«Hilfe, ich mag die Kindergärtnerin meines Kindes nicht!» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Hilfe, ich mag die Kindergärtnerin meines Kindes nicht!»

Lesedauer: 3 Minuten

Die Lerncoaches Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund beantworten vier konkrete Fragen zu Konflikten zwischen Eltern, Kind und Lehrperson. So können Mütter und Väter reagieren, wenn in dieser Dreierkonstellation Störungen auftreten.

Interview: Claudia Landolt
Bild: Niki Boon

Wie wichtig ist eine gute Beziehung zwischen Eltern und Kindergärtnerin?

Stefanie Rietzler: Kinder schöpfen Sicherheit, wenn sie wahrnehmen, dass ihre Eltern sie vertrauensvoll in die Hände der Kindergärtnerin geben. Kinder sind sehr empfänglich für die Emotionen der Eltern. Wenn sie auf der Seite der Eltern Angst oder Abneigung gegen den Kinder­ garten spüren, kann es ihnen deut­lich schwerer fallen, sich auf die Kindergärtnerin, aber auch auf die anderen Kinder und das Angebot des Kindergartens einzulassen.

Fabian Grolimund: Als Eltern geben wir unsere Kinder mit einem ruhigen Gefühl in fremde Hände, wenn eine gute Basis da ist. Wenn Eltern und Kindergärtnerin sich ver­trauensvoll begegnen, lässt es sich offener kommunizieren und es kön­nen auch bei Schwierigkeiten rascher und unkomplizierter Lösungen gefunden werden.

Was, wenn das Kind keinen Draht zur Kindergärtnerin findet?

Fabian Grolimund: Man darf von einer Kindergärtnerin fordern, dass sie im Umgang mit jedem Kind res­pektvoll und fair ist. Eine besonders gute Chemie zwischen ihr und den Eltern lässt sich aber nicht erzwin­gen. Manchmal bleibt das Verhältnis distanziert. Ich erinnere mich an einen Jungen, der zu meiner Mutter in den Kindergarten ging. Während eines Waldspaziergangs verschwand er einfach, zwei Stunden suchte sie vergeblich nach ihm. Die Eltern nah­men es gelassen und meinten: «Machen Sie sich keine Sorgen – der kommt heim, wenn er Hunger hat.» Meine Mutter war allerdings fast krank vor Angst und bestand darauf, dass der Junge in den Kindergarten gebracht wird, sobald er nach Hause kommt. Dort sagte sie ihm: «Das darfst du nie wieder machen! Ich hab dich doch so gern – und hatte solche Angst um dich.» Er schaute verlegen auf den Boden. Dann meinte er: «Ich habe eben ein Problem … ich habe dich nicht gern.»

Stefanie Rietzler:
Manche Kinder sind allgemein zurückhaltend in einer ungewohnten Umgebung und brauchen eine Aufwärmphase, bis sie sich auf die Kindergärtnerin ein­ lassen können. Auch die Situation, dass sie diese Bezugsperson mit vie­len anderen Kindern «teilen» müs­sen und die Kindergärtnerin nicht immer verfügbar sein kann, müssen manche Kinder zuerst verdauen. Wenn man sich als Eltern Sorgen macht, ist es hilfreich, sich zu fragen: Kann sich mein Kind im Kinder­ garten trotzdem wohlfühlen? Hat es ein generelles Vertrauen, dass es zur Kindergärtnerin gehen kann, wenn es ihm nicht gut geht? Hat es Anschluss an die anderen Kinder? Wenn auch letzteres nicht der Fall ist, wäre es wichtig, das Gespräch mit der Kindergärtnerin zu suchen und zu überlegen, was man tun kann. 

Was, wenn das Kind noch immer lieber daheim bleiben möchte?

Stefanie Rietzler: Es gibt verschie­dene Gründe, warum Kinder zu Hause bleiben wollen. Manchmal muss man regelrecht Spurensuche betreiben, um herauszufinden, was los ist. In einigen Fällen ist die Bezie­hung zur Kindergärtnerin das Pro­blem, in anderen fühlt sich das Kind in der Gruppe nicht wohl. Gewisse Kinder sind noch nicht reif für den Kindergarten, andere sind schlicht unterfordert. Und wieder andere finden es zu Hause einfach spannen­der. Manchmal steckt dahinter auch eine Trennungsangst. Wenn zu Hau­se vieles im Umbruch ist, kann es Kindern schwerfallen, die Eltern alleine zu lassen. Zu drängend ist die Frage, was passiert, während man nicht zu Hause ist.

Fabian Grolimund: Es macht einen grossen Unterschied, ob das Kind lediglich keine Lust hat oder ob es verzweifelt wirkt. Wenn Letzteres nach der Eingewöhnungszeit immer noch der Fall ist, muss man als Eltern reagieren. Kinder in diesem Alter können oft noch nicht sagen, was sie bedrückt. Manchmal hilft es bereits, wenn das Kind einen Gegenstand von zu Hause mitnehmen darf oder ein Elternteil am Anfang noch einen Moment bleibt, um den Übergang zu erleichtern. Bei grösseren Schwierigkeiten ist eine Begleitung durch die Schulpsychologin hilfreich. 

Was, wenn die Erziehungsvorstellungen von Eltern und Kindergärtnerin auseinandergehen?

Fabian Grolimund: Man sollte sich zuerst die Frage stellen: Wer hat das Problem? Es ist hilfreich, eigene Empfindlichkeiten zurückzustellen, sich zu sagen: «Die Kindergärtnerin macht es anders, aber nicht schlech­ter, und mein Kind kommt damit zurecht.» Eine Kindergärtnerin kann nicht die Erziehungsvorstellungen von 20 Eltern mitberücksichtigen.

Stefanie Rietzler: Eine Kinder­gärtnerin ist in einer anderen Situa­tion als die Eltern. Sie ist für eine grosse Gruppe von Kindern verant­wortlich und muss in diesem Rah­men für geordnete Abläufe sorgen. Dass das nicht leicht ist, merkt man, wenn man einen Kindergeburtstag betreut. Da kommt man ziemlich rasch ins Schwitzen und ist wahr­scheinlich schnell dabei, auf die Ein­haltung gewisser Regeln zu pochen. Es ist manchmal heilsam, sich das bewusst zu machen.

Fabian Grolimund: Wir haben gros­sen Respekt vor der Arbeit der Kindergartenlehrpersonen und finden es wichtig, gelassen zu bleiben, auch wenn nicht alles den eigenen Vorstellungen entspricht. Auch einer Kindergärtnerin dürfen Fehler pas­sieren oder ab und zu eine unglück­liche Formulierung herausrutschen. Anders, wenn es um das Wohlerge­hen des Kindes geht: Sollte es vor­ kommen, dass eine Kindergärtnerin Grenzen überschreitet, müssen die Eltern das Kind schützen.

Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund
sind Psychologen und leiten die Akademie für Lerncoaching in Zürich. Die beiden eint der Wunsch, dass Kindergarten und Schule Orte sind, wo sich Kinder, Eltern und Lehrpersonen wohl fühlen und voneinander lernen können.

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