«Bevor ich komplett ausraste, ziehe ich mich zurück»
Bild: Fabian Hugo / 13 Photo
Ich erzähle
Karin Lerchi, 50, ist selbständige Catering-Unternehmerin. Die alleinerziehende Mutter lebt mit ihrer 13-jährigen Tochter Alva in Zürich. Wegen Corona ist ihre berufliche Situation angespannt. Gleichzeitig fordert der Teenager Freiheiten – das provoziert Konfliktsituationen.
Der Auslöser war eines unserer ständigen Reizthemen: Ich hatte Alva verboten, bis 23 Uhr draussen unterwegs zu sein. Es ging um einen Abend unter der Woche, am nächsten Morgen war ein ganz normaler Schultag. Eine 13-Jährige sollte da nicht Party machen, das ist für mich nicht verhandelbar. Dass viele ihrer Freunde trotzdem bis Mitternacht unterwegs sind, macht so eine Diskussion nicht einfacher.
Ich erinnere mich, dass meine Mutter mit mir als Teenager nicht zurechtkam und einfach gar nicht mit mir diskutiert und gesprochen hat. Das hat mich sehr verletzt. Das möchte ich für Alva und mich nicht.
Wenn ich spüre, dass ich kurz davor bin, auszurasten, ziehe ich mich ganz bewusst aus dem Streit zurück und entferne mich. Ich erkläre, dass wir mal einen kurzen Break brauchen, und mache zum Beispiel einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft. Ich habe mich aber auch schon im Badezimmer eingeschlossen, um mich selbst zu bremsen und nichts zu sagen oder zu tun, was ich später bereuen könnte.
Während dieser Streitpausen versuche ich Alvas Perspektive und ihre Bedürfnisse abzuwägen. Ich biete dann Kompromisse an und erlaube ihr beispielsweise, dass sie bis 21 Uhr unterwegs sein kann. Sie kann dann entscheiden, ob sie das annimmt oder eben gar nicht geht. Mit blossen Verboten und abwertenden Urteilen wie ‹Du hast doch keine Ahnung› oder ‹Wie kann man so egoistisch sein› erreiche ich einen Teenager nicht. Dann tut Alva die Dinge hinter meinem Rücken.»
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