Episches Staubsaugergefecht

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Wie unsere Kolumnistin Michèle Binswanger im Zimmer ihres Sohnes eine Putzattacke erlitt.
Aber das gehört der Vergangenheit an. Jüngst verkündete der zum Jüngling herangewachsene Sohn, er werde sein Zimmer von nun an selber putzen. Zunächst war ich misstrauisch. Die Strategie liegt auf der Hand: das Zimmer zum eigenen Hoheitsgebiet erklären, um es dann nach Lust und Laune vergammeln zu lassen. Aber er sagte «Easy Mann» und bewies mir das Gegenteil: Für einige Wochen räumte er schneller und gründlicher auf als jeder andere. Auch den Schrank. Und die Schuhe. Also liess ich mich auf den Deal ein und überliess ihm vertrauensvoll die Hoheit.
Doch so stark er angefangen hatte, so stark liess er nach. Ich ahnte Böses, hütete mich aber, das Zimmer genauer zu inspizieren. Obschon er sich in der Testphase als prima Aufräumer erwiesen hatte, schien er jetzt eher wie ich als Teenager: Es gelang mir, sogar während des Aufräumens neues Chaos zu produzieren. Erst viel später entdeckte ich die zen-artige Wirkung, die Putzen auf mich hat, weshalb ich heute eine emsige Hausfrau bin.
Ich packte den Staubsauger wie ein Schwert und meine emsige Hausfrauennatur ging mit mir durch.
Auf Einzelheiten kann ich diskretionshalber nicht eingehen. Nur so viel: Ich fegte wie ein mit Putzlappen und Holzpolitur bewehrter Hurrikan durch, klopfte hustend Matratzen auf, es war ein episches Staubsaugergefecht. Am Ende liess ich mich erschöpft in eine Ecke fallen, unsicher, ob ich das Richtige getan hatte. Ich rief den Sohn an und sagte, dass ich sein Zimmer geputzt habe, weil die vorgefundenen Zustände meiner Hausfrauennatur zu sehr zugesetzt hätten. Er antwortete, wie ein pubertierender männlicher Teenager heute antwortet: «Easy Mann.» Und ich beschloss, es easy zu nehmen.
Michèle Binswanger
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