Camillo – ein Hund auf Zeit

Bilder: Günther Lüchinger
Die Wünsche der eigenen Kinder zu erfüllen, macht Freude. Was aber, wenn das so richtig viel Arbeit mit sich bringt? Das ist die Geschichte von Hund Camillo, einem Herzenswunsch, erzählt aus Sicht der Mutter.
Schon seit zwei Jahren bearbeitet uns unsere Tochter Anna mit ihrem Wunsch nach einem Hund. Irgendwann im zweiten Jahr hatte sie uns schliesslich weichgeklopft. Wir gaben nach. «Ja, ja, wir schauen dann mal», versprachen wir Eltern. Wann dieses «dann» genau ist, liessen wir elegant offen.
In der gut sortierten Bibliothek des Nachbarortes deckten wir uns vorsichtshalber mit Hundeliteratur ein. Falls uns Anna rumkriegen sollte, wüssten wir immerhin bereits, welche Rasse ins Haus kommt.
Die Freuden und Leiden eines Hundehalters
«Camillo, du machst mich fix und fertig», geht mir durch den Kopf, während der gelockte Hund freudig seine Schnauze gehen mein Bein stösst. Ich weiss, was er will: Nach draussen – spazieren gehen. Zum fünften Mal heute. Bewegung wird gross geschrieben in unserer Familie, wir sind oft aktiv in der Natur unterwegs. Aber das, was dieser Hund fordert, ist einfach zu viel des Guten.
Abends um zehn sinke ich todmüde ins Bett. Meine Freundin Marion bringt es auf den Punkt: «Ein Baby ist Peanuts dagegen». Sie muss es wissen, wohnt sie doch seit drei Wochen mit einem Welpen unter einem Dach – auch dieser war ein Kinderwunsch. Ich habe ihr gegenüber einen grossen Vorteil: Camillo ist nicht unser Hund.
Einen Hund «ausprobieren»?
In dieser Woche bewegte ich mich so viel draussen wie noch nie. Camillo, der normalerweise auf einem Bauernhof in der Toscana wohnt, wollte raus. Ein Frischluftfanatiker – ganz offensichtlich. «Anna, geh doch mal raus mit Camillo!», regte ich meine hundeliebhabende Tochter an. «Keine Lust, bin grad am Lesen», tönte es zurück.
Nach nur wenigen Tagen stellte sich heraus, dass 98 Prozent der Hundearbeit an meinem Mann und mir hängenblieb. Schnell haben wir den wolligen Hund in unser Herz geschlossen. Aber wir schätzen auch die Sauberkeit im Haus sobald er wieder abgeholt wird. In seinem Fell scheint sich der halbe Wald zu verfangen. In jedem Tümpel oder Bach suhlt er sich. Trotz der obligaten Dusche nach dem Spaziergang fühlt sich unser Wohnzimmerboden mit Camillo wie ein Sandkasten an.

Hunde sind bereichernd, aber …
Natürlich hatte auch keiner von uns einen Schimmer von Hundehaltung, geschweige denn -erziehung. Nicht wir führten Camillo, sondern er uns. Mit der Zeit ging es etwas einfacher. «Nein, Camillo, jetzt nicht!», hielt ich des Hundes Drängen stand, während das schlechte Gewissen an mir nagte. Typisch Mama eben. Der Frühling, und mit ihm Camillos Lust auf Hündinnen, zog ins Land. Schweissüberströmt joggte ich hinter dem Hundekavalier her, der nur ein Ziel hatte: Das süsse Pudelmädchen einen Kilometer vor uns.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Der ganzen Familie war nun klar, dass ein Vierbeiner viel Aufwand bedeutet und wir manches anders organisieren müssten, um einem Hund ein artgerechtes Leben zu bieten. «Ist es okay für dich, wenn wir das Thema nun abschliessen?», fragten wir unsere Jüngste. «Ja», sagte sie lächelnd, «ich kann mir ja immer noch einen Hund zulegen, wenn ich erwachsen bin».
Checkliste: Hund ja oder nein?
- Haben wir genügend Zeit für den Hund?
- Wer kümmert sich um den Vierbeiner?
- Sind alle Familienmitglieder mit dem Kauf einverstanden?
- Ist die Wohnung oder das Haus geeignet für die Hundehaltung?
- Ein Hund bedeutet Auslagen, z. B. für Futter oder Tierarzt. Haben wir das nötige Budget dafür?
- Wo können wir den Hund unterbringen, wenn wir verreisen?
- Möchten wir einen Welpen (aufwendiger) oder ein erwachsenes Tier?
Es muss übrigens nicht unbedingt ein eigener Hund sein. Vielleicht ist die Nachbarin glücklich, wenn sie ihren Vierbeiner mal abgeben kann. Gute Ferienplätze für Hunde sind zudem rar – sicher findet sich via Internet oder Inserat jemand, der einen Ferienplatz benötigt für seinen Hund.
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