Wenn ich mit Eltern oder Lehrpersonen darüber spreche, weshalb wir Warum-Fragen von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen und darauf reagieren sollten, taucht immer wieder folgende Aussage auf: «Muss man jetzt etwa alles ausdiskutieren? Manchmal müssen Kinder doch einfach tun, was man ihnen sagt.»
Hier finde ich es wichtig, zwei Aspekte auseinanderzuhalten: Als Eltern, Lehrpersonen oder Chefs ist es unsere Aufgabe, Kinder, Schülerinnen oder Mitarbeiter zu führen. Wenn wir diese Aufgabe gut machen möchten, sollten wir unser Handeln erklären. Das heisst aber nicht, dass immer alle mit allem einverstanden sein müssen.
Letzte Woche hatte ich meinen Kindern ein neues Hörspiel aufs Tablet heruntergeladen – dummerweise eine halbe Stunde vor dem Abendessen. Sie waren gerade mittendrin in der Geschichte, als ich sie zum Essen rufen musste. Natürlich wollten sie es während des Essens weiterhören. Ich bestand darauf, dass sie es ausschalten. Sie wurden wütend und wollten den Grund wissen. Ich sagte: «Mir ist es wichtig, dass wir während des Essens Zeit miteinander verbringen und ungestört miteinander reden können. Deswegen schalte ich das Handy aus und ihr stellt das Hörspiel ab.»
Die Kleine fand «blöder Papa» und der Grosse redete fünf Minuten demonstrativ kein Wort mit mir.
Wenn wir eine Erklärung anbieten, ist es nicht nötig, so lange auf die andere Person einzuschwatzen, bis sie diese annimmt. Andere Menschen – auch Kinder – haben ein Recht darauf, anderer Meinung zu sein oder anders zu empfinden.
Aber: Wenn wir die Warum-Frage aufgreifen und ernsthaft beantworten, wird unser Handeln nicht als Willkür erlebt. Die Menschen um uns herum lernen uns besser kennen, erhalten Einblick in das, was uns wichtig ist, und können nachvollziehen, warum wir etwas tun.
Wenn mir Eltern und Lehrpersonen sagen, dass sich Jugendliche daran gewöhnen müssten, einfach zu tun, was man ihnen sagt, da dies im Berufsleben nicht anders sei, frage ich mich immer: Auf welches Berufsleben sollen diese Kinder und Jugendlichen vorbereitet werden? Auf eines, in dem eigenständiges Denken keine Rolle spielt? Oder auf eines, in dem Sinnfragen gefährlich sind? Warum sollten wir unsere Kinder oder unsere Schüler in diese Richtung lenken wollen?