeigen können (nicht nur verbal), wie wichtig es ist, zuerst an sich selbst zu glauben, werden sie später bei einer Niederlage nicht gleich das Handtuch werfen oder sich unter einer Decke verkriechen. Wenn sich mein Sohn über eine schlechte Note beklagt, versuche ich ihm zu zeigen, dass dieser nicht ganz gelungene Test eine Nachricht an ihn ist, und schaue mit ihm an, wie so viele Fehler entstanden sind. Wenn ich auf der schlechten Note herumreiten würde, hätte er nur noch mehr Selbstzweifel.

Ich bin überzeugt, dass wir unseren Stärken mehr Gewicht verleihen müssen. Sie sind unsere Kraftquelle.

Ich ­versuche ihm daher lieber beizubringen, eine Lösung zu finden, damit sich die Note bei der nächsten Prüfung verbessert. Dabei ist mein Ziel, ihm zu helfen, dass er selbst auf die Lösung kommt. Andere Beispiele sind soziale Streitigkeiten oder der Ausschluss aus einer Gruppe. In diesen Fällen ist das Selbstwertgefühl eines Kindes betroffen, es verschliesst sich, fühlt Scham und Ungerechtigkeit. Im schlimmsten Fall denkt es, es sei falsch, so wie es ist. Geschieht dies, höre ich meinem Sohn zu und lasse ihn sein Herz ausschütten. Wenn er sich etwas beruhigt hat, frage ich ihn, ob er aus dieser Situation etwas gelernt hat. Dabei ­versuche ich zu vermitteln, dass auch schlechte Erfahrungen ihren Sinn haben, dass wir aus ihnen lernen und uns dadurch weiterentwickeln können. Leider gibt es meiner Meinung nach kein Handbuch, das uns zeigt, wie wir das Selbstvertrauen unserer Kinder stärken können. Doch bestimmt kann jede ­einzelne Mutter damit beginnen, sich selbst zu hinterfragen, die Unsicherheiten nach und nach ablegen und herausfinden, wer man wirklich ist. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir unseren Stärken mehr Gewicht verleihen müssen. Sie sind unsere Kraftquelle. Wir müssen nicht perfekt sein, aber zufrieden mit uns selbst. Wenn wir dies unseren Kindern vermitteln können, leisten wir recht gute Arbeit in Sachen Selbstakzeptanz.»

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Dieser Artikel gehört zum Online-Dossier «Das starke Kind». Mutig, kommunikativ, stark: So wünschen sich wohl alle Eltern ihr Kind. Doch was fördert und was behindert die Entwicklung dieses Selbstbewusstseins? Lesen Sie hier mehr zu diesem Thema.


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