Was wirklich wichtig ist, habe ich im Kindergarten gelernt

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Unser Kolumnist Mikael Krogerus blickt auf seine Kindergartenzeit zurück.
Fürs Leben gelernt
Anderen zu helfen, ist vermutlich ein tiefer menschlicher Instinkt. Aber wie man hilft, ist mindestens so wichtig wie, dass man hilft. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Frau Wolff die feinen semantischen Unterschiede von «Soll ich dir helfen?» und «Wie kann ich dir helfen?» vollends bewusst waren, aber mir scheint ihre Ansage heute fast prophetisch. «Soll ich dir helfen?» hat etwas Ungeduldig-Paternales, oft Helfersyndromhaftes und handelt meist mehr von dir als von der Person, der geholfen wird. «Wie kann ich helfen?» hingegen zeigt, dass du anerkennst: Nicht du, sondern das Gegenüber kennt sich in seinem Leben am besten aus.
Der Satz war für uns damals nicht so wichtig, die Handlung, die er auslöste, aber veränderte uns. Wir halfen einander und sahen darin keinen selbstlosen, sondern einen stinknormalen Vorgang, so alltäglich und unhinterfragbar wie Zähneputzen oder Tellerabtragen. Die wenigsten Kinder putzen gern die Zähne, aber die wenigsten (es gibt Ausnahmen) machen daraus eine Riesensache, einfach weil sie früh gelernt haben, dass es zum Leben gehört. Und das kleine sozialpsychologische Experiment, das Frau Wolff da betrieb, lautete: Was wäre, wenn Solidarität auch einfach zum Leben dazugehören würde? Kaum eingeschult, tauschte ich die Hilfsbereitschaft gegen ein sozialdarwinistisches Gebaren, das mich perfekt auf die neoliberale Wirklichkeit vorbereitete, aber aus mir auch ein ziemliches Arschloch machte. Und doch wusste ich die ganze Zeit, dass es auch anders geht, dass dieser kleine Satz noch immer gilt.
«Wie kann ich helfen?»
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