Hunderte Kisten ein- und am neuen Ort wieder auszupacken, war nicht das Schlimmste. Das Meiste davon übernahm auf Firmenkosten ein Umzugs-Unternehmen. Andere hatten schon beim Suchen von Haus und Spielgruppe geholfen, sich um Visas und Flüge gekümmert. Für Organisatorisches gab es die volle Unterstützung. Und als Expats stand uns ein gutes Gehalt zur Verfügung für unser neues Leben. Freunde beneideten uns, sehnten sich vielleicht selbst nach Aufbruch und grosser Freiheit. Living the American Dream.
Und doch: Selbst als wir uns neu organisiert und eingerichtet hatten, war unser Home Sweet Home noch kein Zuhause. Alles um uns herum war neu und unbekannt, anstrengend und verwirrend. Meine alten Freunde verstanden kaum, wie ich innerlich litt, obwohl ja von aussen alles perfekt aussah. Neue Freunde gab es noch nicht, in den ersten Wochen wechselte ich nur mit Postboten und Erzieherinnen ein paar Worte. Trotzdem musste ich es schaffen, fröhlich eine neue und heile Welt aufzubauen für zwei kleine entwurzelte Kinder. Für einen Mann, der bis tief in die Nacht arbeitete.
Wir fanden neue Freunde: Nette Eltern aus der Preschool, hilfreiche Nachbarn, freundliche Mütter aus dem Baby-Turnen – und vor allem andere «trailing spouses». Vorher hatte ich mir geschworen, ich würde niemals mit anderen Schweizerinnen und Deutschen in den USA zusammenglucken. Heute sind genau diese Mütter noch immer beste Freundinnen von mir und wir treffen uns regelmässig. Was uns schnell und tief verband, waren die Herausforderungen und das gegenseitige Sich-Unterstützen und Mut-Machen. Wir brauchten es alle.
Gerade, als zaghaft in mir ein Gefühl von «Angekommen-Sein im neuen Leben» aufkeimte, kam der nächste Aufbruch. Spannende neue Stelle, bombige Chance – alles würde wieder organisiert werden, nur bitte sofort zusagen und Koffer packen.
Vier Jahre zuvor war ich schwanger und mit Kleinkind umgezogen, von Basel nach Bern. Keine 12 Monate später der nächste Wechsel Bern-USA mit Baby. Nach drei Jahren USA, wo unser drittes Kind zur Welt gekommen war, nun wieder ein Umzug mit neuem Baby, diesmal nach Belgien.
Für unseren ältesten Sohn, der nur sechs Jahre alt war, war es das vierte Kinderzimmer, sein viertes Zuhause, das ich in Brüssel einrichtete. Und ich? Mittlerweile fühlte ich mich bei all den tollen Möglichkeiten und Entscheidungen, die mein Mann mit seinen Vorgesetzten diskutierte, gar nicht mehr als Person. Ich war nur noch eine Komplikation. Konnte denn unser Familien-Bedürfnis, sicher in einer stabilen Gemeinschaft zu leben unwichtiger sein als der firmeninterne Bedarf an Managern mit globaler Erfahrung?
Konnte denn unser Familien-Bedürfnis, sicher in einer stabilen Gemeinschaft zu leben unwichtiger sein als der firmeninterne Bedarf an Managern mit globaler Erfahrung?
Wirklich Fuss fassten weder mein Sohn noch ich in Belgien, nur die jüngeren Töchter lebten sich gut ein. Drei Jahre später stand der nächste Stellenwechsel bevor, kurz vor der Einschulung unserer mittleren Tochter. Diesmal setzte ich durch, dass wir an einen Ort gehen würden, an dem unsere drei Kinder die Schule dann auch beenden könnten – zurück nach Basel.
Ich sehnte mich danach, nach Hause zu kommen. Und merkte: Im gleichen Fluss badet man nicht noch einmal. Nach sieben Jahren fort sein, mit drei Kindern, die Basel nur aus Erzählungen kannten, mussten wir uns jedes Stück Heimat hier wieder hart erarbeiten.
Happy End für die zügel-geplagte Familie? Nun ja. Die Position im Firmen-Hauptsitz bringt immer wieder wochenlange Reisen für meinen Mann mit sich, oft nur kurzfristig angekündigt. Dann sind die Kinder und ich wieder allein. Und für ihn ist es dadurch schwer, sich wirklich einzuleben.
Das Stellen-Karussell dreht sich weiter, alle zwei bis drei Jahre muss gewechselt werden. Flexibilität und Einsatz in den Länder-Filialen werden explizit erwartet. Wenn mein Mann hier keine neuen Jobs mehr findet, was dann? Würde er pendeln und
Wochenend-Papi sein, um unseren Kindern die Stabilität zu erhalten? Würde unsere Ehe das aushalten? Würden wir ihn zu sehr vermissen und wieder hinterherziehen? Könnte er mit Mitte 40 beruflich als Haupt-Verdiener nochmal neu starten und wie?
Auslands-Einsätze sind eine tolle Erfahrung. Sie haben uns internationale Freunde und bunte Eindrücke, Sprachen, Welt-Offenheit und Toleranz gebracht. Aber uns wurde auch schmerzlich bewusst:
Nicht nur Kinder müssen sich verwurzeln können. Auch wir brauchen Stabilität und Selbstbestimmung für unsere Partnerschaft und Familie.
Wir mussten eine klare Linie finden, Gegendruck aushalten und uns für unsere Werte stark machen. Das war und ist nicht einfach. Aber so langsam wachsen unsere neuen Wurzeln als Multikulti-Familie wieder in der Schweiz. Hoffentlich bleibende Wurzeln.